Meistgeteilte Facebook-Nachrichten in Tschechien: häufig mit konspirativen Inhalten
Die meistgeteilte Facebook-Nachricht in Tschechien 2021 hatte das Coronavirus zum Inhalt. Dies dürfte kaum überraschen. Bedenklich allerdings ist ihr Ursprung, der auf die konspirative Webseite Aeronet.cz zurückgeht.
Aeronet.cz ist eine anonym betriebene Webseite, die laut Selbstdarstellung „Informationen aus alternativen Quellen“ für ein tschechisches Publikum aufbereitet. Ein solcher Artikel befasste sich mit dem angeblich künstlichen Ursprung des Coronavirus. Mit Bezug auf die Biologin Soňa Peková ist die Rede davon, dass das Virus in einem Labor gezüchtet worden sei. Diese Meldung wurde auf tschechischen Facebook-Seiten insgesamt 41.000 Mal weitergeleitet und ist damit der meistgeteilte Beitrag in diesem Jahr. Die entsprechende Rangliste hat das Investigativportal Investigace.cz erstellt. Dafür wurden fast 500.000 Meldungen auf 63 tschechischen Nachrichten- und Publikationsportalen jeglicher Couleur analysiert.
An zweiter und dritter Stelle des Rankings stehen Nachrichten über Corona-Impfungen in Österreich sowie über die Entwicklung tschechischer PCR-Tests. Und schon an vierter Stelle findet sich erneut ein Bericht von Aeronet.cz, dieses Mal über das angebliche Verbot einer Impfpflicht, das der Europarat beschlossen haben soll. Verwundert hätten ihn diese hohen Platzierungen von konspirativen Meldungen kaum, sagt Josef Šlerka. Er ist Datenanalytiker im Team von Investigace.cz:
„Die größte Überraschung war eigentlich nur, mit welchem Vorsprung der Artikel von Aeronet.cz gesiegt hat. Ansonsten haben wir natürlich gewusst, dass sich die Tschechen das ganze Jahr über mit dem Coronavirus beschäftigt haben.“
In die Analyse wurden neben seriösen Seiten auch konspirative sowie boulevardeske Inhalte einbezogen. Man könne allerdings nicht genau feststellen, von welchen Webseiten die meisten Meldungen geteilt worden seien, räumt Šlerka ein:
„Das ist stark abhängig von den Themen. Interessant ist, dass die Boulevardmedien in Tschechien sehr oft mit einem Herzchen markiert werden. Denn ihre inhaltliche Zusammensetzung besteht nicht nur aus den gängigen Kriterien ‚Sex – Sadismus – Sentiment‘. Es wird also nicht nur von Gewalt und negativen Nachrichten berichtet. Sondern es werden auch positive Geschichten erzählt, wenn zum Beispiel ein vermisstes Kind gefunden wurde. An der Anzahl der Likes ist erkennbar, dass für Tschechen eine gewisse Behaglichkeit wichtig ist.“
Habe ein Medium eine große Leserschaft, sorge diese auf einfache Weise für die Weiterverbreitung der Inhalte, fährt der Analytiker fort. Webseiten mit sogenannten „alternativen Nachrichten“ würden sich hingegen an ein kleineres, aber motiviertes Publikum wenden:
„Es gibt deutlich weniger konspirative Portale als Webseiten großer Mainstreammedien. Also produzieren sie auch wesentlich weniger Nachrichten. Die zugehörige Community ist aber in der Lage, diese Artikel viel intensiver und öfter zu teilen.“
Einige Redaktionen von Mainstreammedien seien aber auch sehr geschickt im Umgang mit den sozialen Netzwerken, fügt Šlerka an. Populäre Facebook-Seiten werden etwa genutzt, um dort Links auf die eigenen Artikel zu platzieren. Auch so komme dann eine hohe Klickzahl quer über die tschechische Facebook-Gemeinde zusammen, so der Datenanalytiker.
Das Portal Investigace.cz wird vom Tschechischen Zentrum für investigativen Journalismus betrieben, das 2013 als NGO mit Sitz in Prag gegründet wurde. Dank seiner internationalen Vernetzung war das Team zum Beispiel an den Recherchen zu den Panama Papers 2017 sowie zu den Pandora Papers 2021 beteiligt.