Mit Winnetou ins Náprstek-Museum - auf den Spuren von Karl May

Foto: Kristýna Maková

Nicht nur für Deutsche, sondern auch für Generationen von Tschechen waren sie die Helden ihrer Kindheit: Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi. Vor allem in den 1960er Jahren wurden die Romane des Autors hierzulande immer populärer – das war die Zeit, als die Winnetou-Filme auch in der Tschechoslowakei gezeigt wurden. Nun haben alle Fans die Gelegenheit, ihre Kinderträume wieder aufleben zu lassen. Im Prager Náprstek-Museum, das sich auf asiatische, afrikanische und amerikanische Kulturen spezialisiert, wurde eine Ausstellung mit dem Titel „Auf den Spuren von Karl May“ eröffnet.

Karl May
Im vergangenen Jahr sind 170 Jahre seit der Geburt und 100 Jahre seit dem Tod von Karl May vergangen. Die beiden Jahrestage waren der Anlass für die Ausstellung, die nun die Besucher des Náprstek-Museums in die Welt der tapferen Indianer und feigen Banditen führt. Vom Eingang des Museums leiten einen Pferdespuren in die Ausstellung. Sie beginnt mit einer kurzen Beschreibung einzelner Indianerstämme wie bei Karl May. Doch sie sind ergänzt durch die Anmerkungen eines Ethnologen. Karl May hat fast alle seiner Werke geschrieben, ohne die Orte besucht zu haben, die in seinen Büchern vorkommen. Dazu Petr Mašek, der die Ausstellung zusammengestellt hat:

„Er besuchte die Orte erst, nachdem er ausreichend Geld verdient hatte. Er war sowohl in Nordamerika, als auch in Asien. Dennoch enthalten seine Bücher relativ wenige Fehler. Karl May besaß nämlich eine große Bibliothek. In der Vitrine hier sind drei Bücher zu sehen, die aus Karl Mays persönlichen Beständen stammen. Er sammelte vor allem Reiseberichte. May hat also die Orte, die er beschrieb, zwar zuvor nicht besucht, er hat aber sehr viel darüber gelesen.“

Foto: Kristýna Maková
Nach dem Abitur lässt sich Karl May ab 1856 zum Volksschullehrer ausbilden und unterrichtet danach auch ein paar Jahre. Er hatte eine solide Bildung, um verschiedenste Fachliteratur studieren und nutzen zu können, sagt Mašek:

„Wir stellen hier beispielsweise ein Lehrbuch für Indianersprachen aus. Beim Wort Wind – in der Indianersprache Iltschi – steht Mays Notiz ´Winnetous Rappe´. Und beim Wort Hatatitla – das ´Blitz´ bedeutet - steht die Bemerkung ´Mein Rappe´. Hatatitla war Old Shatterhands Pferd. Diese Notiz stammt aus der Zeit, als May fast zu glauben begann, dass er wirklich Old Shatterhand und ein weiterer Held seiner Romane, Kara Ben Nemsi, sei.“

Offizielle Einladung zur Ausstellung  (Foto: YouTube)
Nach den Exponaten aus Karl Mays Bibliothek folgt eine Sammlung von Gegenständen aus dem Alltag der Indianer. Sie werden mit Zitaten aus Karl Mays Werken ergänzt. Jedes Exponat dokumentiert, das Leben. Zudem wird daran erinnert, welche Rolle es in Mays Büchern spielt:

„Beispielsweise der Skalp: Dies wird durch einem Zitat über Sam Hawkins ergänzt, den Gefährten Old Shatterhands. Dieser trug eine Perücke, weil er laut May einst von den Indianern skalpiert wurde. Karl May hat den Wilden Westen mit zahlreichen Helden belebt, diese Romanhelden stellen wir alle einzeln vor. Besonders konzentriert haben wir uns in der Ausstellung auf die verschiedenen ´Olds´. Der Schriftsteller schuf nicht nur Old Shatterhand, sondern auch Old Firehand, Old Wabble und einige andere mehr.“

