Freiheitsunion will mit Christdemokraten und unabhängigen Kandidaten in den Wahlkampf ziehen
Seit dem Zerfall der sog. Viererkoalition Ende vergangener Woche wurde in Tschechien gerätselt, ob die vorher in dem Bündnis vertretenen Parteien nun alleine in den Wahlkampf ziehen, sich neu formieren oder möglicherweise sogar neue Verbündete suchen werden. Während die Christdemokraten, stärkste Partei der ehemaligen Viererkoalition, sich sofort nach deren Zerfall dafür aussprachen, gemeinsam mit der Freiheitsunion-Demokratischen Union (US-DEU) zu kandidieren, benötigte letztere eine etwas längere Bedenkzeit. In der Nacht auf Mittwoch nun ist die Entscheidung gefallen. Silja Schultheis berichtet.
Nach mehr als sechsstündigen Verhandlungen konnte Hana Marvanova, Vorsitzende der Freiheitsunion, vor Journalisten verkünden, dass sich ihre Partei für einen gemeinsamen Wahlkampf mit den Christdemokraten entschieden habe. Das eigentlich Überraschende an dem Verhandlungsergebnis war jedoch etwas anderes: Die Freiheitsunion wolle diejenigen Listenplätze, die durch das Ausscheiden der Bürgerdemokratischen Allianz aus der Viererkoalition freigeworden sind, mit parteilosen Persönlichkeiten aus verschiedenen Bürgerinitiativen besetzen. Konkrete Namen für potentielle Kandidaten nannte Marvanova noch nicht. Sie deutete jedoch an, aus welchem Umkreis sie sich möglicherweise rekrutieren ließen. Denn bereits früher schon war die Freiheitsunion mit diversen Bürgerinitiativen in Kontakt getreten und hatte sich für deren Stärkung ausgesprochen. Hana Marvanova sagte dazu:
"Im September vergangenen Jahres haben wir gemeinsam die so genannte Brandyser Deklaration unterzeichnet, das war eine gemeinsame Erklärung der Bürgerinitiativen und unserer Parteien. An diese Initiativen denken wir also. Aber es müssen nicht nur Kandidaten aus dem Umfeld des Brandyser Aufrufes sein."
Mitunterzeichner der Brandyser Erklärung sind beispielsweise Jan Beranek, Leiter der Umweltschutz-Organisation "Regenbogen", der Chefredakteur des Blattes "Literarische Zeitung", Jakub Patocka und Alena Müllerova von der Initiative "Tschechisches Fernsehen - eine öffentliche Angelegenheit".
In allen drei Fällen ist es Radio Prag vor Aufzeichnung dieser Sendung leider nicht gelungen, eine Stellungnahme zu der beschlossenen Aufstellung unabhängiger Kandidaten einzuholen. Alena Müllerova begründete ihre Absage mit der Feststellung, dass es sich bislang lediglich um einen Partei-Beschluss ohne weitere konkretere Erwägungen handele und es daher verfrüht wäre, sich dazu zu äußern.