Mit der Tuba nach Europa - aus Usti gibt es Hilfe für grenzübergreifende Projektpartnersuche

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Man liegt sich gegenüber, aber noch längst nicht - bildlich gesprochen - in den Armen. Viele Projekte, die grenzüberschreitend gedacht sind, scheitern an mangelndem Wissen über die andere Seite oder mangelnder Planung. In Usti nad Labem / Aussig an der Elbe ist nun eine tschechisch-deutsche Agentur, die Cega, entstanden, die dem Abhilfe schaffen soll. Sie bietet, so wörtlich, "Unterstützung und Qualifikationserhöhung für die grenzübergreifende Entwicklung von Humanressourcen in den Euroregionen Elbe / Labe und Erzgebirge / Krusnohori". Oder einfacher: Hilfe bei der Zusammenarbeit über die Grenze hinweg.

Auch Blasmusik ist es wert, gefördert zu werden. Zumindest glaubt und hofft man das im ostsächsischen Bautzen und im nordböhmischen Decin / Tetschen. Dort wartet man deswegen fast schon sehnlich darauf, endlich die ganze Finesse Brüsseler Bürokratie vorgelegt zu bekommen. Nämlich die Antragsformulare und Fragenbögen für die nächste Förderperiode der Europäischen Union, die mit diesem Jahr beginnt und 2013 endet.

"Die Partner in diesem Projekt sind auf der tschechischen Seite das Dum deti a mladeze, also Kinder- und Jugendhaus in Decin, und auf der deutschen Seite die Ostsächsische Musikschule hier in Bautzen, gemeinsam mit dem Förderkreis Jugendblasorchester Bautzen e.V.; die beiden waren über vorhergehende Projekte bereits in Kontakt miteinander und haben jetzt auch gemeinsam an der Entwicklung dieses Projektes gearbeitet", sagt Matthias Hauschild von der Musikschule in Bautzen.

Mit Hilfe der tschechisch-deutschen Agentur wird zumindest dem Titel nach Großes geplant: der Aufbau einer "europäischen Musikschule" mit Hilfe europäischer Gelder. Doch erst einmal sollen nur Kinder und Jugendliche aus Sachsen und Nordböhmen erweiterten Unterricht auf Blechblasinstrumenten erhalten, später könnten auch weitere Länder Ostmitteleuropas hinzukommen.

Beiderseits der Grenze hat die Blasmusik jedenfalls viele Freunde. Matthias Hauschild:

"Es geht dabei darum, dass auf deutscher und tschechischer Seite ein Spiegelprojekt existiert, bei dem die Kinder von der Pike auf das Spielen auf einem Instrument erlernen. Aber nicht nur das. Wir haben auch eine begleitende Sprachausbildung dabei, also die deutsche Seite lernt die tschechische Sprache und auf der tschechischen Seite wird Deutsch unterrichtet, so dass die Kinder auch besser miteinander kommunizieren können. Und Gleiches gilt auch für die Lehrkräfte, die in dem Programm oder Projekt tätig werden. Wir haben da auch gemeinsame Trainingscamps, um Sprachbarrieren und persönliche Fremdheit zu überwinden. Dass die sich einfach kennen lernen und sich aus der Sache heraus so ein Zusammenwachsen von Europa nicht nur auf dem Papier, sondern auch praktisch realisiert wird."

Kostenpunkt rund zwei Millionen Euro, inklusive der Instrumente, Noten und Bezahlung der Lehrkräfte.

Die Musikschule in Bautzen und das Kinder- und Jugendhaus in Decin sind nur zwei von über 30 gemeinnützigen Organisationen, die im nordböhmisch-sächsischen Grenzraum zusammenarbeiten wollen und die am Projekt Cega teilgenommen haben. Bei der Cega, der tschechisch-deutschen Agentur, wird ihnen sowie weiteren Fachleuten aus gemeinnützigen Organisationen in drei Etappen beigebracht, wie man zu einem sicheren Grenzgänger wird. Natürlich wurde dabei auch die Sprache unterrichtet. Wichtiger war allerdings die zweite Etappe. Lenka Krbcova-Masinova, die Direktorin des Centrum komunitni prace in Usti, also des Zentrums für gemeinnützige Arbeit, das Träger des Projektes Cega ist, erläutert:

