Neuer Chef der Nationalgalerie: Der lange Weg von Kunsthistoriker Fajt
Es sei ein „Fajt“ gewesen, aber die Nationalgalerie habe einen neuen Generaldirektor - so launig kommentierte das Tschechische Fernsehen die Berufung des Kunsthistoriker Jiří Fajt zum Leiter der genannten Institution. Es war ein Wortspiel mit dem Namen des Wissenschaftlers und dem phonetisch gleichklingenden englischen Wort „fight“ (Kampf). Denn in der Tat war der Weg von Fajt an die Spitze der tschechischen Nationalgalerie lang und mühsam.
„Heute geht das Provisorium zu Ende, in dem sich die Nationalgalerie seit April 2013 befunden hat.“
Fajts Weg in die oberste Etage des bedeutendsten Kunstmuseums in Tschechien hatte allerdings schon weit vor 2013 begonnen. Insgesamt vier Kulturminister beschäftigten sich innerhalb von ungefähr vier Jahren mit der Frage, ob Jiří Fajt Generaldirektor der Nationalgalerie werden sollte. Dabei wurde gezögert und laviert, doch dafür war nicht etwa eine mangelnde fachliche Qualifizierung des Kunsthistorikers schuld.
1960 geboren, war Fajt ab 1988 bei der Nationalgalerie beschäftigt. 1995 übernahm er dort die Leitung der Sammlung alter Meister. Vier Jahre später gab er aber seinen Posten auf, nachdem mit Milan Knížák ein umstrittener neuer Chef die Nationalgalerieübernahm. Fajt wollte nach eigenen Worten einem unvermeidlichen Tauziehen mit dem autoritären Mann aus dem Weg gehen. Zehn Jahre lang war der Fachmann dann in Deutschland beschäftigt, vor allem als Hochschulpädagoge in Berlin und Leipzig. Er gilt als Experte für mittelalterliche und frühneuzeitliche Kunst Mittel- und Ostmitteleuropas. Daneben betätigte er sich als Kurator von bedeutenden Ausstellungen im In- und Ausland und veröffentlichte eine ganze Reihe von Fachpublikationen und wissenschaftlichen Artikeln.Trotz seines beruflichen Engagements in Deutschland interessierte sich Fajt weiter für die Kunstszene seiner Heimat. Auch in der Debatte über die Stellung und Zukunft der Nationalgalerie äußerte er sich, und das häufig kritisch. 2009 gab der neue Kulturminister Václav Riedlbauch neue Impulse für einen Umgang mit der altehrwürdigen Institution. Eine seiner Ideen war, der Nationalgalerie eine internationale Dimension zu verleihen. Bei einem Großteil der einheimischen Kunstszene hierzulande stieß dies auf positive Resonanz. Ebenso bei Fajt.
2010 setzte Minister Riedlbauch eine Kommission mit internationaler Beteiligung ein, die einen neuen Generaldirektor der Nationalgalerie auswählen sollte. Jiří Fajt wurde vom Ressortchef persönlich zur Bewerbung aufgefordert. Zehn der zwölf Kommissionsmitglieder votierten dann auch für Fajt. Doch es standen Wahlen an und Riedlbauch überließ die Entscheidung seinem Nachfolger. Anschließend kursierten hierzulande Informationen, die den erfolgreichen Bewerber mehr oder weniger abqualifizieren sollten. Auch sein eingefleischter Gegner Milan Knižák, den er auf dem Chefposten ablösen sollte, zog gegen ihn ins Feld. Für einen Teil der tschechischen Kulturszene wurde Fajt zweifelsohne zu einer „persona non grata“, also unerwünscht. Mai 2011. Der neue Kulturminister Jiří Besser hat nach seinem Amtsantritt das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens von 2010 annulliert und ein neues Verfahren ausgeschrieben, er gibt seine Entscheidung bekannt:„Nach einem mehrstündigen Austausch mit allen Bewerbern habe ich mich entschlossen, Diplom-Ingenieur Vladimír Rösel zum Generaldirektor der Nationalgalerie zu ernennen. Was mich zu diesem Entschluss geführt hat, ist das Bemühen, unter den Bewerbern den besten Manager auszuwählen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass der beste Manager auch ein Kunsthistoriker sein muss.“
