München: Jahr der Musik klingt aus, Jahr der Kulturhauptstadt beginnt

Foto: Archiv Centrum Bavaria Bohemia

Das Jahr der tschechischen Musik 2014, das böhmische Pilsen als Kulturhauptstadt Europas 2015, aber auch einige aktuelle Ausstellungen und geplante Filmprojektionen. Darüber im Folgenden ein Interview mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý.

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Herr Černý, wir führen das Gespräch kurz vor Weihnachten, daher können wir es auch weihnachtlich beginnen und eine Ausstellung erwähnen, die in Weißenhorn nahe Ulm stattfindet. Sie heißt „Lasset uns gehen nach Bethlehem!“ Was zeigt die Ausstellung im dortigen Heimatmuseum?

„Es ist eine grenzüberschreitende Ausstellung von Krippen, oder auf Tschechisch gesagt betlémy. Sie entstand in der Zusammenarbeit von zwei Regionen, und zwar dem Kreis Vysočina in Tschechien und der Region Weißenhorn. Weißenhorn liegt nicht weit von Ulm, im schwäbischen Teil Bayerns. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen hat sich seit langem entwickelt, und eine der Veranstaltungen, die daraus hervorgegangen sind, ist eben diese Krippen-Ausstellung. Der Kreis Vysočina ist bekannt für seine lange und reiche Tradition des Krippenbaus. In Weißenhorn sind unter andrem Krippen aus Třebíč, Třešť und Nová Říše ausgestellt.“

In München, und zwar in der dortigen Architekturgalerie, wurde am Mittwoch eine Ausstellung mit dem Titel „THIS IS ... ARCHITECTURE: Miroslav Šašek“ eröffnet. Dabei werden erstmals in Deutschland die Originalgrafiken des tschechischen Zeichners und Architekten Miroslav Šašek (1916-1980) gezeigt. Der Titel spielt auf seine populären Kindebücher an. Welche Art Bücher waren es, die Šašek weltweit bekannt gemacht haben?

Miroslav Šašek  (Foto: giveawayboy,  CC BY-NC-ND 2.0)
„Das ist eine interessante Sache: Ich habe erst hier in München, bei der Vorbereitung der Ausstellung, festgestellt, wie weltberühmt Miroslav Šašek ist. Dabei ist er bei uns in Tschechien eigentlich nicht besonders bekannt. Der Grund liegt darin, dass Miroslav Šašek in den 1960er Jahren emigriert und seine ganze erfolgreiche Karriere im Ausland aufgebaut hatte. Typisch für ihn ist eine Reihe von 18 Kinderreisebüchern, in denen die Architektur, die Plätze und Monumente mit humorvollem Strich und farbenfroh gezeichnet sind. Die Bücher sind nicht nur für Kinder bestimmt, eigentlich sind dort die Gefühle, die Šašek beim Besuch der jeweiligen Stadt hat, in konzentrierter Form wiedergegeben. Eine der Städte ist München, er hatte ein Zeitlang in München gewohnt und bei Radio Freies Europa gearbeitet.“

Das Jahr 2014 geht bald zu Ende, und damit auch das Jahr der Tschechischen Musik. Sie planen dazu aber doch noch einige Veranstaltungen, und zwar nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder…

„Wir haben uns gesagt: Die Persönlichkeiten der tschechischen Musik sind so starke Persönlichkeiten, dass man sich nicht nur auf das Jahr der tschechischen Musik beschränken sollte. Deswegen präsentieren wir die didaktische Ausstellung ‚Persönlichkeiten der tschechischen Musik‘. Sie konzentriert sich auf Leoš Janáček, Antonín Dvořák und Bedřich Smetana. Wir bleiben aber nicht nur bei der Ausstellung. Wir haben auch ein Animationsprogramm für Kinder zusammengestellt, und zwar in Zusammenarbeit mit der Museumspädagogik-Studentin Lenka Trantírková. Sie hat ein wirklich originelles Programmkonzept entwickelt. Dabei wird Bedřich Smetana selbst die Kinder in die Welt der tschechischen Musik begleiten, wobei sein großes Werk, ‚Die Moldau‘, thematisiert wird.“

Wird diese Kinderveranstaltung auf Tschechisch oder auf Deutsch stattfinden?

„Das Programm ist in Deutsch, es wurde für deutsche Schüler in unserem Stadtviertel Lehel entwickelt. Aber es scheint, dass wir es auch in Tschechisch machen werden, weil die tschechische Schule Škola bez hranic ebenfalls sehr daran interessiert ist.“

Alexander Hennig  (Foto: Archiv von Alexander Hennig)
Und was erwartet die Erwachsenen, welches Begleitprogramm zur Ausstellung besteht?

