Medienstimmen zum Auftritt des künftigen EU-Kommissars Spidla in Brüssel und zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Otto von Habsburg
Zu unserem regelmäßigen Blick in die tschechischen Medien lädt Sie im Folgenden Robert Schuster ein und zwar bei einer weiteren Ausgabe der Rubrik "Im Spiegel der Medien".
Liebe Hörerinnen und Hörer, auch heute haben wir wieder versucht einen bunten Reigen an Themen für Sie zusammenzustellen, die in der abgelaufenen Woche im Mittelpunkt der Berichterstattung der tschechischen Medien standen.
Am Montag vergangener Woche begannen in Brüssel im Europaparlament die Anhörungen der künftigen Mitglieder der Europäischen Kommission. Für den tschechischen Vertreter im besagten Gremium, den früheren sozialdemokratischen Premierminister Vladimir Spidla wurde es gleich am Montag ernst, denn er musste als erster der 24 neuen Kommissare das so genannte "Grillen", wie diese Anhörungen vor den zuständigen Fachausschüssen im Brüsseler Jargon genannt werden, über sich ergehen lassen. Spidla ließ, um in Bereich des Kochens zu bleiben, bei seinem ersten großen Auftritt in der EU-Metropole nichts anbrennen. Er ließ sich auf keine detaillierten Debatten mit den Mitgliedern seines Ausschusses für soziale Fragen ein und präsentierte somit eher seine allgemeinen Vorstellungen über Sozialpolitik. Bohrende oder unangenehme Fragen von Seiten der Abgeordneten kamen eigentlich nur von Mandataren der tschechischen Oppositionsparteien.Einer der vielen tschechischen Journalisten, die vor Ort den Auftritt Vladimir Spidlas verfolgten, war auch der Brüsseler Korrespondent der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny, Milan Fridrich. In seinem Kommentar zu diesem Thema schrieb er unter anderem:
"Man sagt, dass niemand in seinem Geburtsort Visionär sein kann, weil ihn dort alle kennen und über seine ersten Schritte und Fehler Bescheid wissen. Geht er aber in die weite Welt hinaus, hat er gute Chancen, dass er jemanden von seinen Träumen und Vorstellungen überzeugen kann. Spidla zeigte während seiner ersten Anhörung im Europaparlament, dass er keine vergleichbaren Ambitionen hat. Tschechien hat eben einen Beamten in die Kommission geschickt. Ist daran etwas Schlechtes? Sicher nicht. Besser ein aufrichtiger Mohr als ein bezaubernder Schwindler. Dieses Europa braucht aber Visionen und Menschen, die sie vertreten, denn ansonsten wird Europa wirklich nur ein gut geölter bürokratischer Koloss bleiben."Mit den inhaltlichen Aussagen des künftigen tschechischen Mitglieds der EU-Kommission setzte sich Viliam Buchert in der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes auseinander. Kritik übte er an der geäußerten Meinung Spidlas, wonach das gegenwärtige Sozialmodell innerhalb der Union zu erhalten sei. Zitat:
"Die Entwicklung in Tschechien und in den übrigen Ländern zeigt, dass der Sozialstaat in seiner heutigen Form nicht aufrechterhalten werden kann. Im Fall der Renten liegen die Entscheidungen nach wie vor bei den nationalen Regierungen und da kann ein EU-Kommissar nichts beeinflussen. Ganz anders ist es aber in der Frage, wie man bei der Erhaltung der sozialen Leistungen des Staates das Gleichgewicht zwischen dem öffentlichen und dem privaten erhalten kann. Der überzeugte Sozialist Spidla kann sich jedoch nicht vorstellen, dass auch der private Sektor soziale Dienstleistungen gewähren kann, die der Öffentlichkeit zugute kommen können."
Soweit die Meinung von Viliam Buchert von der Tageszeitung Mlada fronta Dnes.
