Rückblick auf den ersten Tag des NATO-Gipfels
Der Donnerstag, also der erste Tag des Prager NATO-Gipfels, hatte in rein formaler Hinsicht gewiss einen klaren Höhepunkt: Denn immerhin wurde, wie wir bereits berichtet haben, die Aufnahme von sieben neuen Mitgliedern in das nordatlantische Verteidigungsbündnis beschlossen. Die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien und Rumänien werden voraussichtlich bereits im Jahr 2004 vollwertige NATO-Mitglieder sein. Aber abgesehen von diesem Erweiterungsbeschluss standen auch andere Dinge auf dem Programm des ersten Gipfeltages. Und auch hinter den Kulissen war man um einige Weichenstellungen bemüht, wobei vor allem die Durchsetzung diverser innenpolitischer Interessen eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Zu jenen Ereignissen vom Donnerstag habe ich mit Gerald Schubert, der sich für uns im Prager Kongresszentrum befindet, das folgende Gespräch geführt:
"Zunächst muss man - glaube ich - sagen, dass von tschechischer Seite die Erleichterung relativ groß ist, dass alles gut über die Bühne gegangen ist, dass die Sicherheit rund um den ersten Tag nie ernstlich bedroht war. Und viele tschechischen Zeitungen haben auch darauf hingewiesen, dass in Prag Geschichte geschrieben wurde. Da geht es aber natürlich vor allem um die angesprochene Erweiterung. Allerdings muss man auf NATO-Ebene auch andere Dinge betonen: nämlich dass es nicht nur um eine Erweiterung geht, sondern auch um eine Festigung der inneren Struktur, also eine Verbesserung der Logistik sozusagen. Man hat etwa die Bildung einer schnellen Eingreiftruppe beschlossen, die bis zum Jahr 2004 stehen soll. Und den allgemeinen Bedarf nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit, den hat Nato-Generalsekretär George Robertson, so erklärt. "Wir müssen aber noch effektiver sein, um den Leuten Sicherheit in der heutigen, so unsicheren Welt zu gewährleisten. Die Präsidenten und Regierungsvorsitzenden der NATO-Staaten haben daher eine feste politische Verpflichtung eingegangen: Sie unterzeichneten die sog. Prager Deklaration der Verteidigungsfähigkeit. Diese wird eine bessere militärische Ausrüstung gewährleisten, von großen Transportflugzeugen, über Tankflugzeuge bis zu zielgenauen Waffen und auch Schutzmaßnahmen gegen chemische und biologische Waffen."
Die Verhandlungen werden nicht nur am runden Tisch, sondern auch hinter den Kulissen geführt? Was wurde da besprochen? Kam wohl bei der Durchsetzung diverser Interessen zu Konfliktsituationen?
"Ja, also vor allem die Irak-Frage hat ja gezeigt, dass es auch innerhalb der Allianz unterschiedliche Meinungen bezüglich des Vorgehens gegen den Irak gibt. Und das wirft doch auch aus der Sicht der NATO, oder aus der sicht der angestrebten Einheitlichkeit innerhalb der Allianz, ein bisschen einen Schatten auf den Gipfel. Weil Z.B. Deutschland ja diese UNO-Resolution 1441 gegen den Irak nicht ungedingt so offensiv interpretiert, wie etwa die USA. Und auch Frankreich würde lieber vor einem militärischen Einschreiten hier noch einen entsprechenden Beschluss des UNO-Sicherheitsrates sehen. Immerhin ist eine Formulierung in einer Deklaration zur Irak-Frage hier so allgemein gehalten, dass auch Deutschland mitziehen kann, aber bezüglich der Interpretation, was jetzt ernsthaft die Konsequenzen für den Irak betrifft, sollten sie den Forderungen der UNO-Waffeninspektoren nicht hundertprozentig nachkommen, da scheiden sich natürlich noch die Geister."
Wir wenden uns jetzt der Tschechischen Republik zu. Der tschechische Premier Vladimir Spidla hat angeboten, ein ABC-Waffen-Kommando in der Tschechischen Republik zu errichten. "Wir stellen uns nicht vor, ein Kommando aus Brüssel oder aus einer anderen Stadt hierher umzuziehen. Wir wollen ein neues Kommando errichten, das sich mit neuen Aufgaben befassen wird." Soweit Vladimir Spidla. Welcher Reaktion ist er mit seinem Vorschlag bei den NATO-Repräsentanten begegnet?
"Generalsekretär Robertson hat dazu gestern gesagt, man wird es sich noch genauer ansehen, und zwar nicht nur das tschechische Angebot, sondern die NATO habe laut Robertson von mehreren Staaten ähnliche Angebote zur Übernahme diverser Kommandostellen bekommen. Aber Robertson hat auch gesagt, dass die Tschechische Republik auf diesem Gebiet bekannermaßen über große Erfahrungen verfügt und das schon einiges dafür spricht, diese Erfahrungen auch zu nutzen."