Mozartstadt Prag

W. A. Mozart
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Prag hat mehrere gute Gründe dafür, an den diesjährigen Mozartfeiern teilzunehmen. Das Leben des weltbekannten Komponisten ist nämlich mit dieser Stadt eng verbunden. Ein Kultursalon von Jakub Siska.

Foto: Czech Tourism
"Mit großer Freude hab ich beobachtet, wie alle Leute zur Musik von Figaro hüpfen. Da spricht man über nichts anders als über Figaro, man spielt und singt und pfeift und bläst nichts anders, nur Figaro. Hier gibt es keine andere Oper, alle wollen nur Figaro und ewig Figaro. Sicher eine große Ehre für mich ..."

So beschrieb Mozart 1787 seine Prager Erlebnisse, nachdem er selbst eine der Aufführungen von Figaros Hochzeit dirigiert hatte. Noch zuvor wurde in Prag die Oper "Die Entführung aus dem Serail" großartig aufgenommen, deutlich besser als in Wien. Prag als Stadt ohne Herrscherhof konnte Mozart zunächst nicht locken, auch wenn ihm seine Freunde und Musiker aus Böhmen immer wieder zu einem Besuch rieten. Erst die Berichte über seinen hiesigen Erfolg bewegten ihn, mit seiner Frau nach Prag zu reisen. Warum verstanden die Prager Mozarts Musik besser als die Wiener? Darüber kann man heute nur Vermutungen anstellen, sagt Lenka Pokorna, die Leiterin des Prager Mozart-Museums in der Villa Bertramka.

"Er hat in seinen Opern häufig die Manieren der Aristokratie verspottet. Wir sind der Meinung, dass die Wiener Oper damals vor allem von Edelleuten besucht wurde. Das Prager Publikum hingegen bildeten meist die Bürgerstände. Darüber hinaus war Prag im Vergleich zu Wien vielleicht wirklich musikalischer. Laut verschiedener Dokumente bewunderte Mozart die Prager Musiker, und die Proben mit ihnen waren für ihn weniger anstrengend, als die mit den Wienern. Und was die Nationalitätenfrage anbelangt: Das Opernochester des Prager Ständetheaters wurde damals zwar vom deutschen Dirigenten Strobach geleitet, aber die meisten Musiker waren Tschechen. Das spricht auch dafür, dass die Musikempfänglichkeit hier allgemein größer war, als in Wien."


Mozart bedankte sich beim Prager Publikum mit der so genannten Prager Symphonie. Vor allem aber schenkte er Prag eine neue Oper: Don Giovanni. Offiziell wurde sie anlässlich der Durchfahrt der Herzogin von Toscana durch Prag uraufgeführt. Mozart vollendete das Werk in großer Eile, die Ouvertüre wurde bei der Premiere wahrscheinlich ohne Probe gespielt. Trotzdem war das Publikum begeistert, erzählt Musikpublizist Libor Drevikovsky:

"Prag war damals eine Provinzstadt. Die Prager waren stolz darauf, dass die neue Oper des berühmten Komponisten nicht in Wien, sondern in ihrer Stadt uraufgeführt wurde. Über die Vorbereitung konnte man regelmäßig in der Prager Presse lesen, und man wusste ganz genau, welche Teile der Oper in Prag geschrieben wurden. Das alles waren aber nur Nebensachen, die die Popularität noch erhöhen konnten. Die Hauptsache war die Musik Mozarts an sich."

Das Angebot, in Prag zu bleiben und eine weitere Oper zu schreiben, lehnte Mozart aber ab. Es waren in erster Linie Wien und der Hof, wo er Anerkennung suchte. Doch es wurde ihm nur der bescheidene Titel eines "Kammermusicus" verliehen, und auch dem Don Giovanni brachte man in der Residenzstadt nicht das rechte Verständnis entgegen. Die Oper entsprach weder dem Geschmack bei Hofe noch dem des normalen Publikums.


