Boskovice und die Familie Mensdorff-Pouilly

Boskovice

Erste historisch belegte Erwähnung des Ortsnamens: 1243. 1494 in den Rang einer Stadt erhoben. Einwohnerzahl: 11000. Geografische Lage: Südmähren. Die Rede ist von Boskovice, einer Stadt, in der die Geschichte im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Spuren hinterlassen hat. Jitka Mladkova hat vor einiger Zeit Boskovice besucht, dort vieles gesehen und auch interessante Menschen getroffen. Unter anderem die altneuen Schlossherren, die aus der Geschichte der Stadt nicht wegzudenken sind. Mehr hören Sie in der nun folgenden Ausgabe der Sendereihe Begegnungen:

Das Schloss in Boskovice
Im Rahmen der umfassenden Transformation des Landes wurde in den 90er Jahren in Tschechien auch ein breit angelegter Restitutionsprozess in Gang gesetzt. Nach über 40 Jahren konnte ein Großteil des durch das kommunistische Regime beschlagnahmten Privatvermögens den ehemaligen Eigentümern zurückgegeben werden. Zu diesen zählten auch etliche Adelsfamilien, die einst eine Burg bzw. ein Schloss in ihrem Besitz hatten. In Boskovice war es die aus Frankreich und Österreich stammende Familie Mensdorff-Pouilly, die hier seit 1856 in einem aus architektonischer Sicht hoch geschätzten Empireschloss ihren Sitz hatte.

Das Schloss von Boskovice hatte Glück: im Unterschied zu vielen anderen Immobilien der besonderen Art hat es die Zeiten der kommunistischen Regierung in relativ gutem Zustand überdauert. Das Schicksal der Familie Mensdorff-Pouilly hingegen wurde nach 1948 stark von den politischen Verhältnissen im Lande geprägt. Ihr Adelsstatus passte nicht ins Konzept der neuen Machthaber, und so musste sie weg von der Bühne. Um einen Rückblick auf die heillose Zeit bat ich in einem Gespräch zwei Zeitzeugen: die Brüder Friedrich und Hugo Mensdorff-Pouilly.

Wie war das Schicksal der Familie Mensdorff - Pouilly nach dem 2.Weltkrieg und namentlich nach dem kommunistischen Umsturz von 1948?

Friedrich Mensdorff - Pouilly:

"Was mich persönlich betrifft, bin ich aus der Republik verschwunden und nach Österreich gekommen. Nachgekommen ist dann mein Bruder Albert, dann auch der jüngste Bruder Johannes. Wir sind draußen - wir drei, und die anderen sind hier geblieben.

Hugo Mensdorff - Pouilly:

"Man darf aber nicht vergessen, dass im Jahr 1939 die Nazis kamen, was für uns nicht einfach war. Unser Vater hat sich nämlich immer als Tschechen bezeichnet und hat daran auch während des Krieges festgehalten. Deswegen hatten unsere Eltern große Schwierigkeiten. Der Vater war sogar eine Zeit lang in der Gestapo-Haft. Das war für unsere Mutter mit acht Kindern wirklich nicht einfach. Das war so bis 1944. Und noch eins muss dazu gesagt werden. Wir hatten drei kranke Geschwister: Unser ältester Bruder Emanuel und die Schwestern Maria und Ida.

Boskovice
Das war schon während des Krieges, und nach dem Krieg ist die Situation immer schwieriger geworden. Es mangelte an Personal und sie konnten sich nicht bewegen, mussten von früh bis spät betreut werden. So ging das nicht mehr weiter, und so kamen sie in eine Anstalt in Brno. Damals hieß sie Vincentinum. Im 1948 ging es darum, dass die Eltern und wir fünf Kinder von hier weg kommen. Drei waren also schon draußen. Die Eltern mit der jüngsten Schwester Therese und ich sind zurückgeblieben. Wir hätten auch gehen sollen, aber das ist misslungen. Wir waren eingesperrt, dann wieder entlassen und dann sind wir hier geblieben."

Wo wurden Sie eingesperrt?

"In Bratislava. Dort wurden wir eingesperrt, und dort sind wir auch im Gefängnis gewesen."

Wie war es in den danach folgenden Jahren. Haben Sie die ganze Zeit im Schloss leben dürfen?

