Monat der tschechischen Literatur in München

Foto: Luchterhand Literaturverlag

Dieser Juni gehört im Tschechischen Zentrum in München der Literatur, und zwar der Literatur in ihren verschiedenen Formen und Variationen: von Ausstellungen, über Lesungen bis hin zu Filmen. „Alle Schönheiten der Welt“ ist nicht nur ein Memoirenbuch von Jaroslav Seifert, sondern auch der Name einer Ausstellung über diesen tschechischen Dichter in Freiburg und Tübingen. „Via Hrabal“ heißt wiederum eine Fotoausstellung zum 99. Geburtstag des Erzählers Bohumil Hrabal in München. Aber auch gegenwärtige Autoren aus Tschechien stellen sich im Juni in München vor. Mehr dazu im Interview mit der Leiterin des Tschechischen Zentrums in München, Zuzana Jürgens.

Tschechisches Zentrum in München  (Foto: Google Street View)
Frau Jürgens, wir sprechen über das Programm des Tschechischen Zentrums in München. Laut dem Programmheft gehört der bevorstehende Monat Juni überwiegend der Literatur…

„Ja, das stimmt. Die Tschechischen Zentren haben sich für dieses Jahr der Literatur verschrieben. Sie ist das Hauptthema dieses Jahres. Wir haben ansonsten das ganze Jahr über Lesungen und literarische Themen, im Juni aber konzentrieren wir uns hier in München ganz besonders darauf. Warum das nun im Juni stattfindet, hängt auch damit zusammen, dass wir uns der Nacht der Literatur anschließen möchten, die die Tschechischen Zentren gemeinsam in Prag organisieren und die immer Mitte Mai stattfindet.“

Die Nacht der Literatur in Prag hat bereits stattgefunden, und zwar als Auftakt zur Prager Buchmesse. Wie knüpfen Sie daran an?

Michael Stavarič  (Foto: Manfred Werner,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Wir machen in München nicht eine so große Veranstaltung wie in Prag. Wir haben uns ein kleineres Format ausgedacht, eine Lesung mit drei Autoren: Jaroslav Rudiš, Michael Stavarič und Jaromír Konečný. Michael Stavarič lebt in Wien, Jaromír Konečný in München, und Jaroslav Rudiš lebt zwar in Tschechien, aber seine Verbindungen zu Deutschland sind sehr eng. Er schreibt auch zum Teil zweisprachig. Diese drei Autoren bringen wir auf eine Bühne und machen hoffentlich ein sehr schönes Programm. Sie sind alle sehr geübt in öffentlichen Auftritten, in Lesungen und in Kabaretts. Es soll eine sehr lustige, schöne Veranstaltung werden.“

Foto: Luchterhand Literaturverlag
Was werden die Autoren lesen?

„Sie werden aus ihren aktuellen Werken lesen - Jaroslav Rudiš aus der deutschen Übersetzung des Romans ‚Potichu’, in Deutsch erschienen unter dem Titel ‚Stille in Prag’, Jaromír Konečný wird ‚Tatar mit Veilchen’ lesen, und Michael Stavarič hat sich für die ‚Brenntage’ entschieden. Die Lesung findet am 7. Juni im Münchner Gasteig statt.“

Das sind lebende Autoren, die aus ihren Werken selbst lesen werden. Sie widmen sich im Programm des Tschechischen Zentrums aber auch großen Persönlichkeiten der tschechischen Literatur, die bereits verstorben sind. Welche sind es?

„Das ergibt sich unter anderem aus den Jahrestagen einiger Schriftsteller. Ein großer Name ist Bohumil Hrabal, ihm widmen wir im Juni eine Foto-Ausstellung im Tschechischen Zentrum. Die Vernissage am 4. Juni wird durch eine multimediale Präsentation ergänzt, mit Ivo Krobot, Tomáš Mazal und Václav Spale. Alle drei sind mit Hrabal eng verbunden, haben ihn auch persönlich gekannt und werden anhand von Filmmaterialien über sein Leben und Werk erzählen. Bohumil Hrabal wäre nächstes Jahr einhundert geworden, diese drei Männer haben ihr Projekt aber bereits zum 99. Geburtstag vorbereitet.“

Bohumil Hrabal  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Wie ist diese Ausstellung zustandegekommen? Sind es Fotografien eines Autors oder einfach Dokumentarbilder mehrerer Fotografen?

