Vor der Heizsaison: Tschechien ohne russisches Gas, aber mit Alternativen

Erdgasspeicher

Bereits jetzt, im Spätsommer, gehen die Blicke auf die anstehende Heizsaison. Während vor einem Jahr in Europa die große Angst herrschte, weil Putin den russischen Gashahn zudrehte, herrscht derzeit eher Zuversicht. Dennoch warnt der tschechische Regierungsbeauftragte für die Energiesicherheit, dass ein weiterer schwieriger Winter bevorstehen könnte.

Seit Beginn dieses Jahres hat Tschechien keinen einzigen Kubikmeter russisches Gas mehr importiert. Was im vergangenen Jahr mit der Erpressung durch den Kreml-Machthaber Putin begann, ist in einen Abnabelungsprozess der meisten EU-Staaten gemündet. Bereits Mitte Juli hatte der tschechische Industrieminister Jozef Síkela (parteilos) nach einer Regierungssitzung gesagt:

Jozef Síkela | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

„Alles Erdgas, das wir derzeit nach Tschechien importieren, läuft durch Deutschland. Die Lieferungen aus Russland wurden durch Flüssiggas aus Belgien und den Niederlanden sowie Gas aus Norwegen ersetzt. Obwohl sich der Umfang dieser Importe nach Deutschland deutlich erhöht hat, sank die Gesamtmenge der Gas-Einfuhren in unser Nachbarland in der ersten Hälfte 2023 im Jahresvergleich um 26 Prozent.“

Laut Síkela ist daher auch der Gashandel in Tschechien geschrumpft, und zwar um 23 Prozent. Da aber die Haushalte hierzulande ihren Verbrauch drosselten, seien die Verluste aufgefangen worden, so der Minister:

„Gerade dies hat entscheidenden Einfluss darauf, dass wir auch ohne Einfuhren aus Russland gut aufgestellt sind.“

Denn derzeit sind die tschechischen Gasspeicher voller als noch vor Jahresfrist. Die Daten lassen sich online verfolgen (www.zasobyplynu.cz), am Montag lag die Befüllung bei fast 96 Prozent der Gesamtkapazität.

Auch der Beauftragte der Regierung für die Energiesicherheit, Václav Bartuška, blickt vergleichsweise zuversichtlich auf die anstehende Heizsaison. Dennoch mahnt er zu Vorsicht…

Gaspipeline Gazela | Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik

„Ich habe immer gesagt, dass sich die ganze EU seit dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf insgesamt drei schwere Winter einstellen muss. Den ersten und schwierigsten haben wir bereits hinter uns. Aber vor uns liegen noch zwei weitere. Da kann vieles passieren, inklusive eines Anschlags auf die Energie-Infrastruktur. In zwei Wochen jährt sich der Angriff auf die Nord-Stream-Pipelines 1 und 2“, so Bartuška am Montag in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Allerdings deutet der Regierungsbeauftragte auch an, dass sich die EU-Staaten der Gefahr bewusst sind und entsprechende Maßnahmen ergriffen haben:

„Sie können mir glauben, dass sich seit vergangenem Herbst vieles gewandelt hat. Sowohl die Mitgliedsstaaten der EU als auch der Nato sind in der Nord- und Ostsee, aber auch anderswo in Europa, in dieser Hinsicht aktiver als noch vor einigen Jahren.“

Zugleich baut Tschechien seine Anbindung an die LNG-Terminals an der Küste von Nord- und Ostsee aus. Bereits seit einem Jahr fließt Flüssiggas aus dem niederländischen Eemshaven in das Land. Abgesprochen ist zudem die künftige Versorgung über das umstrittene Terminal auf Rügen und die Verbindungspipeline nach Lubmin…

Václav Bartuška | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

„Die Anbindung soll bis Ende des Jahres fertig sein. Aber wir haben ja genügend Vorräte und sind auch schon so an die Niederlande, Deutschland und den Süden Europas angebunden. Daher denke ich, dass wir selbst bei einem Angriff auf die Infrastruktur die Folgen bewältigen dürften“, sagt Bartuška.

Einige Länder der EU beziehen jedoch weiterhin Erdgas aus Russland. Dazu gehören zum Beispiel Österreich und die Slowakei. Václav Bartuška betont aber, dass diese Mengen nur marginal seien und Moskau den größten Teil seiner Absatzmöglichkeiten in Europa verloren habe.

Autor: Till Janzer
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