Mumien in Klattau – zwischen Vergänglichkeit und Ewigkeit

Krypta mit Mumien (Foto: Vít Pohanka)

Die Stadt Klatovy / Klattau zählt heute rund 22.000 Einwohner. Sie liegt etwa 40 Kilometer von der bayerischen Grenze bei Furth im Wald entfernt. Gegründet wurde sie im 13. Jahrhundert an einer wichtigen Handelsroute von Prag nach Bayern. Später gewann die Stadt auch Bedeutung als wichtiges Bildungszentrum, besonders dank den Jesuitenbrüdern, die im 17. Jahrhundert nach Klattau kamen. Heute erinnern einige schöne Barockgebäude an den Orden, aber auch eine Krypta mit mehreren Dutzenden Mumien.

Rathaus,  Schwarzer Turm und Barockkirche in Klatovy  (Foto: Vít Pohanka)

Den rechteckigen Hauptplatz von Klatovy dominieren vor allem zwei Bauten. Der erste ist der eindrucksvolle Schwarze Turm aus dem 16. Jahrhundert. Er hat fünf Stockwerke und ist über 80 Meter hoch. Für seine schwarze Farbe haben mehrere Brände gesorgt, die die Stadt heimgesucht und viele Baudenkmäler aus der Gotik und Renaissance fast völlig zerstört haben. Neben dem Turm strahlt dann die weiße Farbe einer prächtigen Barockkirche, die zweite Dominante des Stadtrings. Verborgen im Keller befinden sich dort eine herausragende Sehenswürdigkeit und der größte Touristenmagnet der Stadt. Im Keller treffen wir auch unseren Begleiter auf der Besichtigungstour durch Klatovy:

Václav Chroust  (Foto: Vít Pohanka)

“Mein Name ist Václav Chroust. Ich bin Vorsitzender des Vereins ‚ Klattauer Katakomben‘ und auch Vizebürgermeister der Stadt. Die Stadt und der Verein haben in den vergangenen zehn Jahren viel Geld in diesen Raum investiert. Wir stehen in den Krypten unterhalb der Jesuiten-Kirche der Unbefleckten Empfängnis und des heiligen Ignaz. Sie sind seit Jahrhunderten als die sogenannten Klattauer Katakomben bekannt.“

Memento mori

Die geräumigen Katakomben dienten etwa einhundert Jahre lang als Begräbnisstätte. Jesuitische Ordensbrüder und ihre Wohltäter wurden dort bestattet:

Eine der Mumien  (Foto: Vít Pohanka)

„Im 17. und 18. Jahrhundert wurden in diesen Krypten etwa 200 Menschen begraben. Die Leichname wurden durch das Mikroklima hier auf natürliche Weise mumifiziert. Menschen haben nicht in diesen Prozess eingegriffen, wie etwa bei der Konservierung der Mumien in Ägypten. Man könnte sagen, dass die Leichname ausgetrocknet sind.“

Soweit Václav Chroust. Die ausgetrockneten braunen Mumien wiegen heute acht bis zehn Kilogramm. Die Leichen wurden im 17. und 18. Jahrhundert in der Krypta in Eichensärge auf Holzspäne gelegt, umgeben von Hopfendolden. Dank eines durchdachten Belüftungssystems, das aus horizontalen und vertikalen Luftschächten und Kanälen bestand, blieben die Lufttemperatur und die Feuchtigkeit im Raum gleich. Dieses einzigartige Belüftungssystem wurde allerdings durch einen Umbau im 20. Jahrhundert beschädigt. Die meisten Mumien zerfielen in der Folge, und die Leichen mussten auf einem naheliegenden Friedhof begraben werden. Dennoch sind 38 von ihnen immer noch gut erhalten.

