Tschechien hat den ersten Kandidaten auf den Posten des EU-Kommissars
Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Eurodomino, verehrte Damen und Herren. Heute werfen wir einen Blick auf ein topaktuelles Thema, und dies nicht nur in Tschechien, sondern in allen Kandidatenländern. Gleich hören sie mehr, durch die Sendung führt Sie Dagmar Keberlova.
Keine Begeisterung herrscht beim Namen Kuzvart, und zwar nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei den Koalitionsparteien. Die Christdemokraten bestehen auf ihrer Kandidatin Ivana Janu, die ihrer Meinung nach den Ansprüchen auf diesem Posten viel besser entspricht. Ivana Janu ist Richterin im Internationalen Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien. Sie werden versuchen, die Sozialdemokraten davon zu überzeugen, dass eine international bekannte und erfahrene Frau für die Tschechische Republik mehr bewirken kann als ein Mann, der dies alles nicht hat. Die Unionisten haben wiederum erwartet, dass die Sozialdemokraten einen besseren Kandidaten vorschlagen werden. Dem Chef der Unionisten, Petr Mares, zufolge, fänden sie Diplomaten wie Alexander Vondra oder Pavel Telicka besser geeignet. Der erste vertrat Tschechien als Botschafter in den USA, Telicka tut es nun als Chefunterhändler bei der EU in Brüssel.
Die oppositionellen Bürgerdemokraten präsentieren auch einen für sie besseren Kandidaten, den ehemaligen Umweltminister Bedrich Moldan. Dieser erklärte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk, falls er tatsächlich zum EU-Kommissar gewählt werden sollte, dann würde er sich am liebsten der Ökologie widmen. Aber er habe auch andere Spezialisierungen, und das sind Bildung und Forschung:"Damit beschäftige ich mich seit längerer Zeit, nicht zuletzt bin ich Universitätsprofessor und weiß, worum es geht. Ich war unter anderem verantwortlich für die Verhandlungen des Beitrittskapitels Bildung und Wissenschaft."
Was hat aber nun Premier Vladimir Spidla dazu bewegt, sich für Kuzvart als den designierten Kommissar zu entscheiden?
"Ein erfahrener Minister zu sein, ist eine gute Qualifikation. Der Posten des Umweltministers hat zudem eine vielfältige Agenda, die große Wichtigkeit besitzt. Milos Kuzvart ist international tätig und seine Position im Parlament beweist auch, dass seine Person politisches Gewicht hat."
Und was sagt der nominierte Kandidát, Milos Kuzvart selbst?
"Dieses Angebot ist für mich die Bestätigung dessen, dass ich die Funktion des Ministers in der vergangenen Regierung gut erfüllt habe. Es ist ein Angebot, das ich sehr schätze und das ich in der vergangenen Woche nach Konsultationen mit Premier Spidla und weiteren Mitgliedern der Leitung angenommen habe."
Spidla schließt aber nicht aus, dass noch weitere Kandidaten aufgestellt werden können und die abschließende Entscheidung letztlich durch EU-Kommissionschef Romano Prodi getroffen wird. Für den Leiter des Instituts für europäische Politik, David Kral, ist die Nominierung nicht allein nur eine interne Sache der Tschechischen Republik:"Der designierte Kommissar muss vom Europäischen Parlament bestimmt werden. Also es ist nicht so, dass man über die Person nur in der tschechischen politischen Szene entscheiden würde. Nichtsdestotrotz ist die Nominierung ein besonderes Vorschlagsrecht der Regierung."
Und was sagte der tschechische Präsident Vaclav Klaus zu dem Kandidaten? Klaus, der allerdings selbst keinen guten Ruf in der EU genießt, ließ sich dazu so vernehmen (Zitat): "Ich werde wegen der Nominierung von Milos Kuzvart bestimmt keinen Hungerstreik anfangen."
Schon monatelang vor der Nominierung spekulierte man über den Namen des tschechischen Kandidaten, dies vor allem in den Medien. Die Ernennung des Kommissars unterliegt in keinem Land festgeschriebenen Kriterien. Von jedem Land wird eine Person vorgeschlagen, die dann in der Regel vom Chef der Europäischen Kommission, Romano Prodi, ins Amt gehoben wird. Gerade diese "freien" Bedingungen bei der Auswahl des geeigneten Kandidaten machten es hierzulande noch komplizierter. Denn Kandidaten gebe es viele, meinte in den vergangenen Tagen Premier Vladimir Spidla. Andererseits merkte er auch an (Zitat): "Wir verfügen über ausreichend gut ausgebildete Personen in den verschiedensten Bereichen. Oft beherrschen sie aber keine Fremdsprache". (Zitatende) Bei der Suche nach einem EU-Kommissar ist dies allerdings einer der wichtigsten Faktoren - neben der politischen Ausstrahlung und Erfahrung, die man am besten als Minister gesammelt haben sollte.
Bezieht man also diesen Faktor mit ein, bleiben kaum noch Kandidaten übrig. Die Sozialdemokraten sprachen in den vergangenen Tagen über vier Personen. Bei dreien von ihnen handelt es sich um ehemalige Minister - bei Jiri Dienstbier, Petr Lachnit und Kvetoslava Korinkova. Der vierte Anwärter war der tschechische EU-Chefunterhändler Pavel Telicka. Mit seinen fundierten Sprachkenntnissen und seiner Erfahrung als Chefunterhändler sowie nun als tschechischer Botschafter bei der EU hätte Telicka auf die Unterstützung aller Koalitionsparteien zählen können. Bei den Überlegungen vor der Ernennung spielten aber auch andere Faktoren eine nicht unbedeutende Rolle, spekulierten die Medien. Bei einigen Kandidaten aus den Reihen der Sozialdemokraten, so die Tageszeitungen, ginge es doch nur darum, unangenehme Personen möglichst fernab vom Prager Regierungsalltag zu wissen. Das krasseste Beispiel war der ehemalige Außenminister und UNO-Vollversammlungs-Vorsitzende Jan Kavan, der in der Zeit seiner Außenministertätigkeit eine Reihe an Skandalen auf sich gezogen hatte. Später hatte Kavan eine Beglaubigung des Nationalen Amtes für Sicherheit über den Zugang zu Geheimdokumenten nicht erhalten. Doch die Spekulationen über seine Kandidatur stellten sich schließlich als übertrieben heraus.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt