Gustav Mahlers Geburtshaus in Kalischt - ein lebendiger Organismus
Kaliste u Humpolce, auf Deutsch Kalischt, ist ein kleines Dorf auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, das nur etwa 200 Einwohner zählen dürfte. Heute würde man das Dorf kaum kennen, wäre dort nicht der weltberühmte Komponist und Dirigent Gustav Mahler geboren. In der folgenden Ausgabe von "Reiseland Tschechien" möchten wir Sie ins Mahlers Geburtshaus begleiten, in dem sich heute ein Musikzentrum befindet.
Das Geburtshaus des Musikers zog lange Jahrzehnte keine Aufmerksamkeit auf sich, vor wenigen Jahren wurde es aber zu neuem Leben erweckt. Daran haben sich die Stiftung 'Musica noster amor' und ihr Nachfolger, die Bürgervereinigung 'Mahler 2000' verdient gemacht. Über die Entstehung der Idee, das Geburtshaus des Komponisten zu rekonstruieren und umzubauen, berichtet ihr Sekretär, Dr. Jiri Stilec:
"Da muss ich nach einer persönlichen Geschichte greifen. Ich habe einmal im Juli 1995 Kaliste u Humpolce besucht und mich dafür interessiert, wie das Geburtshaus Gustav Mahlers aussieht. Als ich dort eintraf, stellte ich fest, dass es sich in einem sehr erbärmlichen Zustand befindet. Dies hat mich auf die kühne Idee gebracht, eine Gruppe von Menschen zusammen zu bringen, die das Haus wieder beleben würde. Dies ist im Laufe von zehn Jahren gelungen."
Der erste Schritt war dabei, das Haus für die Gemeinde Kalischt zu erwerben:
"Es gehörte damals der Familie Kratochvíl, die dort früher ein Gasthaus betrieben hatte. Interessant ist, dass die Familie Kratochvíl das Haus vom Vater Gustav Mahlers, Bernard Mahler gekauft hatte. Heute ist das Haus im Besitz der Gemeinde Kalischt und unsere Gesellschaft 'Gustav Mahler 2000' finanziert und verwaltet es und kümmert sich darum."
Gustavs Vater Bernard Mahler betrieb in Kalischt ein Gasthaus und vermietete eine Brennerei. Nur wenige Monate nach der Geburt des Sohns zog die Familie jedoch in die nahe Stadt Jihlava / Iglau um. Gibt es Berichte darüber, dass Gustav Mahler sein Geburtsdorf später besuchte?"Gustav Mahler besuchte regelmäßig seine Verwandten in Ledec. Und die Straße nach Ledec führte an dem Gasthaus vorbei, was bis heute gilt. Also es wäre eine Spekulation, dass er direkt in dieses Haus zurückgekehrt wäre und sich dort mit dem Vater auf der Reise erfrischt hätte, sie müssen aber hundertprozentig vorbei gefahren sein."
Die Idee, das Mahler-Haus zu erneuern und umzubauen, wurde im Kopf von Jirí Stilec geboren. Allmählich entwickelte sich auch seine Vorstellung, was in dem Haus entstehen soll.
"Ich wollte keine tote Museumsausstellung aufbauen. Wir wollten von Anfang an, dass dort etwas wie ein lebendiger Organismus entsteht. Ich hatte immer die Vorstellung, dass sich Studenten, junge Leute, Touristen dort treffen sollten, es sollte ein lebendiges Haus sein, in dem Kompositionskurse und andere Seminare stattfinden, in dem die Leute zusammenkommen, in dem es auch eine Gaststätte gibt. Ein Haus, das lebt, das kein totes Museum ist."
Das Haus zieht heute die Aufmerksamkeit von Touristen und Kennern des Mahler-Werkes aus der ganzen Welt auf sich. In Kalischt finden sie natürlich doch auch eine Ausstellung:
"Es gibt dort eine Ausstellung, die sich auf den Aufenthalt Gustav Mahlers auf der Böhmisch-Mährischen Höhe bezieht, mit Faksimiles von Archivdokumenten. Und eine weitere Ausstellung betrifft das Verhältnis Gustav Mahlers zur Tschechischen Philharmonie, seine Wirkung als Dirigent zu der Zeit, als er die Weltpremiere seiner 7. Symphonie leitete."
