„Milan kehrt zurück“: Kundera-Bibliothek in Brünn eröffnet

Kundera-Bibliothek in Brno

In Brno / Brünn wurde am Samstag die Milan-Kundera-Bibliothek eröffnet. Angegliedert ist sie an die Mährische Landesbibliothek. In dem neuen Archiv finden sich nicht nur Bücher, sondern zahlreiche weitere Dokumente aus dem bewegten Leben des wohl bekanntesten noch lebenden tschechischen Schriftstellers.

Kundera-Bibliothek in Brno | Foto: Mährische Landesbibliothek

Milan Kundera ist der wohl bedeutendste noch lebende Schriftsteller Tschechiens. In über 40 Sprachen wurden seine Werke übersetzt. Kundera, der seit den 1970er Jahren in Frankreich lebt, hatte früher ein gebrochenes Verhältnis zu seinem Heimatland, doch in den letzten Jahren setzte ein Umdenken ein. So hat der Autor zuletzt Übersetzungen seiner Texte aus dem Französischen ins Tschechische zugelassen und auch erneut die tschechische Staatsbürgerschaft angenommen. Und nun wurde am Samstag anlässlich des 94. Geburtstags des Schriftstellers die Milan-Kundera-Bibliothek in Brünn eröffnet.

„Milan wurde in Brünn geboren. Das ist ein symbolischer Akt. Er kehrt nun in seine Stadt zurück“, sagte Kunderas Frau am Samstag in einem exklusiven Interview gegenüber dem Frankreich-Korrespondenten des Tschechischen Rundfunks.

Tomáš Kubíček mit Kulturminister Martin Baxa | Foto: Mährische Landesbibliothek

Věra Kunderová war es dann auch, die den Einfall zur neuen Bibliothek in Brünn hatte. Der Vorlass wird dort ab sofort an der Mährischen Landesbibliothek aufbewahrt. Tomáš Kubíček leitet die Institution und sagte im Interview für Radio Prag International:

„Vor einigen Jahren haben wir eine Ausstellung zu Kunderas Werken vorbereitet. Umgeben von Bücherbergen schlug mir Věra Kunderová vor, dass ich mich mit der Mährischen Landesbibliothek in Zukunft um die Privatbibliothek kümmern könnte.“

Kundera-Bibliothek in Brno | Foto: Mährische Landesbibliothek

Mehrere Lkw-Ladungen waren nötig, um Kunderas Privatarchiv von Paris in die mährische Stadt zu bringen. Doch bevor es überhaupt soweit war, musste das Projekt mehrfach aufgeschoben werden:

„Der Umzug an sich war nicht das Problem. Vielmehr war das ständige Verschieben der Termine ein Hindernis. Denn als die Entscheidung für die Bibliothek gefallen war, wurden wegen der Corona-Pandemie die Grenzen zwischen Tschechien, Deutschland und Frankreich geschlossen. Zirka dreimal haben wir deswegen den Transport verschieben müssen. Erst im August und im Oktober vergangenen Jahres konnten die beiden Ladungen dann nach Brünn gebracht werden.“

Der französische Botschafter Alexis Dutertre  (rechts) mit Tomáš Kubíček | Foto: Mährische Landesbibliothek

Die Milan-Kundera-Bibliothek umfasst mehrere Tausend Bücher aus dem Privatarchiv des Autors, vor allem handelt es sich dabei um Autorenexemplare. In Zukunft wird die Bibliothek aber noch mehr Titel bereithalten, so Tomáš Kubíček:

„Mit dem Vertreter der Autorenrechte des Ehepaares Kundera haben wir einen Vertrag abgeschlossen, ebenso wie 2021 mit den Verlegern. Daraus geht hervor, dass von jeder Neuauflage eines Romans oder Essaybandes ein Exemplar zu uns in die Mährische Landesbibliothek geschickt wird – egal wo auf der Welt das Buch erscheint.“

Kundera-Bibliothek in Brno | Foto: Mährische Landesbibliothek

Doch bei Weitem finden sich in dem neuen Archiv nicht nur Bücher. Beinhaltet sind laut Kubíček auch Fotografien, etwa solche aus den 1960er und 1970er Jahren, die das Leben des Ehepaares Kundera zeigen. Und selbst das ist noch nicht alles…

„Zu dem Archiv zählt ebenso die Korrespondenz mit berühmten, führenden Intellektuellen Europas. Dazu gehören etwa Federico Fellini oder Fernando Arrabal. In der Sammlung befinden sich des Weiteren die Literaturpreise, die Kundera von den 1970er Jahren bis heute erhalten hat – so etwa der Jerusalem-Preis oder der Franz-Kafka-Preis, mit dem Kundera 2020 ausgezeichnet wurde.“

Französischer Botschafter,  Kulturminister,  Bürgermeisterin von Brno und Direktor des Landesbibliothek  (von links nach rechts) | Foto: Mährische Landesbibliothek

Nicht fehlen dürfen in der Bibliothek auch Rezension zu Kunderas Werken. Věra Kunderová hat sie sorgsam gesammelt und dabei auch jene aus der Zeit vor der Samtenen Revolution aufgehoben, in denen der damalige Regimefeind stark kritisiert wurde:

„Das waren zwei Regalbretter voller scheußlicher Texte aus Tschechien. Ich habe lange überlegt und wollte sie eigentlich vernichten. Aber dann dachte ich mir, dass es sich ja um historische Dokumente handelt.“

Tomáš Kubíček | Foto: Mährische Landesbibliothek

Wie Tomáš Kubíček betont, stammen die Kritiken aber nicht nur aus Tschechien, sondern aus aller Welt:

„Es sind auch Sprachen dabei, die wir überhaupt erst noch identifizieren müssen. Das sind Rezensionen, die nicht in lateinischer Schrift verfasst wurden und auch nicht in arabischer, sondern in einem uns bisher unbekannten Alphabet. Wir müssen also erst einmal erforschen, aus welchem Land die Dokumente stammen.“

Sämtliche Archivalien in der neuen Bibliothek sollen mit der Zeit digitalisiert werden und Forschern zur Verfügung stehen. Die Milan-Kundera-Bibliothek soll außerdem als Veranstaltungsort für Diskussionen und kulturelle Programmpunkte dienen.

Foto: Mährische Landesbibliothek
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Autoren: Ferdinand Hauser , Magdalena Hrozínková , Martin Balucha
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