München: jüdische Friedhöfe, tschechische Dokumentarfilme und zwei Jubiläen

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Das Tschechische Zentrum in München bietet im November und Dezember ein reiches Programm. Ein Symposium will einen neuen Blick werfen auf den Nachbarschaftsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, der vor 20 Jahren geschlossen wurde. Und auch das 20. Jubiläum der Teilung der Tschechoslowakei im Januar 1993 findet im Programm des Zentrums seinen Niederschlag. Mehr dazu und zu weiteren Veranstaltungen im Interview mit Zuzana Jürgens, der Leiterin des Tschechischen Zentrums.

Frau Jürgens, wir beginnen das Gespräch über das Programm des Tschechischen Zentrums in München mit einer Ausstellung, die am Donnerstag kommender Woche im Tschechischen Zentrum eröffnet wird. Sie heißt „Jüdische Friedhöfe“ und gezeigt werden Fotografien von Ladislav Michálek. Worauf konzentriert sich dieser Fotograf? Wo und wann hat er seine Bilder gemacht?

Ladislav Michálek  (Foto: Radovan Kodera)
„Ladislav Michálek ist Jahrgang 1937 und hat in den 60er Jahren angefangen zu fotografieren. Die Bilder, die wir ausstellen, stammen aus den 70er und 80er Jahren. Sein Thema waren damals jüdische Friedhöfe in der Tschochoslowakei, was zu dem Zeitpunkt eher exotisch war. Man sieht jedoch keine Aufnahmen von verwüsteten Friedhöfen, wie man sie gut kennt, sondern Grabsteine. Michálek zeigt, welche Motive auf ihnen zu finden sind. Es sind manchmal überraschend nette Motive, wie ein Bär oder ein Fisch.“

Ist die Ausstellung speziell für das Tschechische Zentrum entstanden?

„Die Ausstellung ist in den Räumlichkeiten des Tschechischen Zentrums untergebracht. Sie findet allerdings in einem breiteren Rahmen statt, und zwar im Rahmen der 26. Jüdischen Kulturtage in München, die zwei Tage später, am 17. November, offiziell beginnen. Das Tschechische Zentrum beteiligt sich das erste Mal an diesen Tagen. Es gibt noch einen zweiten Rahmen für die Ausstellung: In München besteht eine europäische Schule, die ein Projekt mit dem Namen ´Europäische Identitäten´ lanciert. Diese Schule hat Herrn Michálek zu einem Vortrag für ihre Schüler eingeladen. Der Vortrag ist zwar für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber ich finde es interessant und wichtig, dass es eben zu solchen Gesprächen und Diskussionen kommt.“

Deutsch-Tschechischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit - Česko-německá smlouva o dobrém sousedství a přátelské spolupráci
Das wäre zu den Jüdischen Kulturtagen in München. Aus einem anderen Anlass veranstalten Sie eine Konferenz: Und zwar wurde vor 20 Jahren, im Jahr 1992, zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei ein Nachbarschaftsvertrag geschlossen. Wie sieht die Konferenz dazu aus?

„Es ist eher ein Symposium als eine Konferenz, es findet am Nachmittag des 27. Novembers statt. Nachdem es in Prag und Berlin in diesem Jahr schon verschiedene Veranstaltungen zu diesem Thema gab, widmen wir uns in München nun zum ersten Mal diesem Vertrag, der die bilateralen Beziehungen auf eine neue Ebene stellte oder stellen sollte. Weil es seit der Unterschrift schon so lange her ist, wollen wir uns nicht nur die Zeit, in der der Vertrag unterschrieben worden ist, und die Zeit vorher anschauen, sondern auch seine Nachwirkungen und konkreten Ergebnisse. So haben wir einerseits Zeitzeugen als Gäste eingeladen, zum Beispiel František Černý, der damals Botschafter in Berlin war. Hoffentlich kommt auch der damalige deutsche Botschafter in Prag, Hermann Huber. Außerdem werden auch zwei Vertreterinnen der jungen Generation dabei sein, die im Deutsch-Tschechischen Jugendforum tätig sind: Anna Bischof und Alžběta Berčíková. Ich hoffe, dass sie ihre Perspektive, ihre eigenen Erfahrungen schildern werden. Das Jugendforum ist eben ein Ergebnis eines anderen bilateralen Vertrags, in diesem Fall der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom Jahr 1997. Und zuletzt veranstalten wir einen runden Tisch, an dem jeweils aus beiden Ländern Vertreter aus verschiedenen Bereichen sitzen werden. Aus dem Bereich der Politik sind es Bernd Posselt und Milan Horáček, für die Wissenschaft, die Geschichtswissenschaft, sprechen Martin Schulze Wessel und Vladimír Handl, und für die Kulturszene werden Blanka Mouralová vom Collegium Bohemicum und Peter Becher vom Adalbert-Stifter-Verein dabei sein.“

Vor 20 Jahren wurde zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei ein Nachbarschaftsvertrag geschlossen  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Kann auch die breitere Öffentlichkeit am Symposium teilnehmen: Kann man kommen, um sich die Vorträge anzuhören?

