Museum in Kyjov zeigt die „Geheimnisse der Langobarden“

Foto: Martina Schneibergová

Etwa 40 Kilometer südöstlich von Brünn liegt Kyjov. Die Stadt, die als Folklorezentrum der Region Slovácko / mährische Slowakei bekannt geworden ist, hat vor kurzem die Aufmerksamkeit aller derjenigen geweckt, die sich für die Geschichte interessieren. Archäologen haben in der Stadt eine Grabstätte der Langobarden gefunden. Der überraschende Fund zeugt davon, dass die Region von Kyjov vor Jahrhunderten wahrscheinlich eines der bedeutendsten Zentren der Langobarden in Mitteleuropa gewesen ist. Eine Ausstellung mit dem Titel „Geheimnisse der Langobarden“ präsentiert die bisherigen Resultate der Ausgrabungen in Kyjov.

Das Museum in Kyjov hat seinen Sitz seit Jahren in einem Renaissanceschloss im Stadtzentrum. Die Ausstellung über die Geheimnisse der Langobarden findet man jedoch im neuen Gebäude des Museums gleich neben dem Schloss. Den Ausstellungssaal dominiert das stilisierte Grab einer Frau – offenbar einer langobardischen Adeligen. An den Wänden hängen Großformatfotos von den Ausgrabungen. Rundherum in den Vitrinen gibt es Schmuck, Keramik, Waffen und Alltagsgegenstände. Fast 1500 Jahre lang lagen sie unter der Erde. Im Juni 2010 stießen die Archäologen beim Bau eines Supermarkts auf die Gräber. Jaromír Šmerda vom Masaryk-Museum in Hodonín leitete damals das Archäologenteam. Die Ausgrabungen wurden ein halbes Jahr durchgeführt. Die Funde haben die Experten sehr überrascht.

„Wir haben am Anfang erwartet, auf slawische Gräber zu stoßen. Aber die ersten Gegenstände, die wir gefunden haben – Schmuck sowie Keramik – zeugten davon, dass es sich um Gräber der Langobarden handelte. Dies haben wir vor allem anhand der gefundenen Spangen erkannt, mit denen die langobardischen Frauen ihre Kleider zusammengeheftet haben. In den Gräbern der Männer lagen die verschiedensten Waffen. Der überhaupt erste Gegenstand, den wir gefunden haben, war ein Behälter aus Keramik. An der Form und den typischen Verzierungen haben wir erkannt, dass es wirklich um etwas Einzigartiges geht.“

Foto: Martina Schneibergová
Da die Gräber oftmals kurz nach der Bestattung ausgeraubt wurden, sind die Funde von Kyjov umso wertvoller. Insgesamt wurden bei der Ausgrabung rund 240 Gräber gefunden, sagt Šmerda:

„Die Zahl ist nicht präzise, weil es sich in einigen Fällen um kleine Gräber oder um Gräber von Kindern handelte. Da ein Kinderskelett schneller zerfällt, wurde in einigen der Gräber nichts mehr gefunden. Anhand der bisherigen Erkenntnisse lässt sich sagen, dass die Funde aus dem 5. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts stammen. Die Grabstätte ist, im Vergleich zu anderen Grabstätten in Mitteleuropa, sehr groß. Wir nehmen an, dass die Langobarden hier wirklich lange gesiedelt haben. Die Region von Kyjov war damals höchstwahrscheinlich ein bedeutendes Zentrum des Stamms, das war uns vorher nicht bekannt.“

Bisher haben die Historiker angenommen, dass die Langobarden das Gebiet des heutigen Mährens im Jahr 568 verließen und Richtung Norditalien zogen. Diese Vorstellung soll nun korrigiert werden. Ein Teil des Stammes ist wahrscheinlich länger in Mitteleuropa geblieben. Die Funde von Kyjov werden künftig wohl auch in die Lehrbücher einfließen, meint der Archäologe. Nach Abschluss der Ausgrabungen nahm er sich vor, binnen zwei Jahre eine Ausstellung über die Fundstätte zu präsentieren.

