Internetmedien in Tschechien
Liebe Hörerinnen und Hörer, da sich die Woche allmählich ihrem Ende zuneigt, haben wir von Radio Prag wieder eine weitere Ausgabe unserer Mediensendung "Im Spiegel der Medien" für Sie vorbereitet. Wir, das sind diesmal Dagmar Keberlova und Robert Schuster.
Unser heutiges Thema hängt eng mit einer rasanten Entwicklung zusammen, die sich in den letzten Jahren nicht nur in Tschechien, sondern auf der ganzen Welt gerade im Medienbereich abzeichnet: Bei der Verbreitung von Nachrichten und Informationen im breitesten Sinn des Wortes spielt das Internet eine immer wichtigere Rolle. Deshalb wollen wir diesmal, wie auch in einigen der kommenden Sendungen, unseren Blick auf die tschechischen Internet-Medien werfen.
Mit den diesbezüglichen Recherchen haben wir, wie nicht anders zu erwarten, im Internet begonnen. Dabei haben wir in Erfahrung gebracht, dass man dabei nicht an der Person von Ond"ej Neff vorbei kommt, den man auf diesem Feld wahrhaft als eine Art Pionier bezeichnen kann. Wahrscheinlich war es, wie er selber in verschieden Interviews meint, seine Neigung zu technischen Neuigkeiten aller Art, die ihn, einen anerkannten Autor von Science-Fiction-Romanen, auf die Idee brachte, Mitte der 90er Jahre die erste tschechische und ausschließlich im weltweiten Computer-Netz erscheinende Zeitung ins Leben zu rufen. Bis dahin gab es hierzulande lediglich erste zaghafte Versuche, die klassischen, auf Papier gedruckten Zeitungen auch über das Internet abrufbar zu machen. Neff ging, wie er im Gespräch mit Radio Prag meint, ein gewisses Risiko ein und verließ den gut bezahlten Job eines Redakteurs bei der größten tschechischen Zeitung, der Mlada Fronta Dnes und gründete die Internet-Zeitung "Neviditelný pes", was auf Deutsch "Unsichtbarer Hund" bedeutet. Warum diese auf den ersten Blick ungewöhnliche und originelle Bezeichnung? Das erläutert nun im folgenden Ond"ej Neff selber:
"Also ursprünglich war die Bezeichnung eigentlich ein Gag und zu meiner großen Überraschung haben das die Leser aufgegriffen und akzeptiert. Auch relativ renommierte Autoren begannen dann ihre Beiträge im "unsichtbaren Hund" zu veröffentlichen, so dass wir dann bei dieser Bezeichnung geblieben sind. Aber eigentlich traf sich das ganz gut, weil wir damit auch zeigen wollten, dass es möglich ist, auf den Seiten von Nevidtelny pes weniger ernste und eher leichte Themen gemeinsam mit Politik, Wirtschaft oder Kultur, also mit weitgehend ernsten Themen zu behandeln. "
Den weiteren Ausführungen Neffs zufolge, konnte sich das Phänomen Internet in den letzten Jahren auch bei den tschechischen Medien durchsetzen und setzt sich die Tendenz zu einer Art Zweiteilung immer stärker durch, wie er gegenüber Radio Prag erläutert:
"Ich meine, dass die Tendenz heute sehr klar ist, denn die Internet-Zeitungen lassen sich heute in zwei Gruppen teilen. Zum einen sind das die allgemein informierenden, deren Aufgabe es ist, Nachrichten im wahrsten Sinn des Wortes zu verbreiten; und zum anderen sind es Fachmagazine und Zeitschriften. Ich denke, dass das Internet als Medium gerade für diese spezialisierten Fachgebiete Sinn macht, weil eine Internet-Zeitung, die sich nur auf Nachrichtenverbreitung konzentriert, nur schwer mit einer klassischen großen Zeitung konkurrieren kann. Man kann nicht ständig 50 Journalisten zur Verfügung haben, die irgendwo recherchieren, das wäre nicht finanzierbar. Aber ein Fachgebiet zu entdecken, dessen neuesten Entwicklungen sich tagtäglich ein paar Spezialisten widmen, das kann man gerade im Internet sehr gut. Ich meine, dass in diesem Bereich die Stärken der einheimischen Internet-Journalisten liegen."
