Prager Umweltministerium lehnt Ausbau der Atomenergiekapazität ab

AKW Temelin

Zu Beginn dieser Woche geriet das südböhmische Atomkraftwerk Temelín erneut in den Fokus der Öffentlichkeit, obwohl es diesmal in keiner Form auch nur den kleinsten Störfall zu vermelden hatte. Anlass für den kontroversen Disput sowie die helle Aufregung in der benachbarten Republik Österreich war der vom tschechischen Ministerium für Industrie und Handel vorgelegte Entwurf zur staatlichen Energiekonzeption bis zum Jahr 2030, in dem u. a. der Ausbau der vorhandenen Atomenergiekapazität ins Kalkül gezogen wird, wobei der Bau zweier weiterer Reaktoren in Temelín als die kostengünstigste Variante angesehen wird. Inwieweit diesem Entwurf Aussicht auf Erfolg beschieden ist, dazu mehr im folgenden Beitrag von Lothar Martin.

Kaum hatte das hiesige Wirtschaftsministerium seinen Entwurf auf den Tisch gelegt, da teilte der österreichische Botschafter in Prag, Klas Daublebsky, dem tschechischen Außenministerium in aller Form die "großen Befürchtungen" seiner Regierung über den in Betracht gezogenen Schritt des Ausbaues der nationalen Atomenergiekapazität mit. Tschechiens Außenminister Cyril Svoboda versicherte daraufhin seiner österreichischen Amtskollegin Benita Ferrero-Waldner, dass die tschechische Regierung gegenwärtig nicht die Absicht habe, weder einen weiteren Atomreaktor zu bauen noch die vorhandenen Kernkraftwerke zu erweitern. Doch wie sieht es mit der ferneren Zukunft aus?

Das Wirtschaftsministerium jedenfalls rechnete vor, dass man bis zum Jahr 2030 einen Anstieg der Energieproduktion um rund ein Fünftel prognostiziere und dass der Energieverbrauch dabei jährlich um durchschnittlich 1,3 Prozent ansteigen werde. Ein Weg, um diesem wachsenden Energiebedarf gerecht zu werden, sei halt der Ausbau der Atomenergiekapazität, so die Ökonomen. Doch diesem einseitig auf Zahlen und Finanzen ausgerichteten Konzept hält das tschechische Umweltministerium sein eigenes Konzept entgegen, das Radio Prag gegenüber von der Sprecherin des Ressorts, Karolina Sulová, so dargelegt wurde:

"Das Umweltministerium plant in seinem Entwurf zur staatlichen Energiekonzeption nicht mit einem weiteren Ausbau der Kapazitäten zur Produktion von Atomenergie, sondern lediglich damit, dass die vorhandenen Atomkraftwerke bis zu ihrer Abschreibung genutzt werden. Der Grund dafür ist vor allem der, dass die Frage der Zwischen- und Endlagerung des radioaktiven Mülls nach wie vor nicht geklärt ist, und das Ministerium ist daher der Ansicht, dass es nicht gerechtfertigt ist, in solch einer Art und Weise das Leben der zukünftigen Generationen zu beeinträchtigen. Die Tschechische Republik sollte sich vielmehr auf Investitionen in die erneuerbaren Energien konzentrieren. Das Umweltministerium rechnet damit, dass deren Anteil an der Energieproduktion im Jahr 2030 nahezu 19 Prozent betragen sollte, und das insbesondere deshalb, weil erneuerbare Energien zugleich neue Arbeitsplätze schaffen, den Regionen eine größere Unabhängigkeit verleihen und sie nicht zuletzt eine größere Sicherheit garantieren."

Die bereits angesprochene Frage der in Tschechien noch nicht geklärten Situation betreffs weiterer Zwischenlager bzw. die eines Endlagers von Atommüll hat inzwischen die für diese Funktion in Betracht gezogenen Gemeinden auf den Plan gerufen. In einem selbstständig durchgeführten Referendum haben zum Beispiel die südböhmische Gemeinde Nadejkov und deren Nachbarorte, in deren Region eventuell ein solches Atommülllager entstehen soll, dieses Ansinnen nahezu einmütig abgelehnt. Daher bekräftigt Karolina Sulová auch noch einmal den Standpunkt des Umweltministeriums:

"Es ist zu sehen, wie die Gemeinden, wo möglicherweise ein Zwischen- bzw. Endlager für radioaktiven Müll errichtet werden soll, sich gegen dieses Vorhaben wehren und nicht einverstanden damit sind. Wenn der Staat demnach die Verantwortung für den Bau weiterer Kernkraftreaktoren übernimmt, dann muss er diese Gemeinden auch in irgendeiner Weise davon überzeugen. Unser Ministerium ist jedoch der Meinung, dass gerade weil die Frage der Atommüll-Endlagerung nicht völlig geklärt ist, sollte der Staat die Atomenergie nicht weiter unterstützen."