Neuauflage der sozialliberalen Koalition? Verhandlungen haben begonnen

Premierminister Stanislav Gross (links) und Finanzminister Bohuslav Sobotka (Foto: CTK)

Ende voriger Woche ließ Premierminister Stanislav Gross mit einer Idee aufhorchen, wie die sozialliberale Drei-Parteien-Koalition Tschechiens trotz der derzeitigen Regierungskrise weiter arbeiten könnte: Gross erklärte sich bereit, einem neuen Regierungschef Platz zu machen, doch sollten auch die Koalitionspartner seiner Sozialdemokratischen Partei neue Leute ins Kabinett schicken. Derzeitiger Stand der Dinge: Alle drei Parteien, also Sozialdemokraten (CSSD), Christdemokraten (KDU-CSL) und Liberale (US-DEU), wollen über den Vorschlag verhandeln, momentan gibt es aber noch jede Menge Streitpunkte. Gerald Schubert berichtet:

Parteichef der Christdemokraten,  Miroslav Kalousek  (links) und Cyril Svoboda  (Foto: CTK)
Pro-europäisch und nichtkommunistisch. Das sind die beiden Attribute, die derzeit am häufigsten zu hören sind, wenn Politiker der auseinander fallenden Koalition über die Grundzüge einer möglichen weiteren Regierungszusammenarbeit sprechen. Am Sonntagabend begannen die Koalitionsspitzen über den Vorschlag von Gross zu verhandeln, demzufolge die bisherigen drei Regierungsparteien mit neuen Gesichtern weitermachen sollen. Im Anschluss an die Beratungen sagte Miroslav Kalousek, Parteichef der Christdemokraten:

"Wir haben unsere Standpunkte darüber ausgetauscht, auf welche Weise eine solche Regierung funktionieren könnte, und zu welchen Bedingungen eine Mehrheit im Parlament für sie möglich wäre - eine Mehrheit auf Basis der pro-europäischen, nichtkommunistischen Parteien, also der Sozialdemokraten, der Christdemokraten und der Freiheitsunion. Am Dienstag wird weiter verhandelt."

Soweit Miroslav Kalousek, der Chef der Christdemokraten, der wegen undurchsichtiger Privatgeschäfte von Gross stets am lautesten die Ablösung des Regierungschefs gefordert hatte. Ähnlich äußert sich Pavel Nemec, Chef der liberalen Freiheitsunion:

"Alle drei Parteien wollen darüber verhandeln, wie eine Regierung entstehen kann, deren Aufgabe in erster Linie die Ratifizierung der Europäischen Verfassung ist, und die sich im Parlament auf die demokratischen Parteien stützen kann."

Ob jedoch dieser kleinste gemeinsame Nenner zur Bildung eines neuen Kabinetts ausreichen wird, ist fraglich. Premier Gross meint, mit den nunmehrigen Verhandlungen wurden keineswegs ausgetretene Pfade beschritten, sondern völliges Neuland. Und seine Verbitterung über die bisherigen Partner ist noch deutlich zu hören:

"Wir bauen sozusagen auf der grünen Wiese. Die Christdemokraten haben die bisherige Koalition einseitig zerschlagen. Jetzt versuchen wir ein Modell zu finden, das nach dieser Erfahrung überhaupt noch möglich ist."

Teil dieses Modells: Die Christdemokraten sollten ihre bisherigen drei Minister für das neue Kabinett nicht mehr nominieren. Eine Bedingung, auf die diese derzeit nicht eingehen wollen. Sicher scheint nur: Neuer Premierminister soll der Sozialdemokrat Jan Kohout werden, der Botschafter Tschechiens bei der EU. Ein Kabinett Kohout ist momentan aber nicht in Sicht.