Neues über Tschechen und Slowaken in den USA
Vor kurzem erschien in den USA ein neues Buch über Tschechen und Slowaken in Nordamerika. Als dessen Autor, Dr. Miloslav Rechcigl Prag besuchte, nutzte Radio Prag die Gelegenheit für ein Interview. Dieses können Sie im nun folgenden Kapitel aus der tschechischen Geschichte hören, zu dem Sie Katrin Bock bereits erwartet.
"Czech and Slowaks in America" lautet der Titel eines neuen Buchs, das die tschechische Gesellschaft für Kultur und Wissenschaft anlässlich des 75. Geburtstages von Dr. Miloslav Rechcigl herausgegeben hat. Die Gesellschaft wurde 1958 von Emigranten aus der Tschechoslowakei ins Leben gerufen, ihr derzeitiger Vorsitzender, Dr. Miloslav Rechcigl, beschäftigt sich bereits seit über 50 Jahren mit dem Schicksal von Tschechen und Slowaken in Nordamerika. Seine bisherigen Ergebnisse sind im nun erschienen Buch zu finden. Rechcigl selbst emigrierte wie viele andere Tschechen und Slowaken nach der Machtergreifung der Kommunisten im Februar 1948 in die USA.
Die Böhmischen Länder gehörten im 16. Jahrhundert zu den fortschrittlichen in Europa - zumindest erfuhr man hier relativ schnell von der Entdeckung des neuen Kontinents Amerika, eine Tatsache, auf die Miloslav Rechcigl ebenso stolz ist, wie darauf, dass der erste Tscheche sich noch vor der Ankunft des berühmten Auswandererschiffs Mayflower in Amerika niederließ:
"Es handelt sich dabei wirklich um ein sehr reiches Vermächtnis, was viele nicht wissen. Der erste Tscheche, der amerikanischen Boden betreten hat, war ein Mann namens Joachim Gans. Er kam 1585 nach North Carolina, etwa 35 Jahre vor den Pilgern auf der Mayflower. Übrigens gehörten die Tschechen auch zu den ersten Menschen in Europa, die von der Entdeckung der neuen Welt erfahren haben. In Pilsen erschien bereits im Jahre 1500 eine Publikation, in der die Entdeckung der neuen Welt beschrieben wurde."
Ein paar Jahre später, 1506, erschien auch in Prag eine tschechische Übersetzung eines spanischen Reiseberichtes über Amerika. Joachim Gans arbeitete 1585 übrigens als Metallurg in der Gegend der heutigen Staaten Virginia und North Carolina. Seine von Archäologen wieder entdeckte metallurgische Werkstatt gilt heute als das älteste, erhaltene wissenschaftliche Laboratorium in den USA.Fasziniert ist Dr. Rechcigl vor allem aber von seinem Landsmann Augustin Herman, der sozusagen der erste historisch belegte Tscheche war, der den amerikanischen Traum von Erfolg und Aufstieg verwirklichen konnte.
"Er war ein sehr interessanter Mann. Um 1640 kam Augustin Herman nach Neu Amsterdam, das heutige New York. Er wurde recht reich als Händler, er sprach sechs Sprachen, inklusive Latein. Irgendwann zog Augustin Herman nach Maryland. Dort begann er Karten anzufertigen - Herman malte dann die erste Karte von Maryland und Virginia. Dafür erhielt er ca. 20.000 Morgen Land und dort gründete er Bohemia Manor. Herman erhielt zudem den Titel eines Lords und wurde einer der reichsten Männer in Maryland."
In seinem Buch beschreibt Miloslav Rechcigl Augustin Herman als "echten Amerikaner", der aber stets stolz auf seinen tschechischen Ursprung war.
"Ich würde sagen, am deutlichsten kommt dieser Stolz darin zum Ausdruck, dass er alle Dokumente als "Ich, Augustin Herman, geboren in Prag, Hauptstadt des Königreichs Böhmen" unterzeichnet hat - auch sein Testament. Er hat also immer seinen Ursprung erwähnt. Aber wir wissen nichts über seine Eltern, seine Familie. Das einzige, was wir wissen ist, dass er in Prag geboren wurde."
Noch heute erinnern einige geographische Bezeichnungen an jenen ersten bedeutsamen Tschechen in Nordamerika:
"Ich habe den Ort besucht, wo Bohemia Manor einst stand - in der Nähe von Baltimor. Dort gibt es auch einen Augustin Herman-Highway. In Maryland gibt es außerdem einen Fluss der Bohemia River heißt und ein anderer heißt Little Bohemia River. Es gibt also noch viele geographische Bezeichnungen, die in diese Zeit zurückgehen. Ich habe auch einige seiner Nachkommen getroffen, die stolz darauf sind, seine Nachfahren zu sein."
Die Gründe für eine Auswanderung in die neue Welt waren verschieden, oftmals spielten politische Entwicklungen und Glaubensfragen eine Rolle oder aber die wirtschaftliche Situation. Zu einer Massenerscheinung wurde die Auswanderung nach Nordamerika im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Miloslav Rechcigl befasste sich bei seinen Forschungen nicht nur mit Tschechen, sondern auch mit Slowaken und sieht zwei grosse Unterschiede zwischen den beiden Völkern:
"Die Tschechen emigrierten früher als die Slowaken. Nach der erfolglosen Revolution von 1848 kamen Tschechen vor allem aus politischen Gründen. Die Slowaken kamen erst ca. 20-25 Jahre später als die Tschechen, also nach ca. 1875. Das ist der eine Unterschied zwischen Tschechen und Slowaken. Der andere ist folgender: die Tschechen ließen sich normalerweise in ländlichen Gegenden nieder, wie Texas, Nebraska oder so und wurden Farmer. Die Slowaken dagegen, auch wenn sie ursprünglich aus ländlichen Gegenden stammten, wurden keine Farmer, sondern haben eher in Bergwerken gearbeitet oder in Fabriken. Das sind die zwei großen Unterschiede zwischen Tschechen und Slowaken."
Bei seinen Nachforschungen fand Miloslav Rechcigl noch etwas Interessantes heraus:
"Ich war überrascht, dass die meisten Menschen relativ arm waren - aber einige von ihnen haben die Initiative und Chancen ergriffen und den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft. Noch etwas habe ich bei meinen Forschungen entdeckt: es gibt nicht nur zwei tschechische Nobelpreisträger, wie oft gesagt wird, sondern fünfzehn mehr. Fünfzehn amerikanische Nobelpreisträger sind entweder tschechischen Ursprungs oder haben tschechische Vorfahren - das ist wirklich ein interessantes Phänomen. Tschechen haben einfach die Fähigkeit, das Beste aus ihrer Situation zu machen - egal, wo sie sind."
Zu erwähnen seien an dieser Stelle vielleicht die gebürtigen Tschechen Madelaine Albright oder Milos Forman, die jeweils eine der großen Emigrationswellen aus der Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert repräsentieren. Die ehemalige US-Außenministerin Madelaine Albright kam mit ihren Eltern nach der Machtergreifung der Kommunisten in der Tschechoslowakei im Februar 1948 nach Amerika, als Tausende Tschechen und Slowaken ihre Heimat verließen. Der Regisseur Milos Forman entschied sich ebenso wie viele andere nach dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings 1968 in den USA zu bleiben. Heute sollen in den USA rund 780 000 Menschen leben, die hundertprozentig tschechischer Abstammung sind. Weitere 1 100 000 Menschen haben zumindest einen tschechischen Elternteil. Und viele sind, wie Dr. Milosalv Rechcigl, stolz auf ihren Ursprung:
"Interessant ist, dass sich die ersten Emigranten früher eher für ihre Herkunft geschämt haben. Tschechen und Slowaken haben z.B. oftmals angegeben, dass sie aus Österreich-Ungarn stammen. Aber heute ist jeder stolz auf seinen Ursprung. Ahnenforschung ist Mode, jeder will wissen, woher er kommt. In Texas gibt es auch Familien, in denen man in der 7. Generation tschechisch spricht - man könnte fast sagen, es gibt so etwas wie eine tschechische Renaissance."
Soweit Dr. Miloslav Rechcigl, Autor eines vor kurzem erschienen Buchs über Tschechen und Slowaken in Amerika.
Wer mehr über Tschechen und Slowaken in Nordamerika erfahren will, kann sich die Webseite der tschechischen Gesellschaft für Kultur und Wissenschaft anschauen: www.svu.2000.org