Neue Mobilitätskonzepte sind auch für Tschechien interessant

Elektrosmart

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland sind traditionell sehr intensiv. Für den Ausbau und die Verbesserung dieser Beziehungen engagiert sich vor allem die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK). Die Kammer ist erster Ansprechpartner für Unternehmen, die Geschäftsverbindungen länderübergreifend aufbauen wollen. Sie setzt zudem Schwerpunkte im Erfahrungsaustausch der Unternehmer beider Länder. In diesem Jahr hat sich die Kammer ganz besonders dem Thema Energieeffizienz und Mobilität verschrieben. Radio Prag hat darüber mit der Stellvertretenden Geschäftsführerin der Institution, Mirjam Schwan, gesprochen.

Mirjam Schwan
Frau Schwan, weshalb ist die Energieeffizienz in Tschechien auch in diesem Jahr wieder ein Kernthema für die DTIHK? Wird das Energiesparen in Tschechien noch zu stiefmütterlich behandelt?

„Grundsätzlich kann man ja sagen, dass das Thema Energieeffizienz sowohl in der Industrie als auch in privaten Haushalten und im Handel ein großes Thema ist. Tschechien ist was die Statistik anbelangt ein Land, in dem relativ wenig sparsam mit Energie umgegangen wird. Und da es eben ein Thema für Industrie und Handel ist, ist es auch ein Thema für die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer.

Wir haben im Jahr 2010 bereits das Thema Energieeffizienz als Jahresthema gewählt. Dieses Jahr fahren wir damit fort, weil wir generell Themen, die die Wirtschaft betreffen, aufgreifen möchten. Zudem wollen wir Geschäftschancen für deutsche und tschechische Firmen identifizieren und diese Unternehmen dann auch durch unsere Beratungsleistungen zusammenbringen.

Illustrationsfoto: Europäische Kommission
Im Rahmen des Jahresthemas Energieeffizienz möchten wir also ganz konkret deutsche Firmen hierher nach Tschechien bringen. Wir werden dazu Konferenzen durchführen und individuellen Beratungsleistungen anbieten, weil wir wissen, dass in Tschechien ein Bedarf besteht. Er besteht deshalb, weil innovative Lösungen fehlen und tschechische Unternehmen auch daran interessiert sind, mit deutschen Firmen zu kooperieren.“

Wie und wo erziele ich gegenwärtig eine gute Energieeffizienz? Geht es darum, Energien mehrfach umzuwandeln beziehungsweise zu nutzen? Oder soll der Wirkungsgrad erhöht werden, also der Energieverlust minimiert werden?

Zahl der Absolventen des Ausbildungskurses zum European Energy Manager in EU-Ländern  (Quelle: EUREM.NET)
„Anwendungs- und Bedarfsfelder gibt es praktisch überall, sowohl die erste als auch die zweite Alternative, die Sie genannt haben, sind hier in Tschechien relevant. Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen, indem ich auf unsere Erfahrungen mit unserem berufsbegleitenden Ausbildungskurs zum European Energy Manager zurückgreife. In diesem Ausbildungskurs, den wir seit 2008 erfolgreich anbieten, sind Führungskräfte und Beschäftigte aus allen möglichen Industriezweigen vertreten: Techniker, Geschäftsführer, technische Leiter oder auch Facility Manager. Sie kommen sowohl aus dem Dienstleistungsbereich als auch aus den unterschiedlichsten Produktionsbereichen. Zu den Teilnehmern gehörten schon Vertreter von Siemens, Škoda Auto, Bosch oder Pilsner Urquell – also von großen Unternehmen, die bei uns auch Mitglied sind.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Behandelt werden Themen, bei denen es um die effiziente Nutzung von Energie geht, sowohl von Strom als auch Wärmeenergie. Aber auch ganz konkrete technische Anwendungen werden unter die Lupe genommen. Das Spezielle an unserem Kurs ist, dass die Teilnehmer nicht nur theoretisches Wissen lernen, sondern ihre Erfahrungen aus den Unternehmen einbringen und praktische Projekte erarbeiten, die schon während des Kurses oder danach in den einzelnen Firmen umgesetzt werden. Ich kann Ihnen auch schon einige Zahlen nennen: Zwölf Teilnehmer, die den vorjährigen Kurs bestanden haben, haben Projekte erarbeitet, mit denen der CO2-Ausstoß pro Jahr insgesamt um 250.000 Tonnen gesenkt werden kann. Daraus ergeben sich Einsparungen von insgesamt 253.200 Megawatt Energie und finanziell von 11,3 Millionen Euro. Es gibt also ein ganz konkretes Potenzial, was umgesetzt wird oder in Zukunft auf jeden Fall angepackt werden wird.“

Elektroauto
Aus einigen Projekten, die sie (DTIHK) unterstützen, geht hervor, dass Energieeffizienz auch stark einhergeht mit der Einsparung von Ressourcen (Rohstoffen) und ebenso mit einer Energieerzeugung, bei der ökologische Aspekte eine große Rolle spielen. Stichwort: Elektroautos. Weshalb unterstützen die DTIHK und die hinter ihr stehenden Firmen zum Beispiel den Bau und die weitere Entwicklung von Elektroautos und elektrischen Ladestationen?

