Zwei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001

Ground Zero heute, Foto: CTK

Vergangenen Donnerstag vergingen genau zwei Jahre, seit den verheerenden Anschlägen auf das amerikanische Verteidigungsministerium in Washington und das Gebäude des World-Trade-Center in New York, welche von Mitgliedern des islamistischen Terrornetztes Al-Qaida verübt wurden. Der 11. September 2001 und insbesondere die beiden eingestürzten New Yorker Wolkenkratzer stehen seither nicht nur stellvertretend für die Anfälligkeit der Symbole der westlichen Zivilisation, sondern auch für die neuen Gefahren, der die westliche Welt künftig ausgesetz sein wird. Deren Hauptmerkmal scheint vor allem die Ungewissheit zu sein, wann und wo es wieder zu neuen Anschlägen kommen könnte. Dieses Phänomen scheint auch in die neue außenpolitische Begriffswelt Einzug gehalten zu haben, was auch der immer öfter werdende Gebrauch von Schlagworten wie "der unsichtbare Krieg", bzw. "die unsichtbaren Gegner" beweist.

Ground Zero heute,  Foto: CTK
Damals vor zwei Jahren, als der Schock über die Terrorangriffe tief sass, und die Emotionen noch eindeutig Oberhand über rationelle Überlegungen hatten, sprach man oft davon, dass die beiden Attentate die bisherige überschaubar scheinende Weltordnung auf den Kopf stellen würden. Waren diese Prognosen rückblickend gerechtfertigt? Darüber unterhielt sich Radio Prag mit dem Prager Politikwissenschaftler Zdenek Zboril, der auch gleichzeitig eine bekannte tschechische Monatszeitschrift für außenpolitische Fragen leitet:

"Ich würde sagen, dass von diesen Prognosen fast alles, was damals vorhergesagt wurde, eingetreten ist, nur vielleicht mit dem Unterschied, dass unmittelbar nach den Anschlägen und unter dem Einfluss der Emotionen natürlich alles sehr farbig und in dramatischen Zusammenhängen geschildert wurde. Der 11. September 2001 brachte die Einsicht, dass jeder Konflikt auf dieser Welt, egal ob zwischen verschiedenen Staaten, oder im Inneren eines jeden Landes, nicht mehr ausschließlich als Konflikt von Soldaten in Uniformen gesehen werden, sondern als Konflikt, in den theoretisch alle Bewohner des Erdballs einbezogen werden können. Auf einmal ist nicht mehr entscheidend, ob jemand als Politiker in der ersten Linie steht, oder in der allerletzten. Die letzteren sind sogar diejenigen, die am meisten verwundbar sind. Das zweite wichtige Ergebnis der vergangenen zwei Jahre scheint mir die Erkenntnis zu sein, dass man gegen diesen weltweit agierenden Terrorismus nicht alleine ankämpfen kann. Selbst der Kreis um den amerikanischen Präsidenten Bush, der für seine Alleingänge im Kampf gegen der Terror oft kritisiert wurde, ist von den äußeren Umständen dazu gezwungen worden Unterstützung und Verbündete zu suchen."

Die letzte verbliebene Supermacht, die Vereinigten Staaten, reagierte auf diese neu entstandenen Gefahren mit der Änderung ihrer bisher geltenden Militärdoktrin, wobei die Möglichkeit einen militärischen Präventivschlag gegen vermutete Terroristen-Standorte vorzunehmen in den Mittelpunkt rückte. Konnten die Amerikaner bei ihrem Vorgehen im Afghanistan und der Beseitigung des dortigen fundamentalistischen Taliban-Regimes noch auf die Unterstützung der meisten ihrer traditionellen Verbündeten und der Weltöffentlichkeit hoffen, stand ihr militärisches Vorgehen im Irak bereits unter einem anderen Vorzeichen. Kritisiert wurde dabei insbesondere die fehlende Rückendeckung von Seiten der UNO. Wie beurteilt nun der Politikwissenschaftler Zboril im Nachhinein das amerikanische Vorgehen?

"Trotz der verständlichen Emotionatität, war die amerikanische Reaktion meines Erachtens nicht adäquat. Ich habe von Präsident Bush kein Wort des Bedauerns z.B. über jene indischen Opfer der Angriffe auf das World Trade Center gehört, die einen wichtigen Teil unter den Opfern bildeten. Im Nachhinein ist festzustellen, dass Präsident Bush ausschließlich auf Grund der Interessen der Vereinigten Staaten handelte und nicht etwa im Interesse der Verteidigung der westlichen Welt. Das mag vielleicht auf den ersten Blick legitim gewesen sein, denn schließlich ist Bush in erster Linie amerikanischer Präsident, aber dennoch hatten die USA seit dem Ende des kalten Krieges in der Weltpolitik eine Art Sonderstellung und zwar wegen ihrer Rolle als letzte verbliebene Supermacht. Ich denke das vor allem der Krieg im Irak für mein befinden allzu gut geplant war und nur sehr schwer den Eindruck erwecken konnte, es handelte sich um eine Aktion ausschließlich auf Grund der Informationen über das vorhandene irakische Waffenprogramm."

