Lucien Zell und "The Wavemen"
Am Mittwoch Abend spielten "The Wavemen" im Klub N11 auf der Narodni Trida. "The Wavemen" sind eine Prager Band: drei tschechische Musiker, die Gedichte des seit 6 Jahren in Prag beheimateten amerikanischen Dichters Lucien Zell vertonen und aufführen. Im heutigen Kultursalon stellt Ihnen Martina Zschocke die Band und den Poeten Lucien Zell vor.
Es ist später Abend im Klub N 11. Auf der Bühne stehen vier Musiker. Obwohl es der Besetzung nach eine Rockband ist - Schlagzeug, Bass und Gitarre - sind die Songs sehr poetisch. Am Mikrofon steht Lucien Zell: ein junger Mann mit Dreadlocks. Über ihn ist schon viel gesagt worden. Als "Troubadour des 21. Jahrhunderts" hatte ihn Alan Levy beschrieben, der ehemalige Chefredakteur der Prague Post - und der bekannte tschechische Dichter, Musiker und Regisseur Vladimír Merta sieht in ihm nicht weniger als den "Dichter der Zukunft". Wie er sich selbst beschreiben würde, fragte ich Lucien Zell: "Wenn ich über mich selbst nachdenke, würde ich sagen: Dichter, obwohl dieser Begriff leider eine Menge negativer und mittelmäßiger Qualitäten angesammelt hat. Aber ich fühle, dass ich ein Poet bin. Das ist etwas, was für mich ganz natürlich ist."
Lucien Zell sieht sich also in erster Linie als Dichter. Dennoch ist er gleichermaßen Musiker und ihm erscheint die Verbindung beider Welten geradezu organisch.
"Ich mache auch Musik. Ich schreibe Songs. Und für mich sind Musik und Poesie zwei Flügel desselben Vogels. Für mich fließen diese beiden unterschiedlichen Künste geradezu ineinander. Natürlich gibt es Songs, die keine großartigen Gedichte darstellen und großartige Gedichte, die sich nicht dazu hergeben von Musik begeleitet zu werden, aber ich heiße die Art von Gedichten willkommen, die Elemente von beidem besitzen, die als Gedichte und Songs funktionieren und die diese Art von Amphibienleben haben, die im Wasser, in der Luft und auf dem Land existieren können."
Seine Band "The Wavemen", bestehend aus Honza Sikl, Pavel Prokopic und Lukás Kosek, hat Lucien Zell vor anderthalb Jahren gefunden. Inzwischen haben sie mehr als 15 Songs komponiert und schon sehr oft in Prag gespielt.
"Es ist schön, Teil eines kollektiven Traums zu sein, wie einer Band. Als wir unser erstes Lied zusammen schrieben, das war Soul Fire Breakdown, haben wir alle die Magie im Raum gespürt. Die Musik ist etwas, was uns ganz stark verbindet".
Trotz aller Begeisterung für Musik, bleibt Poesie für ihn vorrangig. Auf die Frage, was ihn am Dichten fasziniert und was seine Lieblingsthemen sind, antwortet er:
"Also, ich denke, es gibt Motive, die in der Arbeit jedes Künstlers immer wiederkehren. Die Motive, die bei mir immer wieder vorkommen sind Bilder vom Fliegen, auch Symbole von Licht und Dunkelheit, Leidenschaft und Liebe. Ein Gedicht ist wie ein Samen, es ist oft ganz direkt ein Satz, auf den ein ganzes Gedicht hinausläuft. Ein Satz, der eine Stimmung, ein Konzept oder eine Idee enthält. Es ist eine Essenz und deshalb sind Gedichte manchmal so intensiv."
Lucien Zell stammt aus den USA und hat in Los Angeles und Seattle gelebt. Bevor er Dichter wurde, hat er es mit Theater versucht. Vom Cornish College of the Arts in Seattle bekam er ein Stipendium für ein Theaterstudium. Doch lange konnte ihn die Universität nicht halten. Bereits nach einem Semester brach er das Studium ab und ging für einige Jahre auf Reisen. Eine dieser Reisen führte ihn auch nach Prag.
"Ich habe Prag 1994 zum ersten Mal besucht und das war im ersten Jahr meines Sabbaticals von der Universität. Daraus ist inzwischen viel mehr als ein Sabbatical geworden. Ich bin immer noch in meinem Sabbatical - 11 Jahre danach und ich bin nicht zur Universität zurück gegangen. Und in irgendeiner Weise hatte ich das Gefühl, warum soll ich zur Univers-ity gehen, wenn ich das Universum entdecken kann. Als ich Prag das erste Mal besuchte, erschien es mir als aufregende und interessante Umgebung. Aber gleichzeitig war ich auf dem Weg und noch nicht willens mich irgendwo niederzulassen, so wunderschön es da auch sein mag. Ich bin weiter gereist nach Russland und in den Nahen Osten."
Mit 20 trifft er in Ungarn seine erste Frau. Sie reisen zusammen nach Italien, Griechenland und Israel und heiraten später in Seattle. Als 1998 ihre Tochter Eden Hanna Zell geboren wird, beschließt Lucien Zell sich in Prag niederzulassen. Inzwischen hat er drei Kinder. Die Beziehung zerbrach, aber in Prag ist er geblieben. Was ihn an Prag so fasziniert, dass er seit nunmehr 6 Jahren hier lebt, fragte ich Lucien Zell: "Ich denke, dass Prag definitiv gut ist - wegen seiner Größe - es ist groß genug, dass immer eine Menge Neues passiert und es passiert immer mehr, als ich wirklich wahrnehmen kann und gleichzeitig ist es klein genug, dass ich es zumindest schaffen kann, die wichtigsten Dinge, die hier laufen, zu bewältigen und mich nicht komplett draußen zu fühlen, im Vergleich zu viel größeren Städten wie z.B. London. London ist so groß und hat so verschiedene Welten, dass es unmöglich ist, Teil von allen zu sein. Wohingegen es in Prag möglich ist, wenigstens die wichtigsten Ausstellungen zu sehen, die hier laufen. Und Prag ist ein Labyrinth. Es ist voll von magischen Nuancen und von Geschichten. Für mich ist Prag wie eine Schwelle. Und was für mich auch wichtig ist an einem Platz, den ich mein Zuhause nenne, ist eine bestimmte Art von Harmonie, eine äußere ästhetische Harmonie, die idealerweise mit meiner inneren Harmonie übereinstimmt und das fühle ich in Prag. Ich kann in Gedanken in einer poetischen Welt sein und wenn ich vor die Tür trete, bin ich auch in einer poetischen Welt. Die Straßen von Prag sind poetisch und hier gibt es verschiedene Schichten von Leben und von Geschichten."
Von Lucien Zell ist inzwischen ein Buch erschienen "Eden´s Midnight Playground", das man unter anderem in der Anagram Buchhandlung kaufen kann. Das nächste Konzert der Band "The Wavemen" findet am 11. November um 20.00 Uhr im Café "Na pul cesty" im Zentralpark in Pankrac statt.