Mit Klassik die Verständigung suchen - grenzübergreifend

Ihr Mittel ist vor allem die Musik, und mit Europa im Titel ist ihr Ziel die Verständigung über Grenzen hinweg. Es geht um zwei Festivals, die im Juni begonnen haben und noch bis in den Juli andauern. Auf welche Weise sie im tschechisch-deutschen Raum wirken, haben die jeweiligen Festivalintendanten gegenüber Radio Prag erläutert.

Ein großes Ereignis braucht Fanfaren zu seiner Eröffnung. Etwas Derartiges war Gustav Mahlers "Lied von der Erde", mit dem Mitte Juni die 55. Festspiele "Europäische Wochen Passau" begonnen haben. An der Aufführung beteiligt waren auch Gesangssolisten aus Tschechien. Die Einbeziehung von Künstlern ist aber nicht der einzige Weg in das Nachbarland, wie Festivalintendant Pankraz Freiherr von Freyberg erläutert:

"Wir haben seit dem Jahr 1996/97 enge Beziehungen zum böhmischen Raum, das heißt zu Süd- und Westböhmen. Und diese Gegenden gehören heute eben auch zu unserem Veranstaltungsraum. Die erste Veranstaltung hier fand 1996 statt, und 1997 wurde der so genannte Traumtag in Böhmen geboren."

Der Traumtag ist seitdem ständiger Programmteil der Europäischen Wochen Passau. Doch was hat es mit dem Traumtag auf sich?

"Der Name Traumtag deshalb, weil wir unsere Besucher vor allem von deutscher Seite darauf hinweisen, in welch wunderbarer Landschaft kunsthistorisch bedeutsame Bauwerke stehen. Und wir wollten sie dort auch musikalisch in schönsten Veranstaltungsräumen einen Teil von Böhmen spüren lassen", so Freiherr von Freyberg.

Kirche St. Nikolaus in Kasperske Hory / Bergreichenstein  (Foto: Martina Schneibergová)
Dieses Jahr findet der Traumtag am Samstag, dem 7. Juli statt. An zwei Orten in Südböhmen sind zwei unterschiedliche Konzerte vorgesehen.

"Am Vormittag können unsere Besucher in der Kirche St. Nikolaus in Kasperske hory / Bergreichenstein ein Konzert des Ensembles Sola voce erleben. Hier wird Musik vom Mittelalter bis zu Moderne geboten."

Das Konzert beginnt um 10 Uhr am Vormittag. Und weiter geht es sechs Stunden später in rund 50 Kilometer Entfernung, wie der Festivalintendant fortfährt:

"Wir sind dann am Nachmittag in Prachatice in der Pfarrkirche St. Jakob dem Älteren. Und dort wird dann vom Ensemble Epoca Barocca europäische Barockmusik geboten, also Musik von Francesco Mancini zum Beispiel. Aber es wird nicht nur Musik des italienischen Barock aufgeführt, sondern auch von Georg Friedrich Händel, und das mit einer wunderbaren Sopranistin: Silvia Vajente."

Zwar ist der 7. Juli der einzige Tag des Festivals in tschechischen Konzertsälen, doch der Bezug zu Deutschlands Nachbarn zieht sich auch durch weitere der insgesamt 75 Veranstaltungen - so etwa als Thema bei naturkundlichen Wanderungen oder in Vorträgen. Denn nicht zuletzt liegt Passau in der Nähe der Grenze, und außerdem ergibt sich dies aus dem Beiwort "europäisch" im Titel des Festivals. Andersherum, nämlich zuerst regional und dann europäisch, geht man beim Festival Mitte Europa vor, das am 6. Juni begann, und dessen Hauptteil noch bis Ende Juli andauert. Das Festival ins Leben gerufen hat der Sänger Thomas Thomaschke zusammen mit seiner tschechischen Frau:

"Es war eine Reaktion auf den Fall der Mauern, des Stacheldrahtes und der Grenzen, da wir eine persönliche Vita haben. Das heißt, wir haben lange Jahre gemein sam in der DDR gelebt und sind dann emigriert. Für uns andere Bürger war die Rückkehr der Anlass, etwas zu tun, das zum einen innerdeutsch und zum anderen deutsch-tschechisch ist. Deswegen wurde das Festival 1990/91 gegründet, um aktiv beizutragen, dass sich die beiden Völker - Deutsche und Tschechen - gemeinsam auf einen neuen Weg machen."

Ganz konkret und unmittelbar auf das Festival bezogen, bedeutet dies, laut Thomas Thomaschke: das Programm so zu gestalten, dass sich auch der Nachbar jenseits der Grenze dafür interessiert. Beim Festival Mitte Europa geschieht dies, wie bei den Passauer Europäischen Wochen auch, mit Veranstaltungen weit über die klassische Musik hinaus.

So zum Beispiel durch vier jungen Cellistinnen aus Tschechien mit dem Namen Tara Fuki, die am vergangenen Wochenende in Chemnitz und Dresden aufgetreten sind. Oder in die andere Richtung das Manuel Stübinger Quartett, das am 14. Juli Jazz aus Bayern ins nordböhmische Chomutov / Komotau bringen wird. Aber nicht nur die Besucher begegnen der Kunst des Nachbarlandes, sondern auch die Künstler treffen sich. Das geschieht bei Workshops sowie im Rahmen mancher Aufführungen. So zum Beispiel beim Theaterherbst, der sächsische und nordböhmische Bühnen bei der Derniere im November in Plauen zusammenführt. Festivalintendant Thomaschke findet:

"Es funktioniert. Ganz genau kann ich nicht sagen, worin das Rezept besteht. Aber es liegt in der Attraktivität der Veranstaltungen, aber auch in dem Umfeld. Es gibt schließlich so viel Neues zu entdecken in diesem so genannten europäischen Kulturraum."

Neu zu entdecken sind unter Anderem historische Gebäude in den Grenzregionen, die zum Teil verfallen waren. Festivalintendant Thomas Thomaschke:

"Es war natürlich nicht unsere Aufgabe, Kirchen oder Burgen zu restaurieren, das mussten andere Leute tun. Aber wir wollten einen Anstoß geben. Zum Beispiel haben wir in Cheb / Eger mit Hilfe dieses Festivals eine Kirche wieder eröffnet, die seit 1945 geschlossen war. Es war außerordentlich schwierig, die Genehmigung zu bekommen, aber wir haben sie bekommen. Und jetzt wird der Innenraum auch für Ausstellungen genutzt."

Grenzüberschreitende Verständigung also mit konkreten Ergebnissen. Doch beschränkt sich das Festival Mitte Europa nicht ausschließlich auf das, was sich als kleiner Grenzverkehr umschreiben ließe. Thomas Thomaschke erläutert:

"Es war von Anfang an ein wichtiges Anliegen, dass wir das Festival nicht nur deutsch-tschechisch machen, sondern immer die europäische Komponente dabei haben. Deswegen nehmen in der Regel etwa 20 weitere Nationen am Festival teil."

Und das ist nur allzu verständlich, denn schließlich trägt das Festival auch das Wort Europa im Titel.

Autor: Till Janzer
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