Erste Giacometti-Retrospektive in Tschechien
Die meisten Freunde der Kunst werden seine schlanken, hohen Figuren kennen: Doch Alberto Giacometti hat noch viel mehr gemacht. Alles das zeigt eine Retrospektive des Schweizer Künstlers in Prag, die am Mittwoch eröffnet wurde.
„Die Ausstellung ist unter anderem deswegen besonders, weil ein Drittel der gezeigten Werke auf Papier und Leinwand ist – es handelt sich also um Zeichnungen und Malereien. Und für die Nationalgalerie ist es derzeit eines der wichtigsten Projekte neben der laufenden Schau zum Impressionismus.“
Alberto Giacometti wird 1901 geboren, in einem kleinen Bergdorf im schweizerischen Bergell. Seine Muttersprache ist Italienisch. Schon der Vater des Künstlers, Giovanni Giacometti, ist ein anerkannter Künstler. Bereits als Kind schafft der junge Alberto seine ersten Werke, auch diese sind in der Ausstellung vertreten. Julia Bailey ist Kuratorin der Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst in der Nationalgalerie:
„Er begann in einem an den Impressionismus angelehnten Stil, in dem auch die Werke seines Vaters waren. Giacometti malte sehr lichtdurchflutete Werke, die seine Familie zeigen und die Berge. In den 1920er Jahren zog er dann nach Paris und wurde mit der Zeit komplett in die Welt der Avantgarde hineingezogen. Er begann, mit kubistischen Formen zu experimentieren. Später war er dann beeinflusst von außereuropäischen Formen, von ägyptischer und afrikanischer Kunst.“Im Weiteren wendet sich Giacometti dem Surrealismus zu und arbeitet an der Seite von Salvador Dalí. Und das sei wichtig für die spätere Entwicklung gewesen, sagt Bailey.
„Diese Aspekte seines Frühwerks kennen viele Menschen gar nicht. Aber wenn man die entsprechenden Arbeiten dazu vor Augen hat, erkennt man auch den Einfluss des Surrealismus in seinen späteren Werken“, so die Kuratorin der Nationalgalerie.
Natürlich zeigt die Ausstellung im Prager Messepalast auch einige der bekanntesten Skulpturen von Alberto Giacometti. Dazu gehören etwa existenzialistisch anmutende Werke wie „Der schreitende Mann“ oder die „Stehende Frau“ aus der Nachkriegszeit, aber auch „Die Löffelfrau“ von 1926. Insgesamt sind 170 Stücke nach Prag gebracht worden. Sie stammen von der Fondation Giacometti in Paris. Serena Bucalo-Mussely ist Kuratorin der Stiftung:„Es sind einhundert Skulpturen und etwa fünfzig Bilder sowie Zeichnungen. Letztere werden überhaupt zum ersten Mal in Prag gezeigt. Wir haben aus den vielen Zeichnungen in Besitz der Fondation eine Sammlung von Stillleben ausgewählt. Diese waren sehr wichtig für Giacometti.“
Die Giacometti-Retrospektive ist im Prager Messepalast zu sehen. Sie läuft noch bis 1. Dezember. Die Öffnungszeiten sind täglich außer montags von 10 Uhr bis 18 Uhr, wobei am Mittwoch erst um 20 Uhr geschlossen wird.
Mit ihrem breiten Spektrum soll die Ausstellung auch daran erinnern, dass Alberto Giacometti kein Künstler war, der sich nur in seinem Atelier eingeschlossen hat. Im Gegenteil, der Schweizer liebte das Pariser Nachtleben und ging besonders im Künstlerviertel Montparnasse gerne aus.
„Er war charismatisch und pflegte viele Freundschaften, dazu kamen zahlreiche familiäre Verpflichtungen. Auch das lässt sich in der Ausstellung erkennen“, wie Julia Bailey ergänzt.