Milada Horakova
Vor 55 Jahren, Ende Mai 1950, begann in Prag der erste große politische Schauprozess gegen Gegner des kommunistischen Regimes. Vier der Angeklagten wurden damals zum Tode verurteilt. Unter ihnen war auch Milada Horakova, über die Sie von Katrin Bock im nun folgenden Kapitel aus der tschechischen Geschichte mehr erfahren.
Viele Prager verbinden heute mit dem Namen Milada Horakova die alltäglichen Staumeldungen im Radio, denn nach der Politikern wurde nach der Samtenen Revolution eine der wichtigen Durchfahrtsstraßen im Stadtzentrum benannt. Zu Lebzeiten war die promovierte Juristin als Kämpferin für Frauenrechte, soziale Gerechtigkeit und in Zeiten der Bedrohung für Demokratie und Freiheit bekannt. Ihr Leben lang kämpfte sie für diese Ideale. Frantisek Sedivy charakterisiert sie wie folgt:
"Sie war charakterlich und persönlich sehr stark. Wenn sie davon überzeugt war, das etwas richtig ist, dann stand sie dahinter ohne Rücksicht auf Folgen - sie kämpfte für Menschenrechte, Freiheit und Unabhängigkeit. Nach 1948 bemühte sie sich, wieder eine freie Republik zu schaffen. Ihr Hauptanliegen war aber nicht die Politik, sondern das Soziale, das Menschliche."
Großen Einfluss auf sie hatte ihr Vater Cenek Kral. Dieser war einer jener patriotischen Tschechen, die sich vor und während des Ersten Weltkriegs für einen selbständigen tschechischen Staat engagierten. In jene Zeit soll auch ihre erste bewusste politische Tat fallen:
"1918, gegen Ende des Ersten Weltkriegs fand auf der Prager Kleinseite eine Manifestation statt. Die Masse zog damals zur Kaserne, zu den Soldaten, die hinter der Mauer waren. Als 17jährige warf Milada Horakova damals den Soldaten eine Rose zu - das war ihre erste politische Tat und sie wusste, dass diese Folgen haben würde. Sie wurde von der Schule ausgeschlossen und konnte erst später ihr Abitur machen."
Für Milada stand fest, dass sie anderen Menschen helfen will. Nach einem Jurastudium begann sie Mitte der 20er Jahre in der Sozialabteilung des Prager Magistrats zu arbeiten und wurde bald als unermüdliche Helferin der Armen bekannt. Ihr Bemühen, den Armen zu helfen, brachte sie bereits damals in Konflikt mit den Kommunisten:
"Bald wurde sie sehr bekannt, weil sie den armen Menschen half. Das war während der Wirtschaftskrise, als viele arbeitslos waren. Schon damals hatte Milada Horakova viele Feinde unter den Kommunisten, weil die armen Leute mit ihr sympathisierten und nicht mit den Kommunisten."
1927 heiratete Milada Bohuslav Horak, zwei Jahre später trat sie in die tschechoslowakische nationale sozialistische Partei ein, deren Mitglied auch Außenminister Edvard Benes war. 1933 kam Tochter Jana zur Welt. Damals war Milada Horakova eine im ganzen Land bekannte Politikerin, die sich nicht nur in sozialen Fragen engagierte, sondern auch in der Frauenbewegung sehr aktiv war und sich für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte.
Es überrascht nicht, dass sich Milada Horakova nach der Okkupation der Böhmischen Länder im März 1939 am Widerstand beteiligte. Sie gehörte zur Führung einer illegalen Gruppe tschechischer Intellektueller, organisierte Hilfe für Verfolgte. Im August 1940 wurde Milada Horakova gemeinsam mit ihrem Mann verhaftet. In der Prager Gestapo-Zentrale wurde sie wochenlang verhört und gefoltert. Nach zwei Jahren Kerker in Theresienstadt stand sie schließlich im Oktober 1944 in Dresden vor Gericht. Milada Horakova lehnte einen Verteidiger ab. In fließendem Deutsch verteidigte sie sich selbst und erwirkte ein Wunder: statt der erwarteten Todesstrafe erhielt sie acht Jahre Zuchthaus. Das Kriegsende erlebte sie in einem Gefängnis bei München - auch ihr Mann überlebte den Krieg und kehrte aus Buchenwald nach Prag zurück.
Gleich nach Kriegsende stürzte sich Milada Horakova wieder in die politische Arbeit, sie wurde Mitglied der provisorischen Nationalversammlung und nach den ersten Wahlen 1946 des neuen Parlaments. Zudem gehörte sie nun zur Führung der tschechoslowakischen nationalen, sozialistischen Partei. Die Freude über die wieder gewonnene Freiheit und Demokratie währte jedoch nicht lange - die Kommunisten streckten bereits die Finger nach der Macht aus und Milada Horakova gehörte zu ihren aktivsten Feinden, dazu Frantisek Sedivy.