„Die Körper, die hier liegen, gelten als Mahnung ‚Memento mori‘, also: Denke daran, dass du sterben wirst! Wir alle wissen, dass wir eines Tages sterben, dass wir diese Welt verlassen. Wenn wir hier die Menschen von damals sehen und in ihre Gesichter schauen, blicken wir gleichzeitig in die Welt, die sie geschaffen haben. Hier liegen Jesuiten, Bürger der Stadt sowie Angehörige bedeutender Adelsfamilien. Aber es sind auch anerkannte Jesuiten, die sich außerhalb unserer Stadt durchgesetzt haben. Wie etwa der damalige Rektor des Jesuitenkollegs in Jičín, Malina, ein Freund des Jesuitengelehrten Bohuslav Balbín.“

Bohuslav Balbín

Der katholische Literat, Priester und Historiker Balbín beziehungsweise Balbinus war eine der bedeutenden Persönlichkeiten des böhmischen Barock. Er lebte etwa zehn Jahre lang in Klattau und schrieb dort sein bekanntestes Buch, die „Verteidigung der slawischen Sprache, insbesondere der tschechischen“ („Dissertatio apologetica pro lingua Slavonica, praecipue Bohemica“). Balbinus verteidigt darin das Recht auf eine eigene Sprache und verurteilt den abtrünnigen Adel.

Jesuiten in Klattau

Die Jesuiten kamen 1636 nach Klattau. Der Auftrag der Ordensbrüder war es, die protestantischen Einwohner der Stadt zum Katholizismus zu bekehren. Die Mönche trugen bedeutend zur Entwicklung der Stadt bei, sorgten aber genauso für mehr Bildung in der Region. So gründeten die Jesuiten ein Kolleg, in dem sich heute die Stadtbibliothek befindet.

Krypta in der Kirche der Unbefleckten Empfängins und des hl. Ignaz  (Foto: Vít Pohanka)

Die prächtige Kirche der Unbefleckten Empfängnis und des heiligen Ignaz gehört zu einem Typ von Kirchenbauten, die nach dem Vorbild der Mutterkirche des Jesuitenordens Il Gesu in Rom gebaut wurden. Der Grundstein wurde 1656 gelegt. Mit dem Entwurf wurden namhafte Architekten jener Zeit beauftragt:

„Die Kirche ist ein schönes Beispiel jesuitischer Architektur. Am Bau beteiligten sich namhafte Architekten wie Giovanni Domenico Orsi und Carlo Lurago. Auf Bauten von Orsi trifft man auch in Prag, und in Kutná Hora (Kuttenberg, Anm. d. Red.) wurde ein Jesuiten-Kolleg von ihm herrlich restauriert. Carlo Lurago wiederum sorgte unter anderem für den barocken Umbau der Domkirche in Passau, einer der schönsten Barockkirchen Bayerns.“

Foto: Vít Pohanka

In den ursprünglichen Räumlichkeiten der Krypten und des Jesuiten-Gymnasiums befindet sich heute eine Ausstellung. Der Hauptmagnet sind dabei die Mumien. Zudem wird aber anhand von alten Schriftstücken, historischen Gegenständen, Baumodellen und Dokumentarfilmen die Geschichte der Stadt in der Barockzeit erzählt. Zu sehen sind des Weiteren die Gruft des Adelsgeschlechts Kotz von Dobrz, ein Wasserreservoir sowie ein Mechanismus, mit dem die Särge in den früher unzugänglichen Krypten versenkt wurden. Der Andachtsraum mit den mumifizierten Körpern bietet auch eine Liste mit den Namen der Bestatteten sowie eine Zeichnung des Belüftungssystems.

„In Klattau wurden lange Jahre nur die Leichname gezeigt, die in den Katakomben aufbewahrt wurden. Wir hatten aber die Idee, eine Ausstellung beziehungsweise ein Museum einzurichten. Wir wollen darin die Geschichte der barocken, jesuitischen Stadt Klattau erzählen. Wir veranstalten jedes Jahr eine Konferenz, an der hauptsächlich Historiker, aber auch Philosophen und Theologen teilnehmen. Interessant ist, dass zum Abschluss immer eine Totenmesse zelebriert wird, bei der um die Erlösung für die Menschen gebeten wird, die hier in den Katakomben bestattet sind.“

Foto: Vít Pohanka

Die Katakomben würden in ihrer einzigartigen Atmosphäre eindringlich an die Vergänglichkeit des Menschen erinnern, betont Václav Chroust.

„Jeder von uns weiß, dass er stirbt, aber niemand weiß wann. Vielleicht lebt man 90 Jahre lang oder nur 19 Jahre. Es hat also Sinn, gut zu leben, sich das Leben nicht dadurch zu verkomplizieren, dass man schlechte Sachen tut. Man sollte richtig leben, sich über das Leben freuen und die Welt um sich so gestalten, dass sie gut ist.“

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