Vergangenen Dienstag wurde in Tschechien zum vierten Mal der Feiertag des böhmischen Landespatrons, des hl. Wenzel, auch als Staatsfeiertag begangen. Viele Tschechen haben sich natürlich den vorangehenden Montag frei genommen und sich nach dem Wochenende zwei zusätzliche freie Tage gegönnt. Verschiedene Umfragen, die vor diesem Feiertag veröffentlicht wurden zeigten jedoch, dass die meisten Befragten eigentlich gar nicht wussten, warum es diesen zusätzlichen Feiertag gibt und dass er mit der Person des hl. Wenzel und der frühen böhmischen Geschichte zusammenhängt.
Mit der Vergangenheit des Landes, auch wenn sie, wie im Fall des hl. Wenzel noch nicht so lange zurückliegt, hängt auch das zweite Thema zusammen, dem wir uns in unserem Medienrückblick widmen wollen. Vergangenen Sonntag wurde nämlich im westböhmischen Kurort Franzensbad/Frantiskovy Lazne eine Statue zu Ehren des früheren österreichischen Kaisers Franz-Josef eingeweiht. Aus diesem Anlass verlieh die Stadt dem heutigen Oberhaupt des früheren Herrscherhauses Habsburg-Lothringen, Otto von Habsburg, die Ehrenbürgerschaft für Verdienste um die Stadt. Am feierlichen Akt nahm unter anderem auch der tschechische Außenminister Cyril Svoboda teil, was einen Teil der tschechischen Presse zu kritischen Äußerungen verleitete.Stellvertretend dafür bringen wir Ihnen, verehrte Hörerinnen und Hörer, nun einige Passagen aus einem Meinungsartikel von Jiri Franek, der in der linksorientierten Tageszeitung Pravo erschienen ist. Der Autor stieß sich an den Aussagen des christdemokratischen Außenministers, wonach man heute die frühere Monarchie nicht mehr als etwas ansehen soll, was sich überlebt hätte und wiederum zu einigen in der damaligen Zeit hochgehaltenen konservativen Werten zurückkehren sollte.
"Es wäre gut, wenn der Herr Minister sagen würde, welche konservativen Werte er meinte. Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, dass ein wichtiger Vertreter der christdemokratischen Volkspartei nach wie vor jenem Einflussverlust nachtrauert, den die katholische Kirche bei der Republikgründung eingebüßte und das eigentlich diese Feier nur Bestandteil jenes stillen Streites um die richtige Interpretation der tschechischen Geschichte war, die uns so viele Staatsfeiertage bescherte."Einige Tage später fand unweit von Franzensbad, in der Stadt Eger/Cheb aus dem selben Anlass eine Demonstration von etwa drei Hundert Anhängern und Mitgliedern des so genannten "Klubs des tschechischen Grenzgebiets" statt, einer nationalistischen Vereinigung, die seit Jahren auf Kundgebungen gegen die angeblich drohende Germanisierung Tschechiens im Grenzgebiet zu Deutschland und Österreich wettert. Dazu fanden wir eine Glosse von Ondrej Neff in der Internetzeitung Neviditelny pes, aus der wir Ihnen abschließend zitieren möchten.
"Die Demonstranten kritisierten alles Mögliche, unter anderem die vor kurzem erfolgte Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Franzensbad/Frantiskovy Lazne an Otto von Habsburg. Ungeachtet dessen ist es unbestritten, dass Otto von Habsburg ein überzeugter Gegner der Nazis war und stets zu den Fürsprechern unseres Landes gehörte. Aber jeder soll gegen das auf die Straße gehen, was ihn wirklich bedrückt. Ich bin nur neugierig, wann der Klub des tschechischen Grenzgebiets gegen die schleichende Russifizierung z.B. Karlsbads demonstrieren wird. Der russische Einfluss in dieser Stadt ist offenkundig und was die russische Mafia alles kann, ist ein öffentliches Geheimnis. Aber das scheint ja in Ordnung zu sein und dagegen muss man nicht demonstrieren."