„Auf jeden Fall. Das Symposium ist für alle offen. Es würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn auch die Öffentlichkeit kommt. Vielleicht ist dies für einige Leute auch die erste Gelegenheit, das bayerische Kultusministerium von innen zu sehen - dieses Symposium findet eben dort statt. Das Kultusministerium befindet sich direkt im Stadtzentrum von München.“

Für die breite Öffentlichkeit ist auch eine Filmreihe bestimmt. Sie heißt „Tschechoslowakische Neue Welle“ und zeigt Filme der 1960er Jahre. Diese Reihe läuft seit mehreren Monaten bereits im Tschechischen Zentrum. In der nächsten Zeit werden Sie aber auch einige Neuigkeiten zeigen, und zwar Dokumentarfilme…

Film ´Solar eclipse´
„Weil wir so viele Spielfilme in diesem Herbst im Programm haben, haben wir uns entschieden, eine kleine Reihe mit dem Titel ´Tschechischer Doku-Herbst´ zu machen. Wir werden bis Ende des Jahres noch zwei aktuelle Dokumentarfilme aus Tschechien zeigen. Am 14. November ist es der Film ´Solar eclipse´, auf Tschechisch heißt er ´Pod sluncem tma´. Es ist eine Dokumentation über Elektrifizierung in Sambia beziehungsweise auch darüber, was aus so einem Projekt nach ein paar Jahren werden kann. Zwei Männer, die ein Dorf elektrifiziert hatten, kehren nach vier Jahren in das afrikanische Land zurück und sehen, was aus ihrem Werk geworden ist: Ob es wirklich geholfen hat oder nicht. Ich halte den Film für einen sehr aktuellen und spannenden Blick darauf, was Entwicklungshilfe wirklich bewirken kann. Im Dezember werden wir dann einen Film von Olga Špátová zeigen. Dabei wölbt sich ein Bogen zu unserer Reihe im Filmmuseum über die 1960er Jahre, weil der Vater von Olga, Jan Špáta, im Jahre 1963 einen Dokumentarfilm mit dem Namen ´Mein innigster Wunsch´ gedreht hatte. Darin hatte er junge Leute begefragt, was sie sich für ihre Zukunft, für ihr Leben wünschen. Seine Tochter hat diese Frage aufgenommen und in diesem Jahr eine neue Auflage dieses Films herausgebracht, mit demselben Titel ´Mein innigster Wunsch´. Sie hat die jungen Menschen aus dem heutigen Tschechien gefragt, was sie sich wünschen.“

Film ´Markéta Lazarová´
Über diesen Film war in den Sendungen von Radio Prag schon die Rede. Jetzt ist er also in München zu sehen. Das 20-jährige Jubiläum des deutsch-tschechoslowakischen Vertrags über gute Nachbarschaft vom Jahr 1992 haben wir bereits erwähnt. Am 1. Januar steht ein weiteres Jubiläum an: Vor 20 Jahren teilte sich die Tschechoslowakei in zwei selbständige Republiken: Tschechien und die Slowakei. Auch daran haben Sie in Ihrem Programm gedacht…

„In der Tat. Natürlich wird die Teilung der Tschechoslowakei erst im kommenden Jahr einen Schwerpunkt in unserem Programm bilden, aber wir haben die Gelegenheit genutzt, dass die frühere tschechoslowakische Schauspielerin Magda Vášáryová im Dezember nach München kommt. Sie wird an der Vorführung des Filmes Markéta Lazarová teilnehmen und während einer Diskussion für Fragen zur Verfügung stehen. Sie ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Politikerin und Diplomatin. Wir haben sie in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Außenpolitik München zu einem Vortrag und Gespräch eingeladen, in dem es eben um das tschechisch-slowakische Thema geht. Die Trennung der Slowakei und Tschechiens vor 20 Jahren beeindruckt Europa nach wie vor, weil es eine friedliche Trennung war. Gleichzeitig stellen sich viele Leute bis heute die Frage, warum sich die beiden Republiken eigentlich getrennt haben, was dazu geführt hatte und wie das Verhältnis zwischen beiden Seiten heute ist, da sie im Rahmen der EU wieder vereint sind. Das sind genau die Themen, über die Magda Vášáryová sprechen wird. Sowohl dieser Vortrag als auch die Vorführung im Filmmuseum sind öffentlich zugänglich. Auch da freuen wir uns über Zuschauer und können eine Diskussion versprechen, bei der jeder eine Frage stellen kann.“