„Es sind Bilder von mehreren Fotografen, auch aus unterschiedlichen Lebensphasen von Bohumil Hrabal. Die Aufnahmen stammen aus Museen, aber auch aus Privatsammlungen. Die Auswahl wurde konkret für diese Gelegenheit zusammengestellt.“

Was bietet die multimediale Präsentation?

„Aufnahmen aus Verfilmungen von Hrabals Werken, aus Theateraufführungen seiner Werke, aber auch Filmaufnahmen mit Hrabal selbst, Interviews, einfach ein buntes Filmmaterial, das Ivo Krobot und Tomáš Mazal kommentieren werden. Diese Präsentation entsteht quasi vor Ort. Ich bin selbst auch neugierig, wie das dann konkret in München aussehen wird.“

Jaroslav Seifert | Foto: Milan Tvrdý
Die zweite größte Persönlichkeit der tschechischen Literatur, die Sie vorstellen werden, ist Jaroslav Seifert...

„Genau. In diesem Fall steht kein Jahrestag im Hintergrund, sondern ein langjähriges Interesse der Universität Tübingen, eine Ausstellung zu Jaroslav Seifert zu zeigen. Diese Ausstellung entstand schon vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Archiv in Prag (Památník národního písemnictví) und war bereits in Berlin zu sehen. Es ist ein Einblick in das Leben und Werk von Jaroslav Seifert, der der einzige tschechische Nobelpreisträger für Literatur ist. Die Ausstellung ist an der Universität Tübingen ab 20. Juni zu sehen, vorher ist sie bis 15. Juni in Freiburg, wo sie im Rahmen der Tschechischen Kulturtage in der dortigen Stadtbibliothek ausgestellt ist.“

Gebäude des Kommunalen Kinos in Freiburg  (Foto: Tim Simms,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Die Tschechischen Kulturtage in Freiburg sind aber schon vorbei...

„Die sind schon vorbei. Die finden immer im Mai statt, in der Regel in der ersten Mai-Hälfte. Nur die Seifert-Ausstellung kann man sich jetzt noch bis Mitte Juni anschauen. Und wenn ich mich nicht täusche, laufen doch noch ein paar Filme im Kommunalen Kino in Freiburg.“

Das sind die Schwerpunkte des Programms im Juni. Gibt es noch etwas, worauf Sie hinweisen möchten?



‚Rattenfänger’
„Ich würde vielleicht nur ganz kurz auf weitere literarische Veranstaltungen hinweisen. Unter anderem weil ich denke, dass wir uns in dem Programm bemüht haben, eine gewisse Linie der tschechischen Literatur zu verfolgen .Wir werden am 27. Juni eine Lesung beziehungsweise eine Collage zu Jaroslav Hašek veranstalten, und zwar von Pavel Gan, der auf Hašeks Spuren in Russland war. Jaroslav Hašek und Bohumil Hrabal haben eine literarische Tradition begründet, die Erzähltradition, die Tradition des Erzählstroms. An diese Tradition knüpfen sowohl Jaroslav Rudiš als auch Jaroslav Ryšavý an. Und Ryšavý ist ein weiterer Autor, der auch im Juni in München, in diesem Fall in der Mufat-Halle lesen wird. Ich denke, es ist einfach eine sehr komplexe Sache, die über den ganzen Monat verteilt ist. Außerdem veranstalten wir im Juni eine ganz besondere Film-Retrospektive im Film-Museum in München. Es sind Filme des Trickfilmautors Jiří Bárta. Er gilt als Nachfolger von Jan Švankmajer und dreht auf sehr beeindruckende Weise mit Puppen in Kombination mit Schauspielern und echten Elementen. Und es handelt sich dabei um literarische Verfilmungen, wie zum Beispiel der ‚Krysař’ (‚Rattenfänger’) und ‚Na půdě‘ (‚Auf dem Dachboden‘). Beim letztgenannten Streifen handelt es sich um eine Verfilmung eines Texts von Edgar Dutka. Wir landen also fast bei jeder Veranstaltung im Juni bei der Literatur.“