Mut und Wahrheit. Zum 155. Geburtstag von Tomas Garrigue Masaryk
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus ist an diesem Montag genau zwei Jahre im Amt. Auf den gleichen Tag fällt aber auch ein Jubiläum des Präsidenten, der in der Erinnerung der Tschechen alle seine Nachfolger überragt und bis heute als Vater des Staates gilt. Tomas Garrigue Masaryk, das erste Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei, wäre am Montag dieser Woche 155 Jahre alt geworden. Thomas Kirschner erinnert an einen Staatsmann und Philosophen.
Als Tomas Garrigue Masaryk 1934 zum vierten Mal den Präsidenteneid ablegte, hatte er bereits einige Probleme mit den kleingedruckten Buchstaben, wie eine historische Aufnahme belegt:
Masaryk war zu diesem Zeitpunkt bereits 84 Jahre alt. 16 Jahre hatte er an der Spitze der Tschechoslowakei gestanden, des Staates, den er aus den Trümmern der Donaumonarchie selbst errichtet und zu einer der seinerzeit stabilsten Demokratien in Europa gemacht hatte. Auch wenn das Augenlicht nachließ - in seinem Ansehen stand der auch noch im hohen Alter hochaufgerichtete, asketische wirkende Masaryk auf dem Höhepunkt. Nicht nur für Tschechen und Slowaken, sondern auch für Deutsche, Juden, Ruthenen und die anderen Nationalitäten in der Vorkriegs-Tschechoslowakei verkörperte Masaryk den Staat wie auch das Versprechen, in diesem verträglich miteinander leben zu können. Was der Gründervater der Tschechoslowakei noch für die Gegenwart bedeuten kann, fragten wir den Historiker Michal Pehr vom Masaryk-Institut an der Akademie der Wissenschaften.
"Vor allem halte ich Masaryk für einen großen Denker, Philosophen und Soziologen, aber auch Politiker. Wenn Sie mich aber fragen, was ich an der Person Masaryks am höchsten schätze, dann ist das sicher sein Mut, die Wahrheit zu sagen. Und das ist für heute wohl sein wertvollstes Vermächtnis: Mut haben. Den Mut, das zu sagen, wovon ich überzeugt bin."
Bereits als junger Hochschullehrer hatte der 1850 im südmährischen Hodonin / Göding geborene Masayrk mehrfach in Aufsehen erregender Weise für die Wahrheit und gegen die Mehrheitsmeinung Stellung genommen: So hatte er sich daran beteiligt, vorgebliche mittelalterliche Handschriften, die als einzigartige tschechische Sprachdokumente gefeiert wurden, als Fälschung zu entlarven. Und in der so genannten Hilsneriade des Jahres 1899, in der ein Jude des Ritualmords bezichtigt wurde, sprach sich Masaryk gegen rassische und religiöse Mythen aus. Als Präsident war Masaryk durch seine Integrität weit mehr als nur ein Amtsträger, betont auch der Historiker Michal Pehr:"Durch seine Persönlichkeit und sein Charisma hat Masaryk die eigentlichen Kompetenzen seines Amtes überstiegen und als Präsident weit über seine Amtsausübung hinaus gewirkt. Vielleicht wird seine Präsidentschaft einmal als Masaryk-Ära bezeichnet werden, denn er hat in entscheidender Weise die Erste Republik der Zwischenkriegszeit beeinflusst."
Wie diese Erste Tschechoslowakische Republik im nationalsozialistischen Terror endete, hat Masaryk nicht mehr miterleben müssen. Als Präsident trat er 1935 zurück, zwei Jahre später ist Tomas Garrigue Masaryk im Alter von 87 Jahren gestorben.