Meeresbiologin aus Ústí: Petra Nevečeřalová ist die einzige Walforscherin Tschechiens

Südkaper

Man muss nicht unbedingt von der Waterkant kommen, um als Meeresbiologin zu arbeiten. Das zeigt sich etwa an der Tschechin Petra Nevečeřalová. Sie erforscht Wale, konkret die Südkaper im südlichen Afrika. Woher kommt diese Begeisterung? Welche Erlebnisse hat sie gemacht? Und worum geht es bei ihrem Projekt? Das hat die Wissenschaftlerin letztens für die englischsprachigen Sendungen von Radio Prag International beschrieben. Wir haben die interessantesten Passagen zusammengefasst.

Petra Nevečeřalová kommt aus Ústí nad Labem / Aussig in Nordböhmen. Sie ist die einzige Wal-Forscherin in Tschechien. Die junge Meeresbiologin beschäftigt sich mit den Tieren in einem internationalen Projekt. Dafür verbringt sie viele Monate im Jahr in Südafrika. Wie kommt aber jemand aus einem Binnenland zu der Begeisterung für diese Meeresbewohner?

Petra Nevečeřalová | Foto: Martin Vaniš,  Radio Prague International

„Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht so genau. Mir scheint, dass ich damit geboren wurde. Eine meiner ersten Erinnerungen dazu ist, dass meine Mama mir – als ich ein kleines Mädchen war – eine Bettdecke gekauft hat mit einem bunten Bild von einem Seehund, der mit einem Ball spielt. Und ich fragte mich immer: Was für ein Tier ist das? Später kaufte mir meine Mama Bücher über Tiere, weil ich mich dafür wirklich sehr begeistern konnte. In einem dieser Bücher ging es um Meeressäugetiere, und auf einer Seite waren da die Seehunde. Ich war hin und weg, sie zu sehen, Aber auf der nächsten Seite waren Delphine und Wale, in die ich mich dann verliebte. Als ich später zur Schule ging, habe ich mir aus den Tierbüchern immer Notizen in einen kleinen Block geschrieben. Den Block hatte ich immer dabei, um mehr über Delphine und Wale zu lernen. Diese Begeisterung war also irgendwie immer ein Teil von mir“, so die Wissenschaftlerin.

Der entscheidende Punkt kam, als Petra Nevečeřalová als Teenager bei einem Filmfestival war. Dort traf sie Taucher, die sich mit Buckelwalen in Mosambik beschäftigen. Sie habe dann mit den Experten über die Wale gesprochen und nach Möglichkeiten gefragt, sich einem Forschungsteam anzuschließen. Ein Experte aus Südafrika habe sie letztlich nach Mosambik eingeladen, sagt die Doktorandin der Prager Karlsuniversität…

Petra Nevečeřalová | Foto: Jason Stafford,  Archiv von Petra Nevečeřalová

„Ich ging also nach Hause und sagte zu meiner Mama: ‚Ich muss nach Mosambik, um Wale zu sehen.‘ Und sie sagte: ‚Du bist erst 16, Mosambik liegt am Ende der Welt, da kannst du nicht alleine hin.‘ Dann drehte sie sich aber um und meinte: ‚Weißt du, ich komme einfach mit.‘ Sie packte also für sich und für mich, und wir sind nach Mosambik geflogen. Sie war sehr mutig.“

Das war 2005. Wie die Wissenschaftlerin betont, war Mosambik damals nicht gerade ein Reiseland. Malaria und Bauchtyphus wüteten dort. Doch ihre Mutter quartierte sich mit ihr in einer kleinen Hütte ohne Strom und fließend Wasser ein. Und dann sah Nevečeřalová auch ihren ersten Wal:

„Das war einer der schönsten Tage meines Lebens. Es war sogar an meinem 17. Geburtstag. Die Gegend in Mosambik heißt Jangamo und liegt in der Provinz Inhambane. Und dort sah ich einen Buckelwal, eine Mutter mit ihrem Kalb. Wir konnten recht nah an sie herankommen. Es war ein überwältigendes, ein unglaubliches Erlebnis. Ich machte ein Bild von der Mutter mit ihrem Kalb, und das Foto hängt heute direkt über meinem Bett. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, sehe ich also meinen ersten Wal.“

Über die Taucher in Mosambik kam die begeisterte junge Frau in Kontakt mit Naturschützern aus Südafrika. Wilfred Chivell und seine Frau Susan Visagie hatten damals gerade das Schutzprojekt Dyer Island Conservation Trust gegründet, und zwar in der Kapregion. Finanziert wird das Projekt durch Walbeobachtung und Haitauchen für Touristen. In einem anderen Interview hat Petra Nevečeřalová gesagt, die beiden Naturschützer hätten auch ihre Flugtickets nach Südafrika mitfinanziert, damit sie dort auf den Schiffen mithelfen konnte.

Nicht-invasive DNA-Entnahme

Deutlich schwieriger wurde für sie, den Traum vom Studium zu verwirklichen.

„Wale sind solch ein verrücktes Thema in Tschechien, dass die Karlsuniversität in Prag nicht gerade scharf darauf war, mich aufzunehmen. Es war dann die Universität in meiner Heimatstadt Ústí nad Labem, die mich Wale erforschen ließ, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich konnte auch ins Feld gehen, deswegen habe ich sowohl in meiner Bachelor- als auch in meiner Masterarbeit die Südkaper behandelt“, sagt Petra Nevečeřalová.

Ein junger Südkaper zeigt sich an der Küste | Foto: Petra Nevečeřalová,  Archiv von Petra Nevečeřalová

Die Südkaper sind eine Art der Glattwale. Sie sind nur die Hälfte des Jahres unter anderem an den Küsten Südafrikas zu beobachten – wenn dort Winter ist. Im Sommer auf der Südhalbkugel ziehen sie in Richtung Subantarktis.

Nevečeřalová ist auch für ihre Dissertation bei der Erforschung dieser bis zu 18 Meter langen Meeressäuger geblieben. Allerdings mittlerweile an der Prager Karlsuniversität:

„Mein PhD-Projekt basiert auf DNA-Analysen. Das Forschungsgebiet nennt sich Molekular-Ökologie oder Erhaltungsgenetik. Deswegen muss ich vor Ort sein, um DNA-Proben zu sammeln. Ich verbringe also jedes Jahr während der Walsaison sechs Monate in Südafrika.“

Probenkontrolle  | Foto: Jason Stafford,  Archiv von Petra Nevečeřalová

Für die DNA-Analysen werden normalerweise Gewebeproben bei den Tieren entnommen. Das heißt, die Wale werden mit einem Spezial-Pfeil aus einem Bogen beschossen. Der Pfeil hat eine Hohlspitze, und durch einen Rückprallkörper bleibt er nicht im Tier stecken. Die tschechische Meeresbiologin hat diese Praxis jedoch geändert:

„Selbst wenn die Forschung weder kurzfristige noch langfristige negative Folgen für die Tiere kennt, bedeutet dieser Eingriff, die Tiere zu stören – und darüber war ich unglücklich. In meinem Projekt habe ich mich deswegen auf eine nicht-invasive Art des Sammelns von DNA-Proben konzentriert. Wenn die Südkaper in Südafrika ankommen, schuppt sich ihre Haut stark, weil das UV-Licht und die Wasserstruktur anders sind. Wie ich festgestellt habe, lassen sich diese Hautpartikel problemlos mit einem Netz vom Boot aus abschöpfen.“

Nevečeřalová wandte sich daher an zwei Walbeobachtungsunternehmen. Und sie brachte deren Crews bei, die Gewebeproben abzuschöpfen. Außerdem erfand sie noch eine weitere Methode…

Blick auf den Hafen vom Schiff aus | Foto: Petra Nevečeřalová,  Archiv von Petra Nevečeřalová

„Später hatte ich die Idee, das Wasser aus dem Atemloch der Wale aufzufangen. Das gelang uns dann auch. Damit wurden wir das erste Forscherteam, das die DNA von Walen aus einer Atemprobe isoliert hat. Und darauf bin ich sehr stolz“, betont die Expertin.