Petr Mašek  (Foto: Martina Bílá)
Karl May hatte Petr Mašek zufolge kein einfaches Leben, er stammte aus einer armen Familie. In seiner Kindheit litt er an verschiedenen Krankheiten, die unter anderem durch schlechte Ernährung verursacht wurden. Seine Gesundheit verbesserte sich zwar, aber er hatte andere Probleme. Während des Lehrerseminars wurde er beschuldigt, Kerzen gestohlen zu haben. Später wurde ihm sogar der Diebstahl einer Taschenuhr vorgeworfen. Dafür musste er für einige Wochen ins Gefängnis. Wie er in seiner Autobiographie schrieb, wollte er sich danach an der Polizei und der Justiz dafür rächen, dass er zu Unrecht strafrechtlich verfolgt wurde. Er gab sich als Polizist, Generalstaatsanwalt und Rechtsanwalt aus und beging unter falscher Identität mehrere Diebstähle. Petr Mašek:



Foto: Kristýna Maková
„Eine Zeit lang hat er sich auch in Böhmen versteckt. Er wurde dann in Valkeřice / Algersdorf bei Aussig von österreichischen Gendarmen festgenommen. Da versuchte er, sie davon zu überzeugen, er sei in der Wirklichkeit der Sohn eines Plantagenbesitzers von der Insel Martinique, der in Böhmen nach seinen Verwandten suchte. Nach einigen Wochen wurde er jedoch als der gesuchte Kriminelle erkannt. Er wurde ins Zuchthaus geschickt. Es ist bewundernswert, wie er sich nach seiner Entlassung dann wandelte. May wurde zu einem überzeugten Verkünder des Guten, der Wahrheit und die Ehrlichkeit. Und er meinte es wirklich ernst. Dabei spielte zweifelsohne sein unerschütterlicher Glaube an Gott eine große Rolle.“

Foto: Kristýna Maková
May fing nach seiner Freilassung an zu schreiben – zuerst kleinere Werke, darunter auch so genannte „Kolportageromane“. Dann folgten seine Romane aus dem Orient und dem Wilden Westen. Er wurde, so der Experte, immer berühmter.

„Ich stelle mir vor, dass die Redakteure im Verlag ihm nicht glauben wollten, dass er die Orte, die er beschrieb, nie besucht hat. Er bekam auch viele Leserbriefe. Da er in Ich-Form schrieb, glaubten auch die Leser, dass er dort wirklich gewesen war und seine eigenen Erlebnisse schilderte. May hat vieles, was er erlebt hat, in seinen Romanen verarbeitet. So taucht das Thema des reuigen und bekehrten Sünders in vielen seiner Werke auf. Jemand, der etwas Schlechtes begangen hat, flüchtet in die Wüste oder in die Prärie. Dort versucht er, mit guten Taten das Übel wieder gut zumachen.“

Foto: Kristýna Maková
Zu besichtigen sind in der Ausstellung auch mehrere Friedenspfeifen sowie Gewehre, wie sie die Helden in Mays Romanen benutzen.

„Wir stellen hier nicht nur Indianerpfeifen, sondern auch den speziellen Tabak aus, den sie geraucht haben sollen. Es handelt sich um eine Mischung aus Tabak, Kräutern und menschlichen Nägeln. Diese Mischung stank fürchterlich. Geraucht wurde aber auch beispielsweise eine Mischung mit Stechäpfeln. Zu sehen sind hier zudem Dollar-Banknoten aus der Zeit, in der Mays Romane spielen. Des Weiteren gehören Indianermokassins zu den Exponaten. Denn die Ausstellung heißt ´Auf den Spuren von Karl May´. Und das Spurenlesen kommt in Mays Romanen sehr oft vor. Wir bieten auch den Besuchern die Möglichkeit, dies auszuprobieren. Meist stellen sie nach einer Weile fest, dass das gar nicht so schwer ist.“