„Die Funde werden noch immer ausgewertet. Es geht nicht nur darum, die Gegenstände auszugraben, sie müssen auch alle konserviert werden. Davor aber werden eine Analyse sämtlicher Gegenstände, der menschlichen Skelette sowie der gefunden Tierknochen durchgeführt. Auf diese Weise sammeln wir viele Informationen.“

Die Ausstellung at der Archäologe absichtlich „Geheimnisse der Langobarden“ genannt, denn es gebe noch viele Fragen, die man erst nach der vollständigen Auswertung der Funde und selbst dann nur teilweise beantworten könne. Es wurde zwar eine große Grabstätte gefunden, aber von einer Siedlung der Langobarden weiß man bisher nichts – weder, wo sie sich befand noch wie sie aussah. Ein Rätsel sei zudem, woher genau die Langobarden kamen, die sich in Mähren niederließen, sagt Šmerda:

„Dies alles kann erst nach einer Analyse der Knochen beantwortet werden. Sehr hilfreich ist dabei die so genannte ´Strontiumisotopenanalyse´. Strontium wird mit der Nahrung aufgenommen und lagert sich in den Knochen und Zähnen ab. Bei der Analyse wird der Gehalt verschiedener Strontium-Isotope in den Fundstücken analysiert. Dadurch lässt sich ein Gegenstand einer bestimmten Region zuordnen. Auf diese Weise lässt sich feststellen, ob ein Mensch aus dem mittleren Deutschland nach Mähren kam oder ob er hier geboren wurde.“

Das zentrale Exponat der Ausstellung vermittelt eine Vorstellung von einem Frauengrab der Langobarden. Die Verstorbene trage ein sehr typisches Kleid, sagt der Archäologe.

„Es ist natürlich nur eine Nachbildung. Denn nie wurde in einem Grab ein erhalten gebliebenes Kleid gefunden. Aber wir haben an den Metallgegenständen Textilfragmente entdeckt. Je mehr Metallgegenstände, desto mehr Textilfragmente. Typisch für die Frauenbekleidung waren zwei kleinere Spangen, mit denen das Kleid auf der Brust zusammengehalten wurde. Zwei größere Spangen fanden sich auf dem Gürtel. Beispiele der Originalspangen sind in einer der Vitrinen zu sehen. Sie wurden auch mit Edelsteinen geschmückt, so fanden wir in Kyjov an den Spangen beispielsweise einen Almandin, er gehört zur Gruppe der Granate. Die Frauen trugen häufig Halsketten aus Glasperlen, die verschiedene Farben hatten. Die größten Glasperlen schmückten auch den Gürtel. Zu sehen sind hier zudem verschiedene Gürtelschnallen – aus Bronze sowie aus Eisen. Die eisernen Gegenstände sind jedoch in keinem guten Zustand und sehen nicht so schön aus wie andere Exponate.“

Die Ausstattung aus den Frauengräbern ist für die Besucher besonders attraktiv, meint der Archäologe. Einige der großen Kämme, die in der Ausstellung zu sehen sind, stammen seinen Worten zufolge aber aus Männergräbern. Es scheint, dass die Langobarden ihr Haar entsprechend gepflegt haben.

„Aus den Frauengräbern zeigen wir hier auch einige untypische Gegenstände. Es sind lange Messer, die wir ´mečíky´ also kleine Schwerter nennen. Es wird vermutet, dass sie beim Weben benutzt wurden, genauso wie eine große Schere, die wir gefunden haben.“

In einigen der Gräber fanden die Archäologen auch Fragmente von Tierskeletten. Manche der Langobarden – wahrscheinlich besonders wichtige Kämpfer oder Führer – wurden sogar mit ihren Pferden, Hunden oder Raubvögeln bestattet.

Die Ausstellung „Geheimnisse der Langobarden“ erfreut sich einem großen Besucherinteresse. Im Rahmen des Begleitprogramms wurde im Museum unter anderem ein Wettbewerb für Kinder veranstaltet. Ihre Aufgabe war es ein Kunstwerk zur Geschichte der Langobarden zu entwerfen. Einige der besten Entwürfe sind im Museum zu sehen.

Die Ausstellung ist im Museum in Kyjov noch bis zum 28. Februar zu sehen. Danach wird sie im Museum in Veselí nad Moravou und später in Hodonín gezeigt. Auch einige ausländische Institutionen haben mittlerweile ihr Interesse an der Ausstellung signalisiert.

Fotos: Martina Schneibergová

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