Die Tschechische Kultur im Wertewandel?
Die Zeiten ändern sich. Und so manch einer kann ihnen auch nicht folgen. Die fröhlichen Volkslieder müssen heute mancherorts den schrillen Klängen der Pop Musik weichen. Generationskonflikt oder eine Gesellschaft im Wandel? Katrin Müller fragt nach.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus fand eine regelrechte Reizüberflutung statt. In den Bereichen des Alltags, die zuvor mehr oder weniger festen Verhaltensweisen unterlagen, war man plötzlich frei in allen seinen Entscheidungen. Die Auswahlmöglichkeiten waren von heute auf morgen schier unbegrenzt. Doch je größer die Auswahl, desto schwieriger ist auch die Entscheidung über richtig und falsch. Interessant ist die Tatsache, dass viele dieser neuen Möglichkeiten ihren Ursprung in der westlichen Kultur haben. In der Straße, in der früher die kleinen tschechischen Lebensmittelgeschäfte waren, ist heute ein Hypermarkt. Ich wollte von dem Kulturwissenschaftler Dominik Lukes wissen, was sich in der heutigen tschechischen Wertegesellschaft geändert hat. Kann man wirklich von einer Verwestlichung der Kultur sprechen?
"Da ist zum einen die Sprache. Es werden eine Menge englischer Ausdrücke und Wörter benutzt. Gerade im Berufsleben wird viel auf die englische Sprache zurück gegriffen. Außerdem reisen die Leute mehr. Sie werden immer offener. Man kann nicht unbedingt davon reden, dass sich die Werteeinstellungen ändern. Aber sie öffnen sich mehr der Gesellschaft. Die Zahlen belegen, dass immer mehr Menschen ins Ausland reisen. Ich glaube, dass sich die Köpfe öffnen. Mehr und mehr Leute interessieren sich für das neue Unbekannte. Aber dennoch glaube ich nicht, dass sich die Werte an sich ändern."
Dominik Lukes meint, dass das, was man beobachten kann nur die Oberfläche tangiert. Weiterhin stellt er fest, dass die Veränderungen der Werte und Normen seit 1991 keine große Bedeutung haben. Kritiker hingegen behaupten, dass alles schlimmer wird und, dass auch die Tschechen die oberflächliche, westliche Lebensweise annehmen. Lukes hält jedoch an seiner Meinung fest und behauptet das Gegenteil.
"Das Fernsehen hat einen gewaltigen Einfluss. Die Leute sehen sich die US-amerikanischen Seifenopern und Fernseh-Shows an. Was man da sieht, ist vollkommen anders als das, was man bisher kannte. In solchen Shows wird eine ganze andere Sichtweise vermittelt. Diese Dinge könnten die Kultur eventuell ein wenig verändern. Aber wie gesagt, das kratzt nur an der Oberfläche, hat aber sonst keinen Einfluss auf traditionelle Werte. Man kann nicht einfach fast zwei Jahrhunderte der Nationenbildung ungeschehen machen und erst recht nicht innerhalb eines Jahrzehntes."