"Es ist eine komische Sache, ich danke für diese Frage. Es ist interessant, die Eltern haben wirklich bis zu ihrem Tod hier gelebt. Ich bin von hier verschwunden, weil ich keine Beschäftigung fand. Es gab nur Schwierigkeiten, und ich bin durch, was weiß ich, durch ein Wunder oder irgendwie in Prag angekommen und habe seither in Prag gelebt und lebe teilweise immer noch in Prag. Meine Schwester Therese hat hier gearbeitet und war bei den Eltern. Dann hat sie geheiratet, war einige Zeit in Brünn, und dann ist sie mit zwei Kindern vom Land weggezogen und in Kanada gelandet."

Ich nehme an, Sie waren auch in Prag in Ihrer Berufsausübung eingeschränkt?!

"Ja, ja, sicher! Aber auch das konnte man überleben."

Hatten Sie Kontakt zu diesem Ort, zu Boskovice, während der ganzen Jahre der kommunistischen Diktatur?

"Erstens waren meine Eltern hier. Das war immer unser Zuhause".

Und nachdem Ihre Eltern verstorben waren, (in den 70er Jahren), kamen Sie dann noch nach Boskovice?

Hugo und Friedrich Mensdorff-Pouilly
"Ja, ab und zu, aber nicht sehr oft. Es ist wirklich unglaublich, aber ich habe eigentlich nie woanders gewohnt als hier im Schloss, obwohl wir die Wohnung der Eltern nach ihrem Tod auflösen mussten und ich kein Recht hatte, hier zu bleiben. Die ganze Zeit bis 1989."

Wenn Sie hie und da, wie Sie sagen, nach Boskovice gekommen sind und etwas gesehen haben, was Ihnen nicht gefallen hat, konnten Sie es jemandem sagen?

"Das hat keinen Sinn gehabt. Man hat sich seinen Teil gedacht. Ich hatte hier aber immer Freunde oder Bekannte gehabt, und mit denen konnte ich auch offen reden. Aber das hat nichts gebracht, wenn man darüber gesprochen hat."

Was ist mit dem Schloss in all den Jahren passiert?

"Es ist das Glück des Schlosses, weil es ein Empireschloss ist, das ist ein sehr reines Empire, hergerichtet in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Kommunisten mussten alles klassifizieren, sonst ging das nicht. Das Schloss ist in eine gute Klasse gefallen, deswegen ist es irgendwie erhalten geblieben. Es war hier aber ein Heim für Mädchen, und da muss ich sagen, wenn Mädchen zusammen sind, gibt es viel mehr Ärger als wenn Burschen zusammen sind. Das war entsetzlich, was die getan haben. Daran kann ich mich noch gut erinnern, aber das ist jetzt nebensächlich. Also hier war ein Heim, und in jener Zeit sind große Schäden entstanden. Die Mädchen mussten sehr schnell das Schloss verlassen. Das Haus war brüchig geworden, und in einem Teil wurde auch die Gefahr eines Einsturzes groß. Da hat der Staat sehr viel Geld aufwenden müssen, um das in Ordnung zu bringen."

Wenn ich richtig verstanden habe, haben Ihnen die Haare zu Berge gestanden, als Sie nach 1989 nach Boskovice zurückgekommen sind.

"Nein, das kann man nicht sagen. Erstens war man froh, dass diese Zeit bzw. die Änderung gekommen ist. Von einer Revolution will ich nicht reden, weil es keine Revolution gab. Das ist alles Quatsch! Aber trotzdem, es ist zu einer Änderung gekommen. Man konnte dem lieben Gott danken, dass es gekommen ist. Dann haben wir halt gesagt, es ist so wie es ist, Gott sei Lob und Dank, dass es so ist, und jetzt müssen wir irgendwo anfangen, und wir fangen wieder an. Also nicht die Haare zu Berge gestanden, so war es nicht. Gott sei Lob und Dank, dass wir zurück durften."

Friedrich Mensdorff-Pouilly:

"Nach Hause!"

Hugo Mensdorff-Pouilly:

"Ja, außerdem nach Hause. Wir alle, alle fünf, die wir damals noch gelebt haben!"

Nach der langen Pause waren die Mensdorffs- Pouillys - wie sie sagen - wieder zu Hause, um hier wieder festen Fuß zu fassen. Wie es dann weiterging, erfahren Sie heute in zwei Wochen - wieder in der Sendereihe Begegnungen!