Tschechische Soldaten flügen nach Irak,  Foto: CTK
Für die neue Weltordnung, die sich laut Zboril nun - nicht zuletzt auch als Ergebnis des 11. Septembers 2001 - zu etablieren scheint, ist vor allem eines charakteristisch: Ein latentes Misstrauen gegenüber Institutionen, die bis dahin allgemein als unantastbare Garanten der Weltordnung, oder des internationalen Rechtssystems galten. Das klassische Beispiel dafür sind laut Zboril die Vereinten Nationen. Die Aussagen über die angebliche Unfähigkeit der Weltorganisation sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und Antworten auf die neuen Bedrohungen zu geben, gehören, so Zboril gegenüber Radio Prag, schon lange nicht mehr ausschließlich zum rhetorischen Rüstzeug amerikanischer außenpolitischer Isolationisten, sondern sind mittlerweile zum Allgemeingut geworden.

Die UNO scheint somit, so Zboril, erst jetzt jene Identitäatskrise durchzumachen, die ihr nach 1989, also nach dem Ende der politischen Blockbildung, weitgehend erspart blieb. Obwohl nämlich die Weltorganisation während des kalten Krieges ebenfalls weitgehend gelähmt gewesen war, wäre ihr Bestand nach 1989 nicht in Frage gestellt worden.

Die Reaktion der tschechischen Öffentlichkeit auf die Terroranschäge vom 11. September und ihre Einstellung zu den darauf folgenden militärischen Operationen hat sich eigentlich nicht allzu stark von den anderen Nationen unterschieden. Nach der anfänglichen Welle der Sympathie für die USA, schwächte sich die Unterstützung schon während des Afghanistan-Kriegs ab und schlug dann in eine weitgehend negative Haltung der Öffentlichkeit während des Irak-Krieges um. Wie ist das zu erklären? Welche Rolle spielen dabei die negativen Erfahrungen der Tschechen mit dem Vorgehen der Großmächte? Zdenek Zboril versucht im folgenden diese Haltung zu erklären:

"Die Tschechen, die sicherlich eine ganze Reihe von negativen Eigenschaften haben, besitzen dennoch eine relativ stark ausgeprägte Fähigkeit, nämlich intuitiv zu erkennen, dass jemand in der internationalen Politik ein allzu souveränes Vorgehen an den Tag legt. Diese Sicht der Dinge beschränkt sich nicht nur auf die großen Nachbarn in West und Ost, sondern bezieht sich auch auf den Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantik. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es in der früheren Tschechoslowakei recht rege Beziehungen mit dem Irak gab und viele Tschechen dort gearbeitet hatten. Diese Gefühle der Tschechen gegenüber den Irakern sind vielleicht nicht so stark ausgeprägt wie im Verhältnis zu den Serben, aber sie sind dennoch vorhanden. Der Hautpgrund, warum aber die Tschechen mehrheitlich den Krieg im Irak ablehnten, waren Befürchtungen vor einem allzu souverenänen Auftreten der letzten verbliebenen Supermacht."

Gleichzeitig sieht jedoch Zboril auch einen wichtigen Unterschied zur Einstellung der Öffentlichkeit in Tschechien und in anderen europäischen Ländern, die primär nicht auf der Gegnerschaft zum Irak-Krieg aufgebaut war, sondern auf antiamerikanischen Ressentiments. Das beste Beispiel dafür sei die Haltung von Präsident Vaclav Klaus zum Irak-Krieg gewesen, wie Zboril hinzufügt:

"Ich glaube, dass Präsident Klaus das klassische Beispiel dafür ist. Er ist ja an sich ein fast schon fanatischer Bewunderes des amerikanischen Lebensstils und dennoch ist er sehr entschieden gegen das Vorgehen der Amerikaner im Irak aufgetreten und zwar sogar ohne Rücksicht auf mögliche Schäden in den tschechisch-amerikanischen Beziehungen und den Verlust seines persönlichen Ansehens."

In den vergangenen zwei Jahren richteten sich die Drohungen der Terroristen fast ausschließich gegen die großen Spieler der Weltpolitik, also in erster Linie gegen die USA, Russland oder Großbritannien, während die kleinen Staaten, wie z.B. die Tschechische Republik sich in einem Zustand der relativen Sicherheit wähnen können. Wieweit spielen diese Überlegungen bei der Haltung der Tschechen eine Rolle? Abschließend kommt noch einmal der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril zu Wort:

"Die Menschen glauben nicht an die s.g. Irak-Story,d.h. an die offiziell immer wieder vorgegebenen Kriegsmotive. Aber sie glauben, dass es auf der Welt eine islamischen Terrorismus gibt, sie sind sich dessen Gefährlichkeit bewusst, haben z.B. noch die Ereignisse rund um die Olympischen Spiele in München im Jahr 1972 im Gedächtnis, oder auch die ganzen Flugzeuentführungen der vergangenen Jahrzehnte. Gleichzeitig ist aber in den Positionen und Meinungen eine Art schadenfrohe Genugtuung gegenüber den USA zu erkennen, frei nach dem Motto - ihr müsst die Suppe selber auslöffeln, die ihr euch eingebrockt habt. Trotzdem wird der Terrorismus eindeutig als Bedrohung für die Tschechische Republik wahrgenommen."