Neue Stolpersteine erinnern an ehemalige jüdische Bewohner des Prager Stadtteils Čakovice

Das Projekt der Stolpersteine ist hierzulande sehr bekannt. Vorige Woche wurden im Prager Stadtteil Čakovice acht neue Exemplare feierlich enthüllt.

Kateřina Arnotová | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Stadtteil Čakovice liegt am nördlichsten Zipfel von Prag. Früher war das Gebiet eine selbständige Gemeinde. Fast im Zentrum des Ortes, an der Ecke der Dr. Marody-Straße und der Hauptverkehrsader Cukrovarská, versammelte sich am Mittwochabend eine Gruppe von Menschen. Sie stand vor einem Hauseingang, vor dem im Gehsteig drei neue kleine Gedenktafeln glänzten – die Stolpersteine. Diese erinnern ab sofort an drei ehemalige Bewohner des Hauses. Kateřina Arnotová (Stan) ist Prager Stadträtin und ehemalige Vizebürgermeisterin von Čakovice. Sie ist die Initiatorin der Stolpersteine für den Ort.

Dr. Marody-Straße | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„In diesem Haus lebte der Arzt Arnošt Marody. Er wurde 1941 nach Theresienstadt transportiert und wurde dort 1944 ermordet. Gemeinsam mit ihm wohnte in diesem Haus seine Frau Berta. Auch sie wurde nach Theresienstadt transportiert, und am 16. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet – genauso wie ihr damals 15-jähriger Sohn Leoš. Ich bin davon überzeugt, dass es notwendig ist, dieser Opfer zu gedenken. 80 Jahre sind keine allzu lange Zeit. Wir dürfen nie zulassen, dass sich so etwas wiederholt.“

Auf die Idee, die Stolpersteine in Čakovice zu installieren, kam Kateřina Arnotová ihren Worten zufolge vor etwa drei Jahren.

„Da Čakovice damals noch nicht zu Prag gehörte, war es schwieriger die Angaben über den genauen Wohnort der Bewohner zu finden. Ich werde hier aber die Namen von 18 jüdischen Bürgern vorlesen, die hier früher gelebt haben. Keiner von ihnen kehrte nach dem Krieg zurück. Das ist schrecklich. Es handelt sich um verschiedene Menschen: angefangen bei Arbeitern aus der Zuckerfabrik, die aus der Slowakei kamen und sich hier niederließen, bis zum Geschäftsmann Otto Gottfried, dessen Familie hier vermutlich schon lange lebte. Der einzige Name, der hier bekannt war, war der von Dr. Marody, nach dem eine Straße benannt wurde. Dies war für mich Anlass, zu forschen, ob es hier noch weitere jüdische Bewohner gab. Ich kontaktierte das Jüdische Museum in Prag. Und so konnte ich weitere Daten in den Archiven finden.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Nur einige Schritte entfernt vom Haus an der heutigen Hauptstraße, in dem früher Familie Marody lebte, befindet sich ein Kurzwarenladen. Ein Geschäft mit Textilien gab es dort schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Eingang macht Kateřina Arnotová auf zwei neue Stolpersteine aufmerksam.

„Vor diesem Haus treffen wir zusammen, weil hier Otta Gottfried mit seiner Frau Žofie gelebt hat. Er hatte hier einen Laden mit Bekleidung und Stoffen. Beide wurden 1941 von hier aus deportiert. Ihr Schicksal ist unbekannt.“

Drei weitere Stolpersteine wurden nahe eines Parks in der Straße Cukrovarskká enthüllt. Anstelle des Parks befand sich dort früher ein Bauernhof. Dort hat eins Mořic Hollender mit seiner Frau Růžena gearbeitet, erzählt Kateřina Arnotová:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Er wurde 1942 nach Theresienstadt verschleppt, dort starb er zwei Jahre später. Seine Frau wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Der Sohn Ivan kam 1942 in Theresienstadt zur Welt. Dort ist er als kleiner Junge gestorben.“

Für die musikalische Begleitung der Gedenkveranstaltung sorgten Schüler eines Gymnasiums aus dem Prager Stadtteil Holešovice. Sie kamen mit ihrem Lehrer František Tichý nach Čakovice. Tichý würdigt die Idee der Stolpersteine:

„Wir waren vor kurzem dabei, als einige Stolpersteine in Písek installiert wurden. Es ist schön, zu sehen, wie sich der Gedanke verbreitet. Ich finde es wichtig, an Menschen zu erinnern, die nie zurückgekehrt sind. Als ich mit einigen Zeitzeugen – Holocaust-Überlebenden – sprach, erzählten sie mir, dass sie trotz aller Grausamkeiten in Theresienstadt gelacht und gesungen haben.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Tichý verteilte an die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung Texte, damit sie die sogenannte Hymne von Theresienstadt mitsingen konnten. Das Lied von Karel Švenk habe den Gefangenen Hoffnung verliehen, so Tichý.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des deutschen Künstlers Günter Demnig, das 1992 begann. Die Tschechische Union der jüdischen Jugend half dabei, die Idee auch hierzulande zu verbreiten. Der erste Stolperstein wurde in Tschechien im Oktober 2008 in Prag gelegt. Jedes Jahr werden in der tschechischen Hauptstadt etwa 50 neue Stolpersteine verlegt.

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