Aber auch bei den übrigen, auf die klassische Berichterstattung und Information ausgerichteten Internet-Medien weist Neff auf ein weiteres wichtiges Phänomen hin, wie er im folgenden darlegt:
"Was die allgemein informierenden Internet-Medien anbelangt, muss man eine interessante Begleiterscheinung erwähnen: Obwohl die Tschechen ein kleines Volk sind, beginnen auch wir allmählich auf dem ganzen Erdball verstreut zu leben. Viele Tschechen leben heute im Ausland, gut ein Drittel jener 80 000 Surfer, die jeden Monat die Seiten von Neviditelny Pes anpeilen, haben ihren Arbeits- und Wohnort außerhalb Tschechiens. Sie haben dann meistens keine andere Möglichkeit, als per Internet das Geschehen in der Heimat zu verfolgen. Das ist einer der Gründe für meinen Optimismus bezüglich dieser Medien."
Jene Flexibilität, die Internet-Medien eigen ist, wurde bereits ausführlich erwähnt. Ein Grund dafür ist auch der relativ kleine Kreis von Personen, der sich an der Herstellung einer im weltweiten Computernetz verfügbaren Zeitung beteiligt. Deshalb auch unsere nächste Frage an Ond"ej Neff: Wie viele Mitarbeiter beteiligen sich an der Herstellung der täglichen Ausgabe des Neviditelný pes?
"Das ist sehr schwer zu sagen, weil den Kreis der ständigen Mitarbeiter fünf Redakteure bilden, mich selbst inbegriffen. Das sind also Leute, die jeden Tag zumindest etwas für das Erscheinen der tagesaktuellen Ausgabe tun - von der technischen Erstellung der Seite bis zu Sprachkorrekturen. Daneben gibt es aber noch eine Vielzahl von regelmäßigen Autoren, die ihre feste Rubrik haben und diese inhaltlich füllen. Und nicht zu vergessen sind auch diejenigen Autoren, die weniger regelmäßig schreiben und die ihre Beiträge dann senden, wenn sie die Notwendigkeit dazu verspüren."
Für viele Autoren und Schriftsteller habe laut Ond"ej Neff das Internet in den letzten Jahren zudem an Attraktivität gewonnen, weil es einen sehr direkten Zugang zu den Lesern ermöglicht.
"Die Internet-Zeitungen haben ihre Spezifika, sie sind in gewissem Sinne freier, können nicht so leicht Druck jeglicher Art ausgesetzt werden. Es herrscht dort eine sehr angenehme Atmosphäre, ein großes Maß an Freiheit und sie dienen auch als Tribüne, wo die Leser ihre Meinung äußern können. Manchmal sind die dort dargelegten Meinungen grob, aber das Internet ist so etwas wie ein Wochenmarkt und eine gewisse Grobheit gehört einfach zu jedem Markt dazu."
Das alles, meint Neff, sei auch Garant dafür, dass es diese Kommunikations- und Unterhaltungsformen auch in Zukunft geben wird. Die Entwicklung von neuen technischen Möglichkeiten wird nicht nur zu einer größeren Attraktivität für Leser und damit auch die Werbewirtschaft führen, sondern zwangsläufig auch einen Prozess einleiten, den es im Bereich der Printmedien bereits seit Jahren gibt: Die s.g. Pressekonzentration, bei der nur die wirklich starken und großen Anbieter überleben werden. Ond"ej Neff sieht dafür auch in Tschechien erste Vorzeichen, wie er abschließend erläutert.
"Dieser Prozess ist sehr markant und ich denke, dass es da kein Ausweichen gibt. Vor allem dann nicht, wenn eintreten sollte, was allgemein erwartet wird, nämlich die Schaffung von technischen Voraussetzungen, um den Umfang der Datenübertragung zu vergrößern. Dann wird es allmählich zu einer Kombination oder sogar Verschmelzung von Internet und digitalem Fernsehen kommen. Das wird große Investitionen erfordern, die nur die wirklich große Medienunternehmen auf sich nehmen können. In Tschechien gibt es bereits die ersten Vorboten dieser Entwicklung - hinter dem größten tschechischen Informationskanal im Internet, IDNES, steht mit der Mlada fronta Dnes die größte Zeitung des Landes."