Der Umbau des Geburtshauses Gustav Mahlers in Kalischt wurde in diesem Jahr mit dem Grand Prix der Tschechischen Architektengemeinde ausgezeichnet. Das Projekt entstand in der Werkstatt des Architekten und Hochschullehrers Vladimír Krátký. Interessant ist dabei, dass sich an der Arbeit auch seine Studenten beteiligten:
"Wir wollten Gustav Mahler als eine lebendige, lebensfähige Persönlichkeit zeigen und dessen Musik mit der jüngsten Generation verknüpfen. Und so haben wir Herrn Krátký gebeten, die Rekonstruktion des Geburtshauses Gustav Mahlers seinen Studenten als Thema für deren Diplomarbeiten anzuvertrauen. Danach haben wir ein Jahr lang seine Seminare besucht und mit Studenten über ihre Projekte diskutiert. Sie hatten eine völlig freie Hand, konnten alles machen, auch eine extreme Lösung vorschlagen, wie alles niederzureißen und zum Beispiel ein Betondenkmal dort zu errichten. Eine der Studentenarbeiten wurde tatsächlich zur Grundlage für die Rekonstruktion, obwohl das definitive Projekt von Herrn Krátký entworfen wurde."
An die Grundsteinlegung für den Bau des Prager Nationaltheaters könne wohl eine Idee erinnern, die im Jahre 1998 realisiert wurde, erzählt Jirí Stilec weiter:
"Wir haben etwa fünfzig bedeutende Persönlichkeiten der Welt, wie z. B. Bill Gates, Václav Havel, Luciano Berio, gebeten, einen Brief für das 21. Jahrhundert zu schreiben. Es sollte ein Brief sein, der sich durch das Vermächtnis Gustav Mahlers und durch das Streben nach der Erhaltung des europäischen kulturellen und geistigen Erbes inspirieren lässt. Wir haben einen großen Kupfer-Tubus hergestellt und die Briefe darin aufbewahrt, zusammen mit den Zeitungen von jenem Tag und anderen Dokumenten aus dem Jahr 1998. Wir haben alles eingemauert und wir hoffen, dass unsere Nachfahren im Jahre 2098 diesen Tubus entdecken und diese Botschaften von uns, den Menschen die an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert lebten, darin finden werden."Schrittweise wächst rund um das Haus in Kalischt auch ein Rosenpark. Seit dem ersten Jahr pflanzen dort nämlich bedeutende Persönlichkeiten entweder selbst ihre Rosen ein, oder sie schicken diese.
"Es gibt dort Rosen von den großen tschechischen Dirigenten Rafael Kubelík, Václav Neuman und Zdenek Kosler, es gibt dort eine Rose, die Thomas Hampson eingesetzt hat. Es gibt dort eine Rose des Gustav-Mahler-Jugendorchesters, eine Rose Claudio Abbados. Es entsteht dort ein schönes Rosarium. Es ist immer schön, wenn es im Sommer blüht und man den Besuchern zeigen kann, es sind Rosen zum Andenken an Gustav Mahler."
Unsere Quizfrage:
Wie viele Symphonien hat Gustav Mahler geschrieben?
Schreiben Sie uns an: Radio Prag, Vinohradská 12, 120 99, Praha 2 oder per E-mail an: [email protected].
Die richtige Antwort auf unsere Frage vom August lautet: Die Rosamunde-Polka von Jarmír Vejvoda ist im englischen Sprachraum als "Beer Barrel Polka" bzw. als "Roll out the Barrel" bekannt. Eine CD mit den Slawischen Tänzen von Antonín Dvorák geht an Fritz Andorf aus Meckenheim. Herzlichen Glückwunsch!