" Sie hatte viele Feinde unter den Kommunisten, in der Nationalversammlung trat sie oft gegen die Kommunisten auf, gegen ihre Vorschläge. Man darf dabei nicht vergessen, dass die politische Atmosphäre damals sehr hart war und die gegenseitige Kritik auch."
Nach der Machtergreifung der Kommunisten im Februar 1948 zögerte Milada Horakova nicht lange - einige Tage später legte sie aus Protest ihr Parlamentsmandat nieder und widmete sich wieder ihrer Arbeit in der Sozialabteilung des Prager Magistrats - bis zu ihrer Verhaftung im September 1949. Ihrem Mann gelang es, durch rechtzeitige Flucht ins Ausland einer Verhaftung zu entgehen. Milada Horakova hatte sich nach der Machtergreifung der Kommunisten einer illegalen Gruppe angeschlossen, die - ebenso wie nach der Okkupation im März 1939 - für eine freie und demokratische Republik kämpfen wollte. Eine Emigration kam für die Politikerin nicht in Frage, wie Frantisek Sedivy erklärt:
" Sie emigrierte nicht, auch wenn viele ihr das rieten und viele führende Politiker ihrer Partei schon in der Emigration waren. Aber das war wieder typisch für sie, sie sagte: "Nein, jemand muss hier bleiben, hier wird die Front sein, hier wird gegen die Kommunisten gekämpft."
Milada Horakova und ihren 11 Mitangeklagten wurde Hochverrat vorgeworfen. Die Urteile standen schon vor Prozessbeginn fest, die Angeklagten wurden während tagelanger ununterbrochener Verhöre gezwungen, ihre Geständnisse auswendig zu lernen. Nur Milada Horakova weigerte sich - vielleicht in der Hoffnung, ähnlich wie bei ihrem Prozess in Dresden 1944, auch diesmal moralisch siegen und ihre Ankläger umstimmen zu können.Der Prozess verlief jedoch in der Regie sowjetischer Berater: die Strafen standen bereits vorher fest, sämtliche Anklagepunkte waren erfunden:
"Verurteilt wurde sie für Taten, die sie gar nicht getan hatte. Milada Horakova stand nicht im Kontakt zu einem ausländischen Spionagezentrum oder zu ausländischen Mächten, sie strebte keinen gewaltigen Umsturz an. Dass heißt, Hochverrat und Spionage, das waren alles künstliche Anschuldigungen - und das wussten die Kommunisten, dass all die Anschuldigungen Lügen waren, aber das war denen egal, sie wollten jemand verurteilen und das haben sie auch gemacht."
Warum aber wurde gerade die Politikerin Milada Horakova Opfer dieses ersten großen Schauprozesses der Kommunisten? Dazu noch einmal Frantisek Sedivy:
"Das war alles zur Abschreckung - das war ein großes Abschreckungsmanöver. Die Kommunisten wollten zeigen, dass sie sich alles leisten können, dass niemand sie hindern kann. Auch als Milada Horakova zum Tode verurteil wurde, und aus aller Welt Bitten um Begnadigung eingingen- selbst von Albert Einstein - haben sie das ignoriert. So wollten sie zeigen, wie viel Macht sie haben und dass niemand sie von etwas abhalten kann - auch nicht die Weltöffentlichkeit."
Der Prozess gegen Milada Horakova bildete den Auftakt für die Verfolgung von hunderten Unschuldigen. Das kommunistische System etablierte sich und zeigte seine Macht. Auch Frantisek Sedivy wurde damals Opfer der kommunistischen Justiz:
"Ich war Mitglied einer Jugendgruppe, die der nationalen sozialistischen Partei nahe stand und zum Ziel hatte, die Grundsätze der Demokratie zu verbreiten. Wir waren fast alle Studenten, im Wohnheim haben wir uns getroffen und über Literatur debattiert. Das hat den Kommunisten nicht gefallen. In unserer Gruppe war ein Provokateur, was wir zu spät herausgefunden haben - wir wurden verhaftet und erhielten hohe Strafen. Ich wurde zu 14 Jahren verurteilt, andere zu 11, 12 Jahren. Nach 12 Jahren wurde ich 1964 entlassen."
In der vom tschechischen Fernsehen initiierten Umfrage nach dem größten Tschechen landete Milada Horakova immerhin auf Platz 36 - bewundert wird sie insbesondere von der älteren Generation wegen ihrer Standhaftigkeit und Wahrheitsliebe, für die sie ihr Leben opferte.