"In der zweiten Etappe, die für uns der Hauptpfeiler war, wurde die Leitung von Projekten gelehrt. Das bedeutete, die tschechischen und deutschen Teilnehmer darin auszubilden, wie Projektanträge geschrieben, Themen ausgedacht und Projekte dann gut geleitet werden, wenn sie bewilligt sind. Denn schließlich wartet auf einen eine zwei- bis dreijährige Phase, bis das Projekt auch all das erfüllt, was man in den Antrag hineingeschrieben hat. Die Ausbildung dauerte etwa ein Jahr, in dem gemeinsam auf tschechischer und deutscher Seite an den Themen schon gearbeitet wurde. Das Ergebnis waren dann 30 Projektideen, von denen 13 mittlerweile in die Form eines Projektantrags gebracht wurden."

Foto: Europäische Kommission
Alle Projektideen wurden von Ende April bis Anfang Mai in einer Ausstellung in Usti präsentiert. Aber nicht nur dies. Hier stellten sich zudem potenzielle weitere Interessenten grenzüberschreitender Zusammenarbeit vor wie die Poradna pro integraci, die Beratungsstelle für Integration mit Zweigstellen in Usti, Prag und Brno / Brünn, die Ausländern in Tschechien hilft. Derzeit fehlen in der Beratungsstelle noch die Kapazitäten für den Blick über die Grenze. Sprecherin Michaela Tassanyiova glaubt aber, der Kontakt mit Deutschland könnte nützlich sein.

"Vor allem geht es um die Erfahrung, die anderswo, also in dem Fall in Deutschland, bei der Arbeit mit Ausländern gemacht wird. Das ist eine große Möglichkeit Neues hinzuzulernen, eine neue Sicht auf die Dinge zu bekommen. Denn bisher ist uns das meiste von Tschechen beigebracht worden", so Tassanyiova.

Die Ausstellung ist mittlerweile nicht mehr zu sehen. Freitag vergangener Woche wurde sie bei Häppchen und Wein sowie dem Bluesrock der Lazaret Band MuDr. Sorfa im Garten des Dominikanerklosters von Usti beendet. Die Tschechisch-deutsche Agentur Cega steht allerdings gerade erst am Anfang ihrer Arbeit. Sie hat Pilotcharakter, zumindest im tschechisch-deutschen Raum. Was sind schon 17 Jahre offene Grenzen im Vergleich zu anderen Gegenden in Europa, wo man bereits seit Jahrzehnten die Möglichkeit hat, aufeinander zuzugehen? Hier jedenfalls tut man sich mit der Kontaktaufnahme immer noch schwer.

"Das liegt, auch wenn das wie eine Phrase klingt, am guten Willen. Wir arbeiten seit sechs Jahren grenzüberschreitend. Auf beiden Seiten wird die Partnerschaft häufig sehr formal angegangen. Guter Wille bedeutet aber, dass sich die Organisationen gegenseitig besuchen, dass sie einander menschlich, psychisch und sozial näher kommen. Das dauert etwa ein halbes Jahr. Da geht man nicht einfach hin und sagt: Guten Tag, Herr Novak, sie gefallen mir. Und dann stürzt man sich in das gemeinsame Projekt", so Lenka Krbcova-Masinova.

Dabei sind es viele Projekte wirklich wert, umgesetzt zu werden. Etwa der grenzüberschreitende Senioren-Klub oder der botanische Garten, der als Ruhe- und Erholungsstätte dienen soll, aber auch zur Arbeitstherapie mit behinderten Menschen genutzt werden könnte. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Für die 13 erfolgreichen Ideen, die Widerhall jenseits der Schlagbäume fanden, sollen nun bis spätestens Frühling kommenden Jahres Projektanträge in Brüssel eingereicht werden. Das ist wichtig, damit die Gelder noch im nun beginnenden Förderungszeitraum der EU bewilligt werden. Matthias Hauschild hofft für die Europäische Musikschule aber auf ein etwas flotteres Tempo:

"Unser Lieblingswunsch wäre September dieses Jahres, da wir von der Arbeit her auf der tschechischen und auf der deutschen Seite an das Schuljahr gebunden sind. Wir arbeiten ja mit Schulkindern."

www.cega.cz