„Wir haben dieses Jahr zusätzlich zum Fokus Energieeffizienz noch den Aspekt der Mobilität hinzugenommen. Damit ist aber nicht nur die Elektromobilität gemeint, sondern wir spielen damit auch auf alternative Mobilitätskonzepte an, die sowohl durch Elektroantriebe als auch mit anderen alternativen Technologien, zum Beispiel mit Gastechnologien oder Hybridantrieben, erreicht werden können. Es geht uns hier generell darum, dass wir die Möglichkeiten zu alternativen und auch integrativen Mobilitätskonzepten aufzeigen wollen, sowohl auf der unternehmerischen als auch der kommunalen Ebene. Nehmen wir zum Beispiel die Elektroautos. Sie sind für private Nutzer nicht unbedingt so attraktiv, weil gerade die Investition sehr hoch ist. Es gibt aber öffentliche Fahrzeugflotten im Bereich Polizei, der kommunalen medizinischen Versorgung oder auch der Verkehrsbetriebe – für solche Anwender sind diese Elektroautos interessant. Und da gibt es einige Beispiele aus Deutschland, die wir auf dieser Ebene auch hier schon gezeigt haben. So war im Dezember letzten Jahres eine Gruppe von Experten und Unternehmen aus Sachsen bei uns, die sich zum Thema Mobilitätskonzepte und Elektromobilität mit tschechischen Vertretern hier zur Diskussion getroffen hat, zu einem Round-Table-Gespräch. In Deutschland gibt es zudem eine Initiative der Bundesregierung, den nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität. In diesem Plan sind auch die einzelnen Bundesländer und Kommunen aufgerufen, Konzepte umzusetzen. Auf Städte-Ebene könnte ich Dresden und Leipzig als Beispiel nennen, wo das schon funktioniert. Hierbei gibt es auch Finanzierungsmöglichkeiten, und wenn man sie richtig aufschöpft, wäre so etwas natürlich auch für Tschechien interessant. Das tschechische Programm ´Zelená úsporám´ war bereits ein sehr effizientes Programm, was den Einsatz von Technologien für die Energieeffizienz anbelangt. Weitere solcher Programme wären natürlich sehr wichtig für Tschechien.“

Elektrosmart
Sie haben konzeptionelle Beispiele der Elektromobilität aus Deutschland genannt, die man jetzt in Tschechien anwenden will. Kann man sagen, dass Tschechien da noch in den Kinderschuhen steckt, was diese Problematik anbelangt?

„Es gibt auch schon einige Beispiele in Tschechien. Erst kürzlich sind zum Beispiel einige Strom-Ladestationen eröffnet worden. In einigen Kommunen werden gasbetriebene Busse oder Elektrobusse eingesetzt. Und es gibt auch schon Beispiele, bei denen einzelne Energieversorger mit kommunalen Einrichtungen zusammenarbeiten und diesen dann Flotten zur Verfügung stellen. So haben E.ON und Mercedes jetzt eine Elektrosmart-Flotte hier in Prag, die sie auch unterschiedlichen Unternehmen zur Verfügung stellen, um erst einmal Werbung für dieses Thema zu machen. Aber sicher ist das alles in Tschechien noch nicht soweit fortgeschritten wie in Deutschland. Das liegt auch daran, dass es keine übergeordneten Initiativen auch auf Regierungsebene gibt, um solche Innovationen und Entwicklungen zu fördern.“

Illustrationsfoto: Europäische Kommission
Zu Ihrem Jahresthema Energieeffizienz ist – wie bereits erwähnt – in diesem Jahr auch das Thema Mobilität hinzugekommen. Und wir sprechen da nicht nur von der fahrbaren Mobilität, sondern auch von der Mobilität am Arbeitsmarkt. Also von einem hochaktuellen Thema, da am 1. Mai auch die Ausnahmeregelungen für die Freizügigkeit tschechischer Arbeitnehmer in Deutschland und Österreich aufgehoben werden. Was ergibt sich daraus?

Illustrationsfoto: Europäische Kommission
„Das Thema Mobilität weckt jetzt natürlich auch die Assoziation zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Man kann Mobilität aber auch noch physiologisch verstehen, also wie beweglich sind ältere Menschen. Das war zum Beispiel ein Thema, das wir erst jüngst mit der Firma Bayer besprochen haben. Die Firma Bayer zeigt ein aktives Interesse an unserem Jahresthema, denkt dabei aber in eine ganz andere Richtung.

Am 1. Mai wird die Übergangsregelung endgültig wegfallen, so dass Arbeitnehmer aus Tschechien nun auch in Deutschland und Österreich unbeschränkt tätig werden können. Wir als Kammer denken aber, dass das keine größeren Auswirkungen haben wird auf die Bewegungen tschechischer Arbeitnehmer nach Deutschland. Allein deshalb nicht, weil seit 2009 Hochschulabsolventen ohnehin schon von dieser Regelung ausgenommen sind. Aus unserer Sicht ist kein großer Schub zu erwarten, also keine plötzliche und massenweise Abwanderung tschechischer Arbeitnehmer nach Deutschland. Das sehen wir nicht.“