Millioneninvestitionen und Massentourismus: 30 Jahre Unesco-Weltkulturerbe in Tschechien
Prag, Český Krumlov / Krumau und Telč / Teltsch. Es ist genau 30 Jahre her, dass die historischen Zentren dieser drei tschechischen Städte in die Weltkulturerbeliste der Unesco eingetragen wurden. Das brachte viel Gutes mit sich, aber auch einige Probleme.
„In Italien kann man eine Menge Renaissance-Bauten sehen, in Frankreich wiederum viel Gotik. Prag aber bietet alles. Es reicht, sich auf dem Altstädter Ring einmal um die eigene Achse zu drehen, und man durchläuft Tausend Jahre Architektur.“
Dana Kratochvílová arbeitet seit fast 20 Jahren als Touristenführerin in Prag und hat nichts von ihrer Begeisterung für die Stadt verloren. Es gibt ja auch eine Menge zu präsentieren für die Besucher aus der ganzen Welt: Das Unesco-Reservat der tschechischen Hauptstadt umfasst 8,5 Quadratkilometer.
Prag, Krumau und Telč waren 1992 die ersten Orte in der damaligen Tschechoslowakei, die als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt wurden. Der vierte Antragsteller, die Burg Karlštejn, wurde wegen der baulichen Eingriffe vom Ende des 19. Jahrhunderts abgelehnt. Diese Beschlüsse wurden im US-amerikanischen Santa Fe getroffen, wo das Unesco-Komitee am 13. Dezember 1992 tagte. Der entsprechende Bericht trägt dann das Datum vom 14. Dezember des Jahres.
Während Prag vorher schon weltbekannt war, habe der Unesco-Eintrag das internationale Interesse am südböhmischen Telč enorm gesteigert, resümiert der heutige Bürgermeister Vladimír Brtník (Bürgerdemokraten):
„Ich habe viele Jahre lang im Ausland gelebt, und niemand dort kannte Telč. Wenn ich aber gesagt habe, dass wir in der Unesco sind, dann hoben sich die Augenbrauen. Dies ist ein unglaubliches Prestige, und deswegen kommen die Leute her.“
Ähnlich ist es in Krumau. Die dortige Hauptattraktion ist das Schloss. Viel Geld sei aber seit 1992 auch in die Sanierung weiterer Sehenswürdigkeiten investiert worden, berichtet Schlossverwalter Pavel Slavko:
„Unsere verfallene und wenig bekannte Stadt ist in den Jahren danach wieder wie ein Diamant erstrahlt. Der Eintrag hat eine immense Aktivität eingeleitet von Seiten des Staates, des Kreises, der Stadt und ebenso von Privateigentümern.“
Auch Slavko betont, dass die Unesco eine Elite-Marke sei, nach der Touristen die Wahl ihrer Reiseziele ausrichteten. Seit 1992 wurden in Krumau mehrere Dutzend Millionen ausländischer Besucher gezählt. Das ist für viele Einwohner allerdings schon zu viel. Helena Pospíšilová erinnert sich an die Zeit vor der Corona-Pandemie:
„Das war schrecklich. Ich selbst bin nur noch einmal im Jahr ins Zentrum gegangen, denn in den Massen war das nicht auszuhalten. Und jetzt sehe ich, dass das langsam schon wieder so losgeht.“
Während der Corona-Pandemie und den Reise-Stopps gab es durchaus Diskussionen, die erzwungene Pause zur Entwicklung neuer Tourismuskonzepte etwa in Krumau, aber auch in Prag zu nutzen. Zu erkennen ist davon bisher nichts. Dita Limová, Leiterin der Unesco-Abteilung beim tschechischen Kulturministerium, ist sich der weniger positiven Folgen für das eingetragene Weltkulturerbe aber bewusst:
„Es ist eine Regulierung nötig, denn ansonsten ist der Andrang der Besucher sehr hoch. Diese müssen ja auch versorgt und der hinterlassene Müll beseitigt werden.“
Experten rechnen bereits damit, dass das historische Zentrum Prags in den kommenden Jahren auf der Liste der bedrohten Sehenswürdigkeiten landet.
In Tschechien stehen momentan 16 Orte und Bauwerke im Unesco-Verzeichnis. Weitere Einträge gibt es als immaterielles Kulturerbe. Als solches wurde zuletzt am 1. Dezember dieses Jahres die Flößerei anerkannt.