100 Tage EU aus Sicht der tschechischen Landwirtschaft

Foto: CTK

Hundert Tage - so lange ist sie für gewöhnlich, die politische Gnaden- bzw. Bewährungsfrist. Nach hundert Tagen wird erstmals abgerechnet, bilanziert, neubewertet und kritisiert. Das gilt für ganze Regierungen, einzelne Minister, Präsidenten, und derzeit - im Falle Tschechiens - auch für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Der Tschechische Landwirtschaftsverband hat am Dienstag zu einer Bilanzpressekonferenz geladen. Thema: 100 Tage EU aus Sicht der tschechischen Bauern. Gerald Schubert war dabei:

Foto: CTK
Im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen galt sie, wie in anderen Ländern auch, als eines der Sorgenkinder: Die Landwirtschaft. Die Direktzahlungen aus Brüssel seien im Vergleich mit den alten EU-Ländern zu niedrig, meinten damals viele Bauern, und veranstalteten mehrere Demonstrationen im Prager Stadtzentrum. Manche waren auch der Ansicht, dass diverse Anbauquoten der tschechischen Landwirtschaft Schaden zufügen könnten. Miroslav Jirovský, Vorsitzender des Tschechischen Landwirtschaftsverbandes, bilanzierte am Dienstag seine Erfahrungen aus den ersten 100 Tagen in der EU. Auf der positiven Seite nennt er an erster Stelle Preisstabilität:

"Der Beitritt hat uns gezeigt, dass es innerhalb der EU zu keinen extremen Preisschwankungen kommt. Wir haben die Möglichkeit bekommen, das durchschnittliche Preisniveau für landwirtschaftliche Produkte nun an das der gesamten EU anzunähern. Darauf werden wir auch weiterhin achten - auch wenn es anfangs noch Unterschiede geben wird."

Negativ bewertet Jirovský vor allem ein konkretes Versäumnis tschechischer Politiker:

Foto: CTK
"Keiner von unseren 24 Abgeordneten im Europaparlament hielt es für nötig, Mitglied des Landwirtschaftsausschusses zu werden. Ich halte das für ein sehr ernsthaftes diplomatisches Versäumnis. Tschechien hat dort nur zwei Ersatzleute. Und das ist sehr wenig, wenn man bedenkt, dass durch den Landwirtschaftsausschuss 50 Prozent des EU-Budgets gehen."

Gerade die jüngste Diskussion rund um die Zuckerproduktionsquoten hätte laut Jirovský gezeigt, wie wichtig die direkte Vertretung tschechischer Interessen in diesem Bereich wäre. Hintergrund: Ein von Landwirtschaftskommissar Franz Fischler ausgearbeiteter Reformplan sieht hierzulande die Senkung jener Quoten vor, Tschechien befürchtet, zwangsweise zum Zuckerimporteur zu werden.

Die Diskussion in dieser Angelegenheit wird im Herbst fortgesetzt. In den meisten Bereichen, etwa hinsichtlich der Unterstützungszahlungen aus der EU, der Exporte landwirtschaftlicher Produkte, oder der Entwicklung der Getreidepreise bewertet Jirovský die EU-Mitgliedschaft jedoch positiv.