EU-Konformität oder EU-Konformismus?

Foto: Europäische Kommission

Bald wird die Europäische Union erweitert. Und die neuen Staaten suchen ihre Position, ihren Platz innerhalb der Gemeinschaft. Das ist für beide Seiten nicht ganz einfach. Denn an neue Gegebenheiten müssen sich alle Beteiligten anpassen. Dazu die folgende Betrachtung von Alexander Schneller.

Foto: Europäische Kommission
Bald ist es soweit. Tschechien wird am 1. Mai dieses Jahres mit einigen anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks in die Europäische Union eintreten. Und die Vorbereitungen laufen hüben und drüben auf Hochtouren. Hüben in den Beitrittsländern muss eine eigentliche Sisyphosarbeit geleistet werden. Tausende von Gesetzen und Vorschriften mussten und müssen neu formuliert werden, müssen angepasst werden. Drüben, in den Nachbarländern wie zum Beispiel Österreich oder Deutschland, begibt man sich in die besten Startpositionen, denn ein lukrativer neuer Markt winkt.

Dass Tschechien bereits die meisten Kriterien erfüllt, wie die zuständigen EU-Kommissare verlauten lassen, hören wir mit Zufriedenheit, obwohl eine gewisse Skepsis bleibt. Im täglichen Leben, vor allem im Umgang mit den Ämtern, merkt man als Otto Normalverbraucher nämlich noch recht wenig davon. Allenfalls die zunehmenden Teuerungsschübe erinnern uns daran, dass die Angleichung an die EU nicht gratis zu haben ist. Aber das war bereits bekannt, als eine überwiegende Mehrheit der Tschechinnen und Tschechen in einem Referendum dem Beitritt zustimmte.

"Angleichung" ist das entscheidende Wort. "Sich angleichen an etwas oder jemanden" heisst: etwas anderes übernehmen auf Kosten des Eigenen. Oder zumindest etwas vom Eigenen gegen anderes austauschen.

Natürlich ist von der Wortfamilie her der Begriff "Gleichmacherei" nicht weit. Aber beim Angleichungsprozess an die EU geht es nicht um fremdbestimmte Gleichmacherei, sondern um die freiwillige Anpassung an gemeinsam erarbeitete Normen, die sich am Prinzip: Gemeinsam sind wir stärker! orientieren. Anpassen heisst ja auch "etwas in Einklang bringen". Also: Das Tschechische mit dem Europäischen in Einklang bringen. Und umgekehrt. Das klingt doch schon entschieden besser als Angleichung im Sinne von Gleich-Machen.

Allerdings liest man in der Presse immer wieder die Wortschöpfung "EU-konform". Die Wirtschaft der neuen Beitrittsländer muss "EU-konform" gestaltet werden. "Konform" bedeutet zunächst übereinstimmend, gleich gestimmt. So gehe ich "mit jemandem konform", von lateinisch conformis "gleichförmig, ähnlich", das heißt ich bin einer Meinung mit jemandem. So weit so gut. Nun gibt es zwei Substantive zum Adjektiv "konform". Das eine heisst "Konformität", das andere "Konformismus".

"Konformität" betont die Gleichheit im Sinne der Übereinstimmung, der Gleichstimmung. Ist also das Ergebnis einer demokratischen, diskursiven Entwicklung. "Konformismus" hingegen bedeutet die "Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung". Genau hier liegt sicher die Angst vieler EU-Skeptiker in Tschechien, aber auch anderswo, dass sie fürchten, in der EU werde man wieder gleichgeschaltet, der herrschenden Meinung angepasst, wie auch schon innerhalb eines anderen Regimes.

Deshalb ist es wichtig herauszustreichen, dass die EU in Zukunft nur Erfolg haben kann, wenn sie Konformität und nicht Konformismus von ihren Mitgliedern verlangt. Und deshalb ist das vorläufige Scheitern der EU-Verfassung auch kein Unglück. Denn zu einer echten Konformität braucht es noch etwas mehr Diskurs und Demokratie als bisher.