Das Leiden durch den Klimawandel

Seit einigen Jahren macht die Forscherin indes beunruhigende Beobachtungen. Vor 2010 hätten die Bestände der Südkaper jährlich im Schnitt um sieben Prozent zugenommen. Die Wale seien fett gewesen und hätten gesund ausgesehen. Dies habe sich gewandelt, sagt Petra Nevečeřalová:

„Nach 2010 konnte man sehen, wie manche Exemplare ziemlich dünn wurden. Die Bestände haben offensichtlich Probleme. Unsere genetischen Forschungen zeigten, dass es eine scharfe Spitze im Genfluss von Südafrika nach Australien gab. Wir konnten dies aber zunächst nicht erklären. Später erkannten wir, dass sich die Migrationsrouten geändert haben. Unsere Erkenntnis war, dass der Antarktische Krill, die Hauptnahrung der Südkaper, wohl wegen des Klimawandels weiter nach Süden gewandert ist. Die Wale mussten also entweder größere Entfernungen schwimmen, um an den Krill zu kommen, oder ihn ersetzen. Sie fressen nun mehr Ruderfußkrebse. Die lassen sich zwar mit Krill vergleichen, sind aber nicht so nahrhaft, wie die Wale das brauchen.“

Petra Nevečeřalová | Foto: Alison Towner,  Archiv von Petra Nevečeřalová

Deswegen seien die weiblichen Südkaper nun dünner und würden auch nicht mehr so häufig kalben. Anstatt alle drei Jahre gebären sie nur noch alle fünf Jahre ihren Nachwuchs. Die Expertin befürchtet deswegen ernste Probleme für den Bestand der Südkaper in Südafrika.

Daisy und die Robbe

Bei ihrer Arbeit hat Nevečeřalová zudem gelernt, einzelne Exemplare der Wale voneinander zu unterscheiden. Sie seien auch in ihrem Temperament so unterschiedlich, schwärmt die Meeresbiologin. Dabei schildert sie ihre eindrücklichste Begegnung mit einem der Tiere – und zwar einem Kalb, das sie Daisy nannten und das in der Bucht geboren wurde, in der sie gelebt habe…

„Immer wenn wir in unserem Boot waren, kam Daisy nahe heran, um Hallo zu sagen. Und das war wirklich nahe. Ich hätte sie sogar vom Boot aus berühren können, aber das würde ich bei Wildtieren nie machen. Eines Tages war da eine Robbe, die uns ebenfalls begleitet hat. Da verlor Daisy schnell das Interesse am Boot, sie fand die Robbe sehr viel spannender. Dann wollte sie die Robbe beißen, doch diese Wale haben keine Zähne, sondern Barten. Wir sahen, wie Daisy die Robbe also im Maul hatte, die schrie laut auf, blieb aber offensichtlich heil. Es war wohl nur erniedrigend. Daisy war so ein wunderbares Baby. Ich hoffe, ich werde sie wiedersehen“, so Petra Nevečeřalová.

Südkaper | Foto: Petra Nevečeřalová,  Archiv von Petra Nevečeřalová

Mittlerweile steht die Expertin kurz vor dem Ende ihres Doktorstudiums. Zum einen sagt sie, dass sie jahrelang lang praktisch keinen richtigen Sommer erlebt habe, weil sie regelmäßig von Juni bis November im südafrikanischen Winter Wale beobachtet habe. Zum anderen gesteht sie aber:

„Ich werde nun nach meiner Promotion eine Pause machen. Es hat acht Jahre lang gedauert und einen wichtigen Teil meines Lebens ausgemacht. Ich muss sagen, ich bin etwas traurig, dass es nun vorbei ist. Deshalb muss ich nun eine Pause einlegen und nachdenken, was ich als Nächstes machen werde.“

Mit Sicherheit solle dies aber mit Walen zu tun haben, betont die Meeresbiologin aus Tschechien.