"Musaion" - eine lebendige ethnografische Ausstellung

Musaion

Nach fast zwanzig Jahren wurde am Donnerstag das Prager Ethnografische Museum wieder geöffnet. Seit 1922 ist es Bestandteil des Prager Nationalmuseums, heute als die ethnografische Abteilung des Historischen Museums. In das wieder geöffnete so genannte "Musaion" laden Sie Martina Schneibergova und Stefan Naumann im folgenden Spaziergang ein:

Musaion
Mehr als 100 Jahre lang hat das ethnografische Museum im ehemaligen Sommerschloss der Familie Kinski im Stadtteil Smichov seinen Sitz. In diesem klassizistischen Gebäude war das Museum bis 1986 geöffnet, als das Haus wegen starker Bauschäden geschlossen werden musste. Seitdem bemühten sich die Mitarbeiter sowie Anhänger des Museums ständig darum, es wieder zu eröffnen. Der Direktor des Nationalmuseums Michal Lukes dazu:

"Wir haben dieses Haus ´Musaion´ - also Tempel der Musen genannt. Den Kern der ständigen Ausstellung stellen natürlich Exponate aus der ethnografischen Sammlung des Nationalmuseums dar, die insgesamt etwa 200.000 Gegenstände umfasst und zu den wertvollsten Sammlungen dieser Art in Europa gehört. In der neuen Ausstellung kann jedoch nur ein Bruchteil davon gezeigt werden. Wir wollen hier nicht nur Exponate zeigen, sondern einen Ort für Begegnungen errichten. Es gibt hier Werkstätten, wo Handwerker ihr Können vorstellen werden. Wir haben einen Ausstellungssaal, in dem aktuelle Ausstellungen aus dem Bereich der Ethnografie und der Sozialethnologie veranstaltet werden. Im Vortragsraum werden Vorlesungen sowie andere Bildungsprogramme für die Öffentlichkeit organisiert. Die Tradition der Konzerte von Folkloreensembles wird wieder belebt."

Jirina Langhammerova
Die Leiterin der Ethnografischen Abteilung des Nationalmuseums, Jirina Langhammerova, erinnerte anlässlich der Wiedereröffnung des Museums daran, dass zur Wiederbelebung des ethnografischen Museums auch eine von einigen Tausend Bürgern unterzeichnete Petition beigetragen hat, die in den neunziger Jahren von der Ethnografischen Gesellschaft und der Tschechischen Volkskunstvereinigung initiiert wurde. Diese Petition hat Langhammerova zufolge das Interesse der Öffentlichkeit für die Ethnografie getestet.

"Über die heutige moderne Gesellschaft wird behauptet, dass sie sich für die Tradition nicht interessiert. Das stimmt nicht, wir konnten uns vom Gegenteil überzeugen."

Die ständige, in der ersten Etage des Sommerschlosses installierte Ausstellung konzentriert sich auf die Hauptpunkte der Volkskultur und Kunst. Einleitend wird an die Beziehung des Menschen zur Natur erinnert. Am längsten ist diese natürliche Logik des Landlebens in den Bergregionen erhalten geblieben. Es werden einige Motive aus der rustikalen Kultur der Bauern und Handwerker mit der Betonung ihrer Alltäglichkeit präsentiert. Als Gegengewicht wird gezeigt, wie die verschiedenen Feiertage einst begangen wurden. Man kann hier Volkstrachten, Möbel und Keramik bewundern. Die Leiterin der ethnografischen Abteilung Jirina Langhammerova hat das Szenario der Ausstellung vorbereitet. Sie sagte während der Führung durch die Ausstellungssäle:

"Jeder der Säle ist auch in anderen Farben getönt. Im Unterschied zum Saal, wo die Farbe des Waldes betont wurde, herrscht im nächsten Saal beispielsweise die helle Farbe der Felder, die Farbe der Ernte vor. Anders wurde wieder der Raum gestaltet, in dem die Arbeit der Handwerker vorgestellt wird, die eine besondere Ausbildung fordert. Hier werden die Farben Indigoblau und Terracota als Symbole der Textil- und Keramikhersteller benutzt. Es werden hier auch Meisterbriefe oder andere Urkunden ausgestellt, die von der Schulung des bestimmten Handwerkers zeugen."

Unsere Vorfahren konnten nicht nur weben, Holz schnitzen und vieles mehr, sondern sie konnten auch leben und feiern, sagt Jirina Langhammerova bei der Besichtigung eines weiteren Saals:

"In diesem Raum stellen wir die sozusagen feierlichsten Werte vor. Dazu gehören die Volkstrachten, die an Feiertagen getragen wurden. Hier wird der Augenblick gezeigt, in dem die Menschen nach der Sonntagsmesse aus der Kirche kommen. Untermalt wird es mit dem Klang von Kirchenglocken."

In Form eines Dioramas in Lebensgröße wird eine ganze Bauernstube präsentiert, die aus Ruzyne stammt. Heute ist Ruzyne Bestandteil von Prag, dort befindet sich auch der Prager Flughafen.

"Heute ist sich kaum jemand dessen bewusst, dass sich in dieser Region unweit von Prag prachtvolle Güter befanden. Heute wurde dieses Gebiet in einen internationalen Flughafen umgewandelt. An dieser Stube sieht man, dass die Bauernkultur nicht einfach war. In diesem Fall handelte es sich um reiche Gutsbesitzer, die imstande waren, die traditionelle rustikale Kultur auf ein höheres Niveau zu heben und auch die Impulse der städtischen Kultur auszunutzen. Wir hielten es für wichtig, dieses Beispiel vorzustellen."

Im nächsten Teil der Ausstellung kann sich der Besucher mit den geistlichen Traditionen des Landes vertraut machen. Die Werte der Naturmagie mischen sich in den Volksbräuchen manchmal mit den christlichen Werten. Besichtigen kann man unter anderem Faschingsmasken, Ostereier, Osterruten sowie durch das Evangelium inspirierte Volksbilder. Mit der Weihnachtszeit und den damit verbundenen Bräuchen befasst sich ein weiterer Teil der Ausstellung. Nicht übersehen kann man einen in Naturgröße dargestellten Hochzeitsumzug mit Gästen in Volkstrachten.

Im Erdgeschoss des Sommerschlosses können sich die Besucher mit der Arbeit von Handwerkern hautnah vertraut machen. Ihr Können werden hier Handwerker vorführen, die in ihrem Fach zur Spitze gehören.

Das "Musaion" ist täglich außer montags von Mai bis September von 10 bis 18 und von Oktober bis April von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Das Musaion liegt im Kinski-Park in Prag-Smichov.

Fotos: Autorin