Die Brünner Villa Tugendhat ist der einzige moderne Bau in Tschechien, der auf der Weltkulturerbeliste der Unesco steht. Das funktionalistische Bauwerk ist mit einzigartigen Originalmöbeln ausgestattet. Eine wichtige Rolle im Interieur spielen die Trennwände. Die Trennwand aus seltenem Makassar-Holz, die eines der Symbole der Villa war, ist allerdings seit 1940 verschwunden. Jahrzehnte lang hielten die Experten sie für verloren. Vor kurzem wurde die Wand jedoch wiedergefunden: in der Mensa der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Brünn.
Villa Tugendhat (Foto: CzechTourism)
Die Villa wurde vom namhaften Architekten Ludwig Mies van der Rohe für den Brünner Industriellen Fritz Tugendhat und seine Familie erbaut. 1930 bezogen die Tugendhats ihr Haus. Sie konnten die Villa jedoch nicht lange nutzen. Im Mai 1938 mussten sie Brünn verlassen. Sie waren eine der ersten jüdischen Familien aus Brünn, die in die Emigration ging. 1939 wurde das Haus von der Gestapo beschlagnahmt und als deutsches Eigentum an Walter Messerschmidt vermietet. Er ließ die ersten Änderungen in der Villa durchführen. 1940 wurde unter anderem eine wertvolle Wand aus Makassar-Holz in S-Form entfernt, die das Speisezimmer abtrennte.
Kopie der Trennwand (Foto: Martina Schneibergová)
Seit dem vergangenen Jahr wird die funktionalistische Villa renoviert. Die Restauratoren ließen dabei eine Kopie der seltenen Trennwand anfertigen. Der Brünner Kunsthistoriker Miroslav Ambroz machte jedoch eine überraschende Entdeckung. Ein großer Teil der Wand aus dem exotischen Holz befand sich in der Mensa der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Brünner Universität. Architekt Vladimír Ambroz ist Bruder des glücklichen Entdeckers und beteiligt sich an der Instandsetzung des Interieurs der Villa Tugendhat. Über den Fund seines Bruders sagt er:
Villa Tugendhat in den 1930er Jahren
„Es war langjährige Arbeit. Er stieß auf ein Tagebuch, das ein deutscher Soldat während des Kriegs in Brünn geführt hat. Als Anhänger der modernen Architektur erwähnte der Soldat dort auch die Beseitigung der Trennwand aus der Villa. Im Tagebuch beschrieb der Soldat, wo die Wand hintransportiert wurde. Mein Bruder erkannte, dass es sich um das Gebäude handelt, in dem heute die rechtswissenschaftliche Fakultät den Sitz hat. Als er die Wand dann in der Mensa fand, war er sehr überrascht. Ich glaube, dass niemand zuvor dieses Juwel entdeckt hat, weil die einzelnen Teile der Wand dort horizontal gelegt wurden. Keinem fiel ein, dass es die Wand aus der Villa Tugendhat sein könnte. Erst er hat sich damit intensiv beschäftigt, und dieses Juwel gefunden.“
Wand aus Makassar-Holz in den 1930er Jahren
Die Originalwand sei in den 1940er Jahren in einzelne Teile zerlegt worden, erzählt Ambroz. Und mit den Stücken aus Makassar-Holz sei die Wand des großen Raums verblendet worden. Man habe sich darüber damals nicht gerade den Kopf zerbrochen, meint der Architekt:
„Die Stücke aus Makassar-Holz sind aber erstaunlicherweise nach den vielen Jahren in einem guten Zustand. Es besteht eine große Chance, sie wieder in der Villa zusammenzusetzen.“
Um zu belegen, dass es sich wirklich um die Originalwand handelt, verglich der Kunsthistoriker Ambroz die Wandteile aus der Mensa mit Fotos aus der Villa von 1930. Dazu sein Bruder, der Architekt Ambroz:
„Das Furnier ist so etwas wie ein Fingerabdruck. Entweder ist das Dekor gleich oder nicht. Die Fotos haben die Echtheit bestätigt.“
Im Gebäude der rechtswissenschaftlichen Fakultät hatte während des Kriegs die Gestapo ihren Sitz. Die heutige Mensa diente zu der Zeit als Festsaal. Die wertvolle Wand wurde vermutlich für die Täfelung des Saals benutzt. Nun soll die wiedergefundene Trennwand nach ihrer Restaurierung schon bald wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren. Wenn alles klappt, werden die Besucher sie bereits im kommenden Jahr zur Wiedereröffnung der Villa Tugendhat bewundern können.