Doch noch eine Oper hatte in Prag ihre Premiere: La clemenza di Tito. Die Prager Stände hatten sie anlässlich der Prager Krönung von Kaiser Leopold zum böhmischen König bestellt.

"Es gibt viele Legenden um diese Oper: Sie soll total durchgefallen sein, das kaiserliche Ehepaar soll die Vorstellung vorzeitig verlassen haben, usw. Meiner Ansicht nach war es ein bisschen anders: Die kaiserliche Krönung wurde mit vielen Veranstaltungen gefeiert, und die Oper war einfach nur eine von ihnen. Der Kaiser hat gegen die Oper vielleicht gewisse Bemerkungen gemacht, wie übrigens auch bereits gegen Don Giovanni. Aber dass er während der Vorstellung wegging, dafür gibt es keinen Beweis. Das Publikum hat diese Oper auch nicht schlecht angenommen. Nach der Krönung wurde sie weiter erfolgreich aufgeführt, und dabei blieb es auch in Zukunft."

Einer der beliebtesten Orte Mozarts in Prag war die Universitätsbibliothek im Klementinum. Der Komponist verweilte dort nachweislich mehrere Male. Der Überlieferung nach hatten ihm die begeisterten Seminaristen eine seiner Symphonien vorgespielt, und Mozart bedankte sich bei ihnen durch sein eigenes Spiel. Das soll am 12. Dezember 1787 gewesen sein, also kurz vor der Premiere von Don Giovanni. 50 Jahre danach kamen drei Prager Musikpersönlichkeiten mit der Idee, das erste Mozartarchiv der Welt dort einzurichten. Im März und April 1837 wurde zugunsten dieses Plans eine Reihe von Konzerten veranstaltet, ihr Gewinn wurde für den Ankauf aller erreichbaren Dokumente verwendet. Die meisten wurden bei einem Freund Mozarts in Wien gekauft, darunter vier Briefe von Mitgliedern der Familie Mozart. Das Archiv wurde im erwähnten Klementinum untergebracht und umfasste immer zahlreichere Dokumente.


Villa Bertramka  (Foto: CTK)
Aber der bekannteste "Mozartort" in Prag ist die Villa Bertramka. Sie befindet sich heute in einer rauschenden Prager Vorstadt. Im 18. Jahrhundert stand hier jedoch ein Gehöft, das von einem Weinberg umgeben war, erzählt die Leiterin der Villa Bertramka, Lenka Pokorna:

"Mozart verweilte zweimal auf Bertramka und hat hier außer Don Giovanni auch mehrere kleinere Werke komponiert. Die Villa gehörte damals dem Ehepaar Dusek. Die Frau des Hauses kannte Mozart schon von früher: Sie gehörte zu den bedeutenden Sopranistinnen von damals und konzertierte in Dresden, Salzburg und Wien. Herr Dusek war als Komponist und Musiklehrer tätig. Darum trafen sich hier Persönlichkeiten aus der Kultur, es gab Konzerte und Plaudereien beim Tee. Anderseits, wie z.B. Mozarts erster Biograph Herr Nemecek erwähnt, herrschte hier Ruhe, und man konnte das Singen der Vögel hören. Das entsprach vermutlich dem Naturell des Komponisten: Er mochte sowohl ein ungestümes Leben, als auch die ruhige Atmosphäre von hier."

Zum letzten Mal besuchte Mozart Prag ungefähr drei Monate vor seinem Tod. Als er Anfang Dezember 1791 starb, trauerte Prag sehr. Auf Initiative des Orchesters wurde in der St. Nikolaikirche ein Requiem unter der Teilnahme von 120 Musikern gefeiert. Mehr als 4000 Menschen nahmen laut der damaligen Presse von dem Komponisten Abschied. In Wien dagegen wurde Mozart ohne weiteres Aufsehen in einem Gruppengrab beerdigt.

Autor: Jakub Šiška
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