Mit Schnee-Iwan durchs Riesengebirge
Berge in allen Schattierungen waren Friedrich Iwans liebstes Motiv. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte er zu den bekanntesten Künstlern im Riesengebirge. Nach der Vertreibung verlegte er sich auf die Alpen. Zum 100. Geburtstag von Friedrich Iwan tourt seit einiger Zeit eine Wanderausstellung.
Den Besuchern von Schloss Bukowiec / Buchwald in Niederschlesien bietet sich derzeit ein interessanter Gegensatz. Draußen der imposante Schlosspark, 110 Hektar groß, sattes Grün überall. Drinnen die Bilder von Friedrich Iwan. Landschaften vor allem, manchmal grün, doch überwiegend sind sie weiß.
„Am meisten hat er Schnee gemalt. Er liebte Schnee, darum nennt man ihn auch den Schnee-Iwan“, so Petr Bergmann, der die Ausstellung über Friedrich Iwan kuratiert hat.
Der tschechische Galerist aus Broumov / Braunau gehört seit Jahren zum Kreis der Iwan-Sammler:
„Die meisten seiner Werke zeigen verschneite Landschaften oder tauenden Schnee. Und das schätzen die Menschen wohl am meisten: Wie es ihm gelungen ist zu malen, als würde der Schnee unter den Füßen knirschen. Er hat es geschafft, das Weiß so hinzubekommen, dass es nicht einfach nur weiß ist, sondern eben schneeweiß. Und damit hat er diesen Bildern diese besondere Atmosphäre gegeben. Man sieht das Riesengebirge so, wie es die Menschen kennen.“
Friedrich Iwan ist in Sichtweite zum Riesengebirge aufgewachsen, im Norden auf der heute polnischen Seite. Geboren 1889 in Landeshut, heute Kamienna Góra, ging der begabte Junge schon mit 14 Jahren nach Breslau an die Kunstakademie. Dort studierte er bei Carl Ernst Morgenstern. Der Vater des Dichters Christian Morgenstern war ein Pionier der Freilichtmalerei. Für seine Studenten richtete er ein Atelier in Wolfshau / Wilcza Poręba am Fuße der Schneekoppe ein, das sogenannte „Storchenhaus“.
„Das hatte großen Einfluss auf Iwan. Er kam ja aus dem Riesengebirgsvorland, und bereits seine frühesten erhaltenen Arbeiten sind mit dem Gebirge verbunden. Vor der Vertreibung widmete er 95 Prozent seiner Arbeit dem Riesengebirge. Zur Inspiration brauchte er Morgenstern also nicht. Aber die Art und Weise der Vedute, die übernahm er von Morgenstern, das war Morgensterns Stil“, weiß Bergmann.
Eigene Technik der Radierung
Veduten, originalgetreue Landschaftsabbildungen, prägten Iwans Werk von Beginn. Schon das älteste erhaltene Werk von 1908 zeigt die Schutzkapelle in Stufenseite / Vysoký svah mit der Schneekoppe im Hintergrund. Ab 1910 setzte Iwan sein Studium an der Kunstakademie in Berlin-Charlottenburg fort. Dabei blieben seine Motive immer der traditionellen Landschaftsmalerei verbunden – allerdings mit einem Schuss Moderne, meint Petr Bergmann. Methodisch ging Iwan eigene Wege:
„Er bediente sich aller verfügbaren Maltechniken, vom Öl bis zum Aquarell. Am bedeutendsten waren aber seine Radierungen. Da entwickelte er seine eigene, sehr interessante Methode. Er hat sie selbst einmal beschrieben, und diese Beschreibung umfasst acht Seiten. So leicht ist sie also gar nicht zu erklären. Sie ähnelt stark der Aquatinta. Iwan war in der Lage, Farben zu drucken, farbige Flächen und Details. Es war üblich, Radierungen zu kolorieren, aber Iwans Methode bestand darin, alles zu drucken. Das ist das Spezifische an seiner Arbeit, an seinen Radierungen.“
Auch während des Ersten Weltkriegs zeichnete Iwan: Kriegsschauplätze in Ostpreußen, auf dem Baltikum, in Galizien, den Karpaten und in Verdun. Nach vier Jahren als Soldat in preußischer Uniform kehrte er nach Berlin zurück, ehe er sich mit seiner Frau erst in Wolfshau, schließlich in Hirschberg / Jelenia Góra niederließ. Iwan wurde „Riesengebirgsmaler“, erkundete seine Umgebung zu Fuß und auf Skiern. Seine Motive waren Bauden, Kapellen, Felsformationen und immer wieder Berge. Besonders angetan hatten es Iwan die sanft geformten Hügel im Süden, auf der heute tschechischen Seite des Riesengebirges.
„Es gibt von manchen Orten Postkarten im Sommer, im Winter und im Herbst, mal aus diesem Winkel, mal aus jenem. Das waren einfach seine liebsten Orte. Für den Sammler ist es jedes Mal ein Adrenalinkick, weil er nie weiß, ob er das Bild schon zu Hause hat oder nicht. Das ist das Interessante an Iwan, dass er sich dem Riesengebirge so intensiv gewidmet hat. Mit seinen Werken kann man das Riesengebirge wirklich kennen lernen. Vielleicht war niemand an so vielen Orten wie er“, so der Kurator.
Schon zu Lebzeiten war Friedrich Iwan populär. Eine akademische Karriere und der Kunstbetrieb interessierten ihn nicht. Stattdessen profitierte er vom touristischen Boom im Riesengebirge. Iwan verkaufte Gemälde an Einheimische und Sommerfrischler, produzierte seine eigenen Postkarten oder ließ sie bei Verlagen wie Max Leipelt in Warmbrunn (heute: Cieplice Śląskie-Zdrój) drucken.
In jeder Hütte ein Bild von Iwan
„Er konnte von seinem Werk leben und das gut. Etwas übertrieben könnte man sagen, dass in jeder Hütte ein Bild von Iwan hing. Es gab ja mehrere dieser Maler hier. Die Riesengebirgsvedute hat eine lange Tradition, die bis in die Romantik zurückreicht, bis zu Anton Balzer und Friedrich August Tittel. Die Leute hier waren es einfach gewohnt, dass ihre Gegend seit, sagen wir, 1790 abgebildet wird, dass Maler hier unterwegs sind, später Fotografen. Es war eine anregende Umgebung. Man kam aus Breslau, Dresden oder Berlin, Studenten aller Akademien, um zu malen. Das war eine sehr fortgeschrittene Tradition, und Iwan war so etwas wie der letzte Vertreter.“
Zu Ende des Zweiten Weltkriegs war Iwan als Soldat in Breslau eingesetzt und erlebte die Bombardierung Dresdens. Nach seiner Rückkehr waren Hirschberg und auch sein Haus bereits von sowjetischen Truppen besetzt. 1946 mussten Friedrich Iwan und seine Familie die Heimat verlassen. Petr Bergmann:
„Da war schon klar, dass die Deutschen wegmüssen, dass hier die Polen und auf tschechischer Seite die Tschechen übernehmen würden. Aus dieser Zeit stammt sein Selbstbildnis mit dem Riesengrund im Hintergrund. Es ist das letzte Bild, auf dem das Riesengebirge zu sehen ist, dann kam die Vertreibung. Angeblich hat er sich in seinem Werk nie wieder mit dem Riesengebirge beschäftigt.“
Sein umfangreiches Skizzenarchiv musste Friedrich Iwan in Hirschberg zurücklassen, darunter seine Studentenarbeiten und 350 Radierplatten. Friedrich Iwan lebte zunächst in Schlitz in Hessen, dann in Gunzenau. 1954 ließ er sich in Wangen im Allgäu nieder, wiederum mit Bergen in Sichtweite. Dort gelang dem Künstler trotz seines fortgeschrittenen Alters der Neuanfang:
„Ich denke, er hat damit abgeschlossen und einen Strich darunter gezogen. Iwan war eine sehr starke Persönlichkeit, sehr friedfertig, ein starker Charakter, heißt es immer. Ich denke, er konnte seinen Frieden damit machen. Und weil er sich in seinem Werk den Alpen zuwandte, gelang ihm das vielleicht auch besser. Denn auch dort waren wiederum Berge, die ihn inspirierten.“
Neben seinen Alpenmotiven bescherten Iwan auch die alten Radierungen aus dem Riesengebirge Einnahmen. Etwa 40 Radierplatten seiner Postkarten tauchten nach dem Krieg in Berlin auf und konnten neu gedruckt werden. Nach Iwans Tod 1967 signierte Sohn Klaus die Werke seines Vaters. So blieb Iwan in der Nachkriegszeit unter den vertriebenen Schlesiern weiterhin eine gewisse Popularität erhalten. Heute sieht es anders aus. Petr Bergmann:
„Das beschränkt sich wohl auf Menschen, die eine Beziehung zu Schlesien oder zum Riesengebirge haben, das heißt Sudetendeutsche oder Touristen. Er ist in Deutschland mit den Alpen bekannt geworden. Doch das sind nicht seine stärksten Arbeiten, sondern das Riesengebirge aus den 1920er und 1930er Jahren. Das war der Höhepunkt seines Werks, und dazu haben heute nur wenige einen Bezug. Selbst wenn es sich um künstlerisch hochwertige Arbeit handelt, besieht sich niemand eine Landschaft, die er nicht kennt. Das ist natürlich ein großes Manko der Landschaftsmalerei. Wenn das Publikum keinen mentalen und historischen Zugang zu einem Werk hat, dann gefällt es ihm vielleicht, aber es kauft es möglicherweise nicht. Ziel dieser Kunst ist es, dass die Leute sie kaufen und zuhause aufhängen. Sie ist nicht für die Museumsdepots gemalt.“
Die Wiederentdeckung des Friedrich Iwan in den letzten 20 Jahren nahm ihren Anfang deshalb dort, wo seine Motive bekannt sind. Nach ersten Ausstellungen in Polen steigt nun auch langsam das Interesse auf der tschechischen Seite.
„Sein Werk hat heute nicht nur eine künstlerische Bedeutung, sondern auch eine dokumentarische. Er ging mit dem Rucksack durch die verschneite Natur und machte Skizzen. Und er kam in die abgelegensten Ecken des Riesengebirges, von denen keine Fotografien oder Zeichnungen erhalten sind, in die kleinsten Siedlungen und Dörfer. Das hat er alles gemalt. Und heute, da diese Orte längst verschwunden oder vollkommen verändert sind, haben wir immer noch seine dokumentarischen Riesengebirgsveduten. Sie eignen sich darum hervorragend dazu, diese Landschaft kennenzulernen“, findet der Ausstellungskurator.
In Bukowiec/Buchwald wird die Ausstellung über Friedrich Iwan voraussichtlich noch bis Oktober zu sehen sein. Im Dezember kommt sie wieder zurück nach Tschechien, nach Vrchlabí / Hohenelbe. Petr Bergmann bereitet außerdem ein Buch über Friedrich Iwan vor. Mehr Informationen im Internet unter www.friedrich-iwan.org.