Temelin: Tschechischer Bürgerverein legt neue Bewertung vor

Das Kernkraftwerk Temelin sorgt bekanntlich bereits seit Jahren für hitzige Debatten und Auseinandersetzungen internationalen Ausmaßes. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass sich nur im Ausland, und dort vorwiegend in Österreich, Atomkraftgegner finden, die sich für die Abschaltung des AKW Temelin stark machen. Auch in Tschechien selbst werden allerdings durchaus Stimmen laut, die für die endgültige Stilllegung plädieren. Ein Bürgerverein, der sich im Augenblick besonders engagiert, nenn sich "In der Havarieplanungszone des AKW Temelin". Katrin Sliva berichtet darüber, auf welche Weise die Mitglieder dieses Bürgervereins versuchen, das Problem Temelin wieder auf den "Regierungstisch" zu bringen. Es liest Jitka Mladkova.

Bereits vor einigen Wochen präsentierte der Bürgerverein "In der Havariezone des AKW Temelin" auf seiner Pressekonferenz eine Analyse, die neues Licht auf die Temelin-Problematik werfen sollte. Die sogenannte multikriterielle Analyse unterscheidet sich nämlich in vielerlei Hinsicht von derjenigen, die der Regierung bisher zur Verfügung stand. Professor Rihak, der mit der Ausarbeitung der neuen Analyse betraut war, erläutert die Unterschiede:

"Das, was die Regierungskommission für die Beurteilung der Auswirkungen des AKW Temelin auf die Umwelt durchgeführt hat, wurde im Einklang mit den Vorgaben des Gesetzes für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Umwelt getan. Und gemäß der entsprechenden Richtlinien der EU. Die Tschechische Republik hat die Bedingungen angenommen, die in der sogenannten "Scoping-list" enthalten sind. Es wurde also von 220 Fragen ausgegangen, die untersucht wurden. In diesen 220 waren keine Fragen enthalten, die die Wirtschaftlichkeit des AKWs oder den breiteren Kontext betrafen, den der Folgen für den Energiesektor nämlich. Die multikriterielle Analyse jedoch untersucht einen breiteren, gesamtgesellschaftlichen Rahmen. Es wurden Kriterien herangezogen, die in der vorangehenden Analyse (EIA) nicht zum Ausdruck kamen."

Neben der wirtschaftlichen Seite des Kernkraftwerks gehörte unter anderem die Sicherheit zu diesen "neuen" Kriterien. Über die Ergebnisse der Analyse äußerte sich Professor Rihak folgendermaßen:

"Das Ergebnis der multikriteriellen Analyse bestätigt, dass allen anderen Varianten, die sogenannte Nullvariante vorzuziehen ist, die die endgültige Stilllegung des AKW vorsieht. Alle übrigen Szenarien, also ein auf 10, 20 oder 30 Jahre begrenzter Betrieb zum Beispiel, haben sich in der Analyse entweder als weniger ratsam oder ganz und gar unannehmbar erwiesen. Die endgültige Beurteilung hängt natürlich von den Eingangsdaten ab, deshalb sollten die Ergebnisse in einem breiteren Kreis diskutiert werden."

Dem ersten Schritt dieser Aufforderung ist der Bürgerverein am vergangenen Freitag, im Rahmen einer internationalen Konferenz mit dem Titel " Alternativen in der tschechischen Stromversorgung" nachgekommen, zu der sich unter anderem die Abgeordnete der österreichischen Grünen im Europäischen Parlament, Mercedes Escher einfand. Darüber hinaus hat der Bürgerverein das Dokument auch der Regierung zugänglich gemacht, auf deren Reaktion er nun wartet. Eines der Mitglieder von "In der Havariezone des AKW Temelin" betonte, dass das vordergründige Ziel der Organisation darin besteht, Temelin nicht tot zu schweigen, sondern es immer wieder aufs Neue zu diskutieren.