Old Shatterhand  (Foto: Kristýna Maková)
Bekleidung und Ausrüstung spielen ebenfalls eine Rolle in der Ausstellung. Zum Beispiel trug Old Shatterhand ein spezielles Gewehr mit sich. Aus dem Museum in Radebeul habe man das Modell eines Gewehrs erhalten, das in den Romanen Bärentöter genannt wird, so der Experte:

„Karl May hat sich die berühmten Gewehre ausgedacht, er hat sie aber in seinen Romanen nicht ausführlich aus technischer Sicht beschrieben. Als sie aber zu einem Phänomen wurden, beauftragte er insgeheim ihre Herstellung. Dann ließ er sich mit den Gewehren fotografieren. May unterstützte damit die Legende, dass er Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi sei. Heute würden wir dies als gutes Marketing bezeichnen.“

Foto: Bertelsmann Verlag
Der Bärentöter aus der Produktion für den Romanautor wiegt rund zwölf Kilogramm. Petr Mašek glaubt daher kaum, dass sich die Waffe wirklich benutzen ließe.

Hierzulande gab es Zeiten, in denen Karl May sehr populär war und seine Werke oft herausgegeben wurden. Es gab aber auch Zeiten, in denen die Beliebtheit gleich Null tendierte. Dies ist jedoch nicht nur auf den Mangel an Leserinteresse zurückzuführen, sagt Petr Mašek.

„Auf Befehl der Kommunisten sollte May vergessen werden, sie hielten sein Werk für Schund. In den 1960er Jahren wurden die berühmten Winnetou-Filme in der Tschechoslowakei gezeigt. Vielleicht haben die Kommunisten aus ideologischen Gründen erlaubt, diese Filme zu zeigen, weil sie dort anti-amerikanische Elemente entdeckt hatten. In den Filmen gibt es rücksichtslose Banditen, die entweder Erdöl fördern oder Eisenbahnstrecken errichten wollen und dabei den Indianern schaden. Jedenfalls haben diese Filme wieder das Interesse für Karl May geweckt. Ich glaube, dass es die ersten Filme in der Tschechoslowakei waren, die einen richtigen Kult entfacht haben.“

Foto: Kristýna Maková
Sehr populäre Filme hatte es schon zuvor gegeben. Aber nie haben die Leute zu Hause zum Beispiel Gegenstände nach den Vorbildern aus einem Film gebastelt, wie es bei Winnetou der Fall war. Die Industrie war in der sozialistischen Planwirtschaft nämlich nicht imstande, auf die Nachfrage nach Indianersachen zu reagieren, sagt Petr Mašek.

„In den Vitrinen sind zu Hause genähte Indianerkleider zu sehen sowie selbst gebastelte kleine Pistolenhülsen für Kinder. Jeder, der in den 1960er Jahren oder auch etwas später aufgewachsen ist, hat Fotografien aus den Filmen über Winnetou gesammelt.“

Foto: Kristýna Maková
In der Ausstellung erklingen die bekannten Filmmelodien von Martin Böttcher, die zu all den Friedenspfeifen, Mokassins und Bärentötern hervorragend passen. Im weiteren Teil der Ausstellung sind aber hierzulande kaum bekannte Melodien zu hören. Sie stammen aus den Filmen über Kara Ben Nemsi. Diese verfilmten Geschichten von Karl May waren aber bei weitem nicht so populär wie Winnetou. Petr Mašek:

„Zu sehen sind verschiedene Gegenstände, die sich auf Kara Ben Nemsi beziehen: Pfeifen mit wirklichem Tabak, Teppiche, eine Ausgabe des Koran, ein Bär samt einer Anleitung, wie man einen Bären jagt. Laut Karl Mays Beschreibung soll die Bärenjagd ja einfach gewesen sein.“

Die Ausstellung „Auf den Spuren von Karl May“ ist im Prager Náprstek-Museum noch bis 27. Oktober dieses Jahres zu sehen.