Mehr Werbung für Comenius: Pädagogisches Museum Prag

V. Stribrny: Comenius verläßt die Heimat

Seine pädagogischen Prinzipien von Anschaulichkeit, Kreativität und Selbständigkeit haben nichts an Aktualität verloren. Der international berühmte Pädagoge und Philosoph, Jan Amos Komensky (Comenius), hat vor 350 Jahren seine sämtlichen pädagogischen Werke in Amsterdam herausgegeben. Eine Ausstellung über Komenskys "Opera didactica omnia" wurde diese Woche im Pädagogischen Museum auf der Prager Kleinseite eröffnet.

Das Prager Pädagogische Museum, das den Namen von Jan Amos Komensky trägt, hat im Haus "Zur goldenen Sonne" und im Nachbarhaus "Zum Goldenen Schiff" seinen Sitz. Zu den bekanntesten Besitzern der beiden Gebäude gehörte Havel Obersvender, der sich um das Silbergeschirr am Hofe von Kaiser Rudolf II. gekümmert hat. Die Häuser hatte Obersvender, der als so genannter Silberkämmerer bezeichnet wurde, 1623 gekauft hat.

Das Comenius-Museum zog 1996 in dieses Gebäude um, nachdem es die zuvor genutzten Räumlichkeiten im Palais Waldstein der oberen Parlamentskammer zur Verfügung stellen musste. Die Geschichte des Pädagogischen Museums ist jedoch viel länger. Seine Gründung hing mit den Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums zum 300. Geburtstag von Jan Amos Komensky im Jahre 1892 zusammen, sagt Museumsdirektorin Marketa Pankova:

"Die Entstehung des Museums ist engagierten tschechischen Lehrern zu verdanken, die ein eigenes Zentrum haben wollten, in dem die Geschichte von Pädagogik und Bildung aufgearbeitet wird. In der Vergangenheit war das Museum abwechselnd verschiedenen Institutionen unterstellt. Seit 1991 ist es ein staatliches Museum, das zum Ressort des Ministeriums für Bildung, Jugend und Körpererziehung gehört. Unsere Aufgabe ist es, Dokumente zur Geschichte der Pädagogik zu sammeln und aufzubewahren, natürlich immer im Zusammenhang mit dem Werk von Jan Amos Komensky. Ohne Comenius kann sich aber niemand die Geschichte der Pädagogik vorstellen."

Auch während der Führung durch das Museum sind wir immer wieder auf Comenius zurückgekommen. Den Namen des großen tschechischen Pädagogen und Philosophen kennt in Tschechien heutzutage wahrscheinlich jeder, denn fast in jeder Stadt findet man eine Komensky-Straße oder einen Komensky-Platz. Sein Werk aber ist heute unter der Öffentlichkeit nur wenig bekannt, auch wenn man über Komensky schon an der Hauptschule einiges erfahren kann. Wie aktuell seine philosophischen Gedanken und vor allem seine pädagogischen Prinzipien noch immer sind, dessen sind sich nur wenige bewusst. Stimmt es, dass Comenius, dessen Bedeutung weit über die Grenzen der böhmischen Länder hinausging, in seiner Heimat ein wenig vergessen wird? Marketa Pankova:

"Sie haben ein sensibles Thema angesprochen. Wir stellen uns oft die Frage, warum wir nicht in der Lage sind, Comenius mehr zu propagieren. Denn er war doch ein Genie, der mit den Gedanken seinen Zeitgenossen weit voraus war. Als wir darüber nachgedacht haben, wie man Komensky und sein Vermächtnis hervorheben könnte, kamen wir zu dem Schluss, dass das vor allem aus einem Grund schwierig ist: Er hinterließ uns das Vermächtnis seiner Gedanken. Mozart zum Beispiel kann man hören. Oder nehmen Sie Wallenstein, zu dessen 425. Geburtstag jetzt mehrere Veranstaltungen vorbereitet werden. Ihn kann man als eine historische Person, als einen Heerführer mit bewegtem Schicksal bewundern. Aber aus dem Gedankengut von Comenius kann man kaum einen Artikel machen, für den man werben könnte. Wir haben jetzt eine Ausstellung über die pädagogischen Werke von Comenius vorbereitet, die mit der bevorstehenden großen Comenius-Konferenz in Prag zusammenhängt. Aber leider werden wir mit unseren Veranstaltungen wahrscheinlich im Schatten von Wallenstein stehen."