Jiří Fajt bleibt zum zweiten Mal „außen vor“. Der Wirtschaftswissenschaftler und Manager Vladimír Rösel wird zwei Jahre später aber schon wieder abberufen. Unter seiner Führung verzeichnet die Nationalgalerie finanzielle Verluste, auch durch einen Rückgang der Besucherzahlen. Die Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ titelt damals:„Über Rösels Fähigkeiten war man sich schon längst im Klaren, seine Abberufung ist eine gute Nachricht.“
Nachdem der Chefsessel in der Nationalgalerie erneut frei geworden ist, wird allerdings kein neues Auswahlverfahren ausgeschrieben. Stattdessen ernennt die neue Kulturministerin Alena Hanáková im Juni 2013 dann Jiří Fajt endlich zum Generaldirektor. Dies geschieht jedoch im Moment, da die Regierung bereits über eine Affäre gestürzt ist. Hanákovás Nachfolger Jiří Balvín vertagt aber zweimal die Einsetzung von Fajt. Und eine Zeitlang scheint auch der designierte Chef selbst es nicht eilig zu haben. Anfang des Jahres kommt aber mit dem Christdemokraten Daniel Herman ein neuer Minister ins Amt. Mit ihm verhandelt Fajt etwa fünf Monate lang über die künftige Ausrichtung der Nationalgalerie – mit Erfolg. Die Ziele des neuen Generaldirektors sind sehr ambitioniert.
„Meine Rückkehr nach Tschechien ist für mich mit einem Mandat verbunden, das einen grundsätzlichen Umbau der Nationalgalerie auf mehreren Ebenen bedeutet. Ein Beispiel: Die Nationalgalerie hat mehrere historische Gebäude in ihrem Besitz. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die aus der Vergangenheit herrührende Struktur dieser Institution optimal ist. Und es stellt sich auch die Frage, wie das Museum der bildenden Kunst zu Beginn des 21. Jahrhunderts funktionieren sollte? Meiner Meinung nach ist es nicht nur eine Institution, die sich durch ihre Sammlungen nach außen präsentieren sollte. Es ist vielmehr auch ein Freiraum, der Plattformen für eine öffentliche Diskussion anbieten könnte.“ In der Vergangenheit hatte Fajt die Nationalgalerie wiederholt einen verknöcherten Moloch genannt, der die Fähigkeit verloren habe, auf die sich wandelnde Rolle eines Kunstmuseums in der globalisierten Welt flexibel zu reagieren. Mit dieser Auffassung hat er offenbar eine gemeinsame Sprache mit dem neuen Ressortchef Daniel Herman gefunden. Denn dieser sagt:„Durch die Nationalgalerie sollte sich die Tschechische Republik als Standort regelmäßiger internationaler Ausstellungsprojekte etablieren. Ziel ist zudem, der Galerie auch internationales Renommee in den Bereichen Wissenschaft und Forschung zu verleihen. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, die Besucher der Galerie durch ein buntes und gut strukturiertes Programmangebot anzusprechen. Das kann nur eine stabilisierte Institution ermöglichen.“
Der Minister hofft, dass Fajt seine in Deutschland gesammelten beruflichen Erfahrungen in seiner neuen Führungsposition verwerten kann. Der neue Chef der Nationalgalerie sieht wiederum im Ausland Vorbilder für die Umsetzung seiner Pläne - so zum Beispiel das rundum modernisierte Rijksmuseum in Amsterdam oder das Städel-Museum und die Schirn-Kunsthalle in Frankfurt. Vor allem will er die Prager Nationalgalerie aus ihrer – wie er sagt - langjährigen Isolation befreien. Dazu will der Chef Kontakte zu ausländischen Partnern knüpfen und mit ihrer Hilfe große Ausstellungen aus dem Ausland nach Prag bringen und umgekehrt Werke aus der tschechischen Nationalgalerie außerhalb Tschechiens präsentieren. Für seine Pläne, in die er auch eine bessere Entlohnung der Mitarbeiter einbezogen hat, wird Jiří Fajt viel Geld brauchen. Die spärlichen Zuschüsse aus der Staatskasse in Höhe von 200 Millionen Kronen (7,4 Millionen Euro) decken nur knapp die Betriebskosten. Daher dürfte die Suche nach neuen Finanzquellen an der obersten Stelle von Fajts Aufgabenliste stehen.