Miniaturporträts als Forschungsthema für Kunsthistoriker und Naturwissenschaftler
Miniaturporträts stellen eine eigenständige Form in der Malerei dar. Sie wurden meist auf Elfenbein gemalt und in einen Rahmen gefasst. Nichtinvasive Forschungen an den kleinen Bildern ermöglicht ein mehrjähriges Projekt, bei dem Experten von der Akademie der Wissenschaften mit Künstlern und Restauratoren zusammenarbeiten. Ihre Forschungsarbeit wird in einer Ausstellung im Sitz der Akademie in Prag präsentiert.
Die Miniaturmalerei sei bisher nicht genügend erforscht worden, sagt Janka Hradilová. Die Naturwissenschaftlerin arbeitet im Labor Alma, einem gemeinsamen Forschungszentrum der Akademie der bildenden Künste in Prag und des Instituts für anorganische Chemie an der Akademie der Wissenschaften. Hradilová leitet ein Projekt, bei dem nichtinvasive Analysen von Miniaturporträts durchgeführt werden. So sollen mehr Erkenntnisse über die Entstehung der Bilder gewonnen werden. Die Expertin über die Miniaturporträts:
„Die kleinen Porträts, ob Aquarell oder Guasch, sind ideal für nichtinvasive Forschungen. Bei Gemälden und Plastiken etwa werden in der Regel Proben entnommen, um zu erfahren, welches Material original ist und wie es eventuell übermalt wurde. Der Vorteil der Miniaturbilder besteht darin, dass sie klein und flach sind und mit verschiedenen Geräten untersucht werden können. Sie können beispielsweise unter einem Rasterelektronenmikroskop betrachtet werden, das für lebendige Organismen benutzt wird. Dabei spielt die Atmosphäre in dem Gerät eine große Rolle. Denn unter einem normalen Elektronenmikroskop, wo ein Vakuum herrscht, würde das Bild beschädigt werden. Darum benutzen wir ein spezielles Elektronenmikroskop, das auf Organismen ausgerichtet ist. Und vor allem muss keine Mikroprobe vom Kunstwerk entnommen werden.“
Nichtinvasive Forschungen
Denn von einem so winzigen Kunstwerk würde nicht mehr viel übrig bleiben, wenn man einige Proben zu Forschungszwecken entnehmen müsste. Mit einem Macro-XRF-Scanner werden verschiedene Elemente identifiziert, die auf dem Bild vorkommen. Janka Hradilová macht auf ein kleines Exponat aufmerksam:
„Hier sehe ich, dass der Hintergrund mit Kupferpigmenten gemalt wurde. Für das Kleid der abgebildeten Dame wurde Zinnober benutzt. Bleiweiß hat der Maler nur für einige Teile der Miniatur verwendet. Die Gesichter der Porträtierten wurden auf dem Elfenbein nur leicht mit Zinnober koloriert. Der Scanner liefert uns nicht nur Informationen über die Farbmittel, sondern auch darüber, wie der Künstler mit dem Pinsel umging. In diesem Fall finden wir Pigmente, die für das 19. Jahrhundert typisch waren. Der Schöpfer imitierte damit jedoch die Malerei aus dem 17. oder 18. Jahrhundert.“
Mit dieser Methode sind die Experten in der Lage, die Zeit der Entstehung des Porträts zu bestimmen und eventuelle Fälschungen zu enthüllen. Janka Hradilová:
„Wir konzentrieren uns im Labor auf die Forschungsarbeit. Wichtig ist jedoch die Synergie mit der Kunst. Es geht uns allen darum, mit den wissenschaftlichen Forschungen auf eine einfache Weise Kunsthistorikern und Künstlern Informationen zu liefern.“
Antonín Sondej ist Graphiker. Er arbeitet in der Akademie der bildenden Künste in Prag und kennt sich in der Geschichte der Miniaturporträts aus. Seinen Worten zufolge erfahren sie hierzulande nicht die nötige Anerkennung:
„Ein Miniaturporträt ist kleinformatig und ist eine intime Angelegenheit. Es gibt viele Porträts, die als Geschenke dienten, wenn beispielsweise ein Herrscher einem loyalen Mitarbeiter sein Porträt übergab. Oft dienten die Miniaturen als Schmuckstück, sie wurden als Brosche oder an einer Handkette getragen. Das sind meist herrliche Gegenstände, und es ist schwierig zu unterscheiden, ob es ein Schmuckstück oder ein Miniaturporträt ist.“
In Europa wurden die ersten kleinen Porträts im 15. und 16. Jahrhundert gemalt, konkret in England. Während der Jahrhunderte entstanden Miniaturmalereien auch in anderen Ländern. Es hätten sich drei Zentren entwickelt, die für die Miniaturen wichtig gewesen seien, erzählt Antonín Sondej:
„Das waren - chronologisch gesehen - London, Paris und Wien. Die ersten kleinen Kunstwerke stammten aus England. Bald wurden sie auch in Frankreich gemalt und im 19. Jahrhundert dann in Wien. Darauf hatte der Wiener Kongress einen starken Einfluss. Allerdings muss man dazu anmerken, dass es in Mitteleuropa nie sehr verbreitet war, eine Miniatur bei sich zu tragen. Im angelsächsischen Raum hingegen ist dies bis heute üblich.“
Wiener Kongress und Miniaturporträts
Sondej beschäftigt sich in seiner Forschungsarbeit damit, wie stark sich die Porträtminiatur unter dem Einfluss der Fotografie verändert hat.
„Es wird behauptet, es gäbe keine Miniaturporträts mehr. Aber das stimmt nicht. Sie existieren weiterhin, jedoch in anderer Form. Nur erleben sie eben keinen Aufschwung.“
Das Miniaturporträt unterscheidet sich laut Sondej von großen Porträtbildern unter anderem dadurch, dass es viel intimer ist. Im 18. Jahrhundert findet man dem Experten zufolge auch erotische Elemente auf den winzigen Bildern. Die Porträts wurden auf Bestellung kreiert. Antonín Sondej:
„Aus diesem Grund werden sie manchmal als minderwertig wahrgenommen. Die Tatsache, dass es sich um Auftragsarbeiten handelt, sagt aber nichts über ihre Qualität aus. Es gab bekannte Maler, die auch kleine Porträts schufen – zu ihnen gehörte Hans Holbein der Jüngere. Er gilt als Begründer dieser Kunstform in England. Als weiterer berühmter Künstler malte beispielsweise Goya kleine Porträts. Einige Maler haben sich sogar auf Miniaturporträts spezialisiert, wie etwa Moritz Daffinger (1790-1849), Jean-Baptiste Isabey (1767-1855) oder Jean Petitot (1607-1691).“
War die Porträtminiatur auch in den Böhmischen Ländern verbreitet? Dazu Antonín Sondej:
„Bemerkenswert ist, dass von der Malerei der Renaissancezeit hierzulande vor allem Porträts erhalten geblieben sind. Miniaturporträts gab es in den Böhmischen Ländern erst im 18. und 19. Jahrhundert. Dieses Kunstgenre ist in unserem Land bisher nicht genügend erforscht worden. Verbreitet waren Werke von Künstlern der Wiener Schule. Einer der tschechischen Maler, die Miniaturporträts schufen, war beispielsweise Václav Mánes, der Vater von Josef Mánes. Eines seiner Bilder ist in der Prager Nationalgalerie zu sehen.“