Nach den EU-Wahlen: In Tschechiens Innenpolitik stehen die Zeichen auf Sturm
Nach dem schlechten Abschneiden der tschechischen Regierungsparteien bei der Wahl zum Europaparlament gehen die Diskussionen auf innenpolitischem Parkett mit unverminderter Härte weiter. Noch ist nicht klar, welche Konsequenzen das Wahlergebnis konkret noch mit sich bringen wird, eine Erschütterung der politischen Landschaft bedeutet dieses aber bereits jetzt. Mehr von Gerald Schubert:
"Die ungenügende Diskussion, wenn nicht sogar die Tabuisierung der Diskussion über die wirklichen Probleme in der EU - sowohl bei uns als auch überall anders in Europa - hat fast notwendig zu diesem Ergebnis geführt. Mit der niedrigen Wahlbeteiligung wurden die Euronaivität sowie die Verteidiger des derzeitigen EU-Kurses geschlagen."
Doch es wäre nicht Klaus, würde er nicht auch den innenpolitischen Charakter der sozialdemokratisch angeführten Regierung betonen:"Auch wenn das keine tschechische Parlamentswahl war, so werden die Ergebnisse doch ihre innenpolitischen Auswirkungen haben. Ob sich das nun jemand wünscht oder nicht."
Premierminister Vladimír Spidla hat indes die Wahlniederlage eingestanden. An seinem politischen Projekt will der Regierungschef jedoch festhalten:
"Der Kampf um den Sozialstaat geht natürlich weiter. Es geht der Kampf gegen Schulgebühren weiter, der Kampf für ein allgemein zugängliches Gesundheitswesen, für einen Erhalt öffentlicher Dienstleistungen, und so weiter und so fort. Das ist ein Kampf, der niemals endet, und wir müssen in führen - glaubwürdig und mit ganzem Einsatz."Ganz leicht wird dies jedoch nicht sein. Denn die Regierungspartner von der liberalen Freiheitsunion haben mit einem Stimmenanteil von unter zwei Prozent ein regelrechtes Fiasko erlitten. In der Partei gärt es, die knappe Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus ist nach der Europawahl unsicherer denn je. Petr Mares, Chef der Freiheitsunion:
"Ein Misserfolg ist unserer Meinung nach der niedrige Stimmenanteil für unsere Kandidatenliste, aber auch die außergewöhnlich niedrige Wahlbeteiligung und der sich daraus ergebende Erfolg der Kommunisten. Der Parteivorstand der Freiheitsunion hat meinen Rücktritt zur Kenntnis genommen, der am, 26. Juni wirksam wird."Die Christdemokraten, die mit neuneinhalb Prozent von allen Regierungsparteien noch am erfolgreichsten abgeschnitten hatten, beruhigen einstweilen: Die Verhältnisse im tschechischen Parlament, so Parteichef Miroslav Kalousek, seien noch dieselben wie vor der Wahl. Die Kommunisten hingegen können sich durchaus einen Regierungswechsel vorstellen: Sie würden nämlich eventuell eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unterstützen, meint der Parteivorsitzende Miroslav Grebenicek. An deren Spitze dürfe dann aber nicht Vladimír Spidla stehen. Die ODS wiederum will im Parlament einen Misstrauensantrag stellen, aber zum Ausrufen von Neuwahlen hat niemand genug Kraft.
Für Tschechien heißt dies alles derzeit nur, dass selbst die allernächste politische Zukunft sehr ungewiss ist.