„Für Erwachsene haben wir einen Vortrag von Professor Alexander Hennig geplant. Es ist ein Vortrag über Antonín Dvořák, der auf sehr packende und eingängige Weise gehalten wird. Denn Herr Henning ist kein Professor der Musikwissenschaft, sondern Professor für Marketing. Er ist ein sehr erfolgreicher Autor von Fachpublikationen im Bereich Marketing, Controlling und Management. Sein Steckenpferd ist eben die tschechische Musik. Ich habe seinen Vortrag schon einmal auf Video gesehen. Er trägt ihn mit einem gewissen Abstand, aber auch mit viel Liebe zu den großen Persönlichkeiten der tschechischen Musik wie Antonín Dvořák vor.“

2014 galt in Tschechien als Jahr der Musik, im kommenden Jahr 2015 wird wiederum das westböhmische Pilsen im Mittelpunkt stehen. Pilsen wurde von der Europäischen Kommission zur Kulturhauptstadt Europas 2015 gekürt. Wie die Veranstalter ankündigen, soll die Zusammenarbeit zwischen Pilsen und Bayern bei diesem Projekt sehr intensiv sein. Einer der Beweise dafür ist ein Abend in der Bayerischen Staatsbibliothek Anfang Februar…

Pilsen als Kulturhauptstadt Europas 2015  (Foto: Archiv Centrum Bavaria Bohemia)
„Für uns ist Pilsen als Kulturhauptstadt Europas 2015 ein sehr wichtiges Ereignis, das wir das ganze Jahr über begleiten wollen. Ein erstes Beispiel ist diese Präsentation des Projekts. Wir werden uns auf zwei Veranstaltungen konzentrieren, und zwar auf die Ausstellung ‚München – leuchtende Kunstmetropole‘ und auf die Musikreihe ‚Neun Wochen Barock‘. Ich möchte ein paar Worte zu der Ausstellung sagen. Ich halte sie für die kulturellen Beziehungen zwischen Tschechien und Bayern sehr wichtig. Sie präsentiert München an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als die Stadt eine der führenden europäischen Kunstmetropolen war. Die Malerei der Münchner Schule war ein international anerkanntes Phänomen. Und auch zahlreiche tschechische Künstler haben dort studiert. Und eben die Verbindungen zwischen den tschechischen Künstlern und den deutschen, die dann auch in den Böhmischen Ländern tätig waren, ist Thema dieser Ausstellung.“

„Das Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Böhmerwald und im Bayerischen Wald“  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Das also am 2. Februar. Abschließend möchte ich in das Programm der ersten Februar-Hälfte schauen. Dort stehen zwei interessante Filmprojektionen an, die erste im Arena Filmtheater und die andere im Filmmuseum in München. Am 4. Februar wird die Filmtrilogie mit dem langen Namen „Das Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Böhmerwald und im Bayerischen Wald“ gezeigt, die eine interessante Familiengeschichte erzählt. Worum geht es in dieser Filmdokumentation?

„Sie ist ein dreiteiliger Dokumentarfilm, der von Zdeněk Flídr und dem Tschechischen Fernsehen gedreht wurde. Wir möchten diesen Film anlässlich des Tages der Holocaust-Opfer Ende Januar zeigen. Es handelt sich um die Geschichte der jüdischen Familie Getreuer aus Schwanenbrückl / Mostek, deren Kinder von dem Transport in ein Konzentrationslager gerettet werden konnten. Diese Geschichte ist der Ausgangspunkt, um das Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Böhmerwald zu verfolgen. Wir halten es für sehr wichtig, diese Verknüpfung tschechisch – deutsch – jüdisch zu präsentieren und zu thematisieren. Denn das sind Aspekte, die man immer in Betracht ziehen muss, auch wenn man sich zum Beispiel mit dem Thema Vertreibung beschäftigt.“

Foto: HBO
Der Regisseur Zdeněk Flídr kommt auch persönlich nach München, um die Fragen des Publikums zu beantworten. Am 12. Februar läuft im Filmmuseum „Burning Bush“ von Agnieszka Holland. Handelt es sich dabei um den preisgekrönten Film der polnischen Regisseurin über Jan Palach?

„Wir wollten eben diesen Film zeigen. Es wäre zeitlich ziemlich anstrengend, die gleichnamige Trilogie von Agnieszka Holland zu zeigen. Wir wollten den Film genau am 19. Januar bringen, dem Todestag von Jan Palach. Das hat nicht geklappt, aber der Februartermin ist auch gut. Der Film ist durch den TV-Sender Arte als Fernsehfilm auch in Deutschland bekannt, aber wir möchten ihn in der tschechischen Originalsprache mit deutschen Untertiteln zeigen. Wir wollen damit einen Anstoß zum Nachdenken geben, was Jan Palach für uns bedeutet.“