Marketa Pankova  (Foto: Autorin)
Comenius, der aus Mähren stammte, war aus religiösen Gründen gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Er hat an verschiedenen Orten in Europa gewirkt. Ist er daher im Ausland auch heute noch bekannt? Marketa Pankova:

"Es kommt darauf an, wo. Eine große Aufmerksamkeit wird ihm in Deutschland geschenkt, insbesondere dank der Deutschen Comenius-Gesellschaft mit ihrem Vorsitzenden Andreas Fritsch. Auch in Schweden erweckt Comenius immer noch Interesse. Was aber erstaunlich ist, es gibt renommierte Comenius-Forscher in Asien, und zwar in Japan und in Südkorea. Ihre Vertreter kommen auch zu unserer Konferenz, die wir im November in Prag veranstalten."

Besitzt das Prager Pädagogische Museum, das nach Komensky benannt wurde, in seinen Sammlungen auch Gegenstände, die an ihn erinnern? Die Museumsdirektorin:

"Natürlich verfügt das Museum über Sammlungen, die sich auf das tschechische Schulwesen beziehen. Das Museum hat in seiner gesamten Zeit verschiedene Hoch und Tiefs erlebt. In den härteren Zeiten ist leider einiges aus den Sammlungen abhanden gekommen. Aber wir haben immer noch herrliche Schulbilder, alte Lehrbücher sowie alle Fibeln, die hierzulande entstanden sind. Jeder der tschechischen Besucher kann mit etwas Nostalgie seine Fibel in unserem Museum finden und besichtigen. Was Comenius betrifft, so besitzen wir mehrere alte Drucke. Einige davon kann man in der Ausstellung bewundern, die anlässlich des 350. Jahrestags der Herausgabe von Opera didactica omnia - also seiner gesamten didaktischen Werke - eröffnet wurde. Ein spezielles Comenius-Museum gibt es zudem im mährischen Uhersky Brod. Mit diesem arbeiten wir gut zusammen. Des Weiteren gibt es ein Comenius-Museum im mährischen Prerov, das sich mit dem mährischen Schulwesen befasst und beispielsweise eine hervorragende Sammlung von Komenskys Landkarten besitzt."

Im Museum kann man eine ständige Ausstellung besuchen, die sich auf das tschechische Schulwesen und Komenskys Vermächtnis konzentriert. Forschern, Studenten, aber auch interessierten Laien steht eine besondere Bibliothek zur Verfügung, in der Literatur zum tschechischen Bildungswesen im europäischen Kontext zu finden ist. Und nicht zuletzt verwaltet das Museum das Archiv von Premysl Pitter und Olga Fierz. Das Archiv wird vom Museum in Zusammenarbeit mit dem Stiftungsfonds von Premysl Pitter und Olga Fierz sowie dem schweizerischen Verein Milidu verwaltet. Der Pädagoge und Humanist Pitter kümmerte sich während der Ersten Republik in Prag vor allem um Straßenkinder. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg bemühte er sich, jüdische Kinder vor einer Verschleppung in die Konzentrationslager zu retten. Nach dem Krieg hat Pitter nicht nur vielen jüdischen, sondern auch deutschen Kindern, die auf sich allein gestellt waren, geholfen.

In der Ausstellung ´Opera didactica omnia´
In der neu eröffneten Ausstellung über "Opera didactica omnia", die bis zum 18. November zu sehen sein wird, findet man unter anderem viele Zitate aus Komenskys Werken, die wirklich nichts an ihrer Aussagekraft und Aktualität verloren haben. Marketa Pankova hob Komenskys Worte über die Kreativität hervor:

"Wie Komensky gesagt hat, die kreative Fähigkeit ist neben der Bildung ein Grundattribut der Freiheit des Menschen. Wenn der Mensch diese kreative Fähigkeit nicht hat, verliert er auch die Fähigkeit, sich selbst zu beherrschen und die Fähigkeit des freien Denkens. Hier in der Ausstellung ist vor allem über seine pädagogischen Werke die Rede. Ich finde jedoch seine Allgemeine Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge fantastisch. Darin sagt er: ´Wenn wir nicht in der Lage sein werden, uns zu beherrschen, werden wir auch die anderen nicht beherrschen können, und wir selbst werden beherrschbar und werden zur Masse.´ Ich meine, dass Komensky eine wahrhaft europäische Persönlichkeit ist. Er hat für uns die Grundlagen für die Freiheit des Menschen geschaffen."

In der heutigen Sendung über das Comenius-Museum haben wir erwähnt, dass Comenius seine Heimat verlassen musste. Falls Sie wissen, wo der namhafte Pädagoge bestattet ist, können Sie uns das schreiben, denn so lautet unsere heutige Quizfrage. Für deren richtige Beantwortung können Sie ein Buch über Prag gewinnen. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.

Vor vier Wochen haben wir Sie danach gefragt, in welchem Jahrhundert das Mausoleum Slavin auf dem Vysehrader Friedhof erbaut wurde. Das Slavin-Mausoleum wurde im 19. Jahrhundert erbaut. Ein Buch geht an F.L. Strasser aus Augsburg.