Tschechien lockt ausländische Arbeitskräfte

Foto: Europäische Kommission
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Globalisierung und Immigration: Das sind wohl weltweit zwei höchst frequentierte Worte - nicht nur im Vokabular der Politiker. Im Vergleich zu mehreren westeuropäischen Staaten ist Tschechien auf dem zuletzt genannten Gebiet eher ein Neuling. Außer relativ zahlreichen Arbeitern aus Vietnam und Kuba, die noch vor der Wende 1989 im Rahmen der so genannten internationalistischen Bruderhilfe in die damalige Tschechoslowakei eingeladen wurden, gibt es Migration im eigentlichen Sinne des Wortes hierzulande erst seit Anfang der 90 Jahre. Seit zwei Jahren läuft nun in der Regie des tschechischen Arbeitsministeriums ein Pilotprojekt zur Ausländerbeschäftigung. Am Dienstag wurde in Prag eine Zwischenbilanz vorgestellt. Jitka Mladkova berichtet:

Foto: Europäische Kommission
Zum Schutz des eigenen Arbeitsmarktes betreibt die Tschechische Republik eine sehr restriktive Politik im Hinblick auf die Ausländerbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote oszilliert seit einem Jahr um die 10 Prozentmarke, was rund einer halben Million Arbeitslosen entspricht. In diesem Lichte mag die Tatsache, dass ausländische Arbeitskräfte ins Land gelockt werden, paradox erscheinen. Vera Ivanovicova, die Managerin des eingangs erwähnten Projekts, sprach in diesem Kontext ebenfalls von einem Paradox in der Beschäftigungspolitik, das aber keineswegs ein tschechisches Spezifikum darstellt: trotz der existierenden Arbeitslosigkeit besteht zugleich auch ein Mangel an Arbeitkräften in verschiedenen Regionen bzw. Berufen. Man wolle den Arbeitgebern helfen, für Arbeitsplätze, die durch einheimische Kräfte nachweislich unbesetzbar sind, Interessenten aus dem Ausland zu finden. Aber: Die Zahl der Länder, denen sich Tschechien geöffnet hat, ist vorläufig begrenzt. Aufgrund bilateraler Vereinbarungen dürfen derzeit Arbeitnehmer aus Bulgarien, Kasachstan, Kroatien, Moldawien und Weißrussland kommen. Nun fällt aber die Bilanz des seit zwei Jahren laufenden Pilotprojektes eher bescheiden aus: Von den insgesamt 253 Interessenten, die sich zur Teilnahme am Projekt angemeldet haben, wurden bis Ende des Vorjahres 95 Prozent, das sind 241 Personen ausgewählt. Den aus tschechischer Sicht idealen Arbeitsbewerber beschrieb Vera Ivanovicova wie folgt:

"Es ist eine Person, Mann oder Frau, im Alter zwischen 23 und 35 Jahren, verheiratet, mit Hochschulausbildung und einem ebenso ausgebildeten Partner, mit einem bis drei Kindern, mit Kenntnissen einer Weltsprache und womöglich auch der tschechischen Sprache, und schließlich mit einer dreijährigen Erfahrung auf dem tschechischen Arbeitmarkt".

Das ist also ein quasi kaum existierender Idealfall, der bei der Bewertung anhand der einzelnen Kriterien die höchste Punktezahl, nämlich 66, erzielen kann. Von den 241 bereits ausgewählten Ausländern befinden sich nur drei solche, fast "ideale Personen". Die anderen gehören eher der Kategorie "reale Menschen" an. Auf der anderen Seite, so Ivanovicova, bedeute eine niedrigere Punktezahl nicht unbedingt eine niedrigere Qualität des Bewerbers. Er erfülle einfach einige Kriterien nicht, seien es etwa Sprachkenntnisse oder die Aufenthaltslänge in Tschechien. Die Managerin sagte uns noch, wie das tschechische Projekt, das sich vor allