Milan Kundera – Lost in Translation?

Foto: Václav Richter

„Milan Kundera – (Nicht) verloren in der Übersetzung“. So heißt eine Ausstellung, die nun auch in Prag zu sehen ist. Sie ist zum 90. Geburtstag des Schriftstellers in diesem Jahr entstanden.

Tomáš Kubíček  (Foto: Václav Richter)
Milan Kundera ist einer der am meisten übersetzten tschechischen Autoren. Das ist der Ausgangspunkt der Ausstellung, die von der Mährischen Landesbibliothek in Brno / Brünn gestaltet wurde. Dort war die Schau auch zunächst zu sehen, nun ist sie nach Prag umgezogen, und zwar in das Museum für nationales Schrifttum (Památník národního písemnictví). Präsentiert werden Kunderas Buchtitel in vielen Sprachen, das Echo auf seine Werke in der ganzen Welt, Fotografien und wenig bekannte Zeichnungen, die vom Autor angefertigt wurden. Kurator der Ausstellung ist der Leiter der Mährischen Landesbibliothek, Tomáš Kubíček:

„Kundera ist im Hinblick auf Übersetzungen seiner Werke sehr vorsichtig. Er wacht über die Bedeutungskonnotationen und bemüht sich, das Bedeutungsfeld so zu lenken, dass die Übersetzung womöglich dem entspricht, was er ausdrücken wollte. Mit der Ausstellung wollen wir sagen: Milan Kundera geht in den Übersetzungen nicht verloren und bleibt Milan Kundera.“

Milan Kundera –  (Nicht) verloren in der Übersetzung  (Foto: Milan Kundera  (neztracen) v překladech - Moravská zemská knihovna)
Kunderas Bücher wurden in über 40 Sprachen übersetzt und in mehr als 4800 Ausgaben weltweit veröffentlicht. Zuletzt erschien im November vergangenen Jahres sein Roman „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ in Malayalam, einer Sprache, die etwa 35 Millionen Menschen in Indien sprechen.

Die Ausstellung belegt Kunderas enges Verhältnis zur Übertragung seiner Texte in Fremdsprachen:

„Davon zeugt eine Kopie der ersten französischen Ausgabe von ‚Der Scherz‘. Dort sieht man eine Menge Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen und Rufzeichen. Diese zeigen, wie sehr Kundera davon getroffen war, dass der französische Text nicht der tatsächlichen Vorlage entsprach.“

Der Roman ist später in einer neuen, von Kundera revidierten französischen Übersetzung erschienen. Seitdem bemüht sich der Schriftsteller darum, dass seine Denkweise und die Bedeutung der Originaltexte möglichst getreu den anderssprachigen Lesern vermittelt werden.

Ein spezielles Thema für das tschechische Lesepublikum sind jene Romane, die der seit 40 Jahren in Frankreich lebende Autor auf Französisch geschrieben hat. Diese liegen bisher in keiner tschechischen Übersetzung vor. Tomáš Kubíček:

„Ich habe Milan Kundera gebeten, einige Passagen aus diesen Romanen zu übersetzen. Ich wurde dann Zeuge eines sehr anspruchsvollen und langwierigen Prozesses, wobei er jedes Wort sehr geduldig abwog. Bei der Arbeit war er sich dessen bewusst, dass er zwar nur einen Ausschnitt übersetzt, zugleich aber eine Anleitung für eine künftige Übersetzung des ganzen Textes schafft.“

Foto: Václav Richter
Die Entscheidungen des Schriftstellers, seine französischen Bücher nicht ins Tschechische zu übersetzen und auch nicht von jemand anderem übersetzen zu lassen, hat für viele negative Reaktionen hierzulande gesorgt:

„Meiner Meinung nach muss man dies respektieren. Ich habe vor etwa zehn Jahren mit Milan Kundera darüber gesprochen. Er sagte damals, er wisse nicht, wieviel Zeit ihm noch bleibe, und er wolle diese Zeit nicht mit der Übersetzung seiner eigenen Bücher verschwenden. Die Übersetzung eines Romans dauere ein Jahr. Er wolle stattdessen lieber neue Texte schreiben.“

Als Literaturwissenschaftler und Leser beschäftigt sich Tomáš Kubíček immer wieder mit Kunderas Werk, wie er betont.

„Seine Bücher beweisen, dass Literatur nicht zur Unterhaltung geschrieben wird, obwohl seine Romane auch Unterhaltung bieten. Sie regen hauptsächlich zu unendlichem Nachdenken an. Dabei wird der Leser stark gefordert. Kundera ist ein Autor, zu dem man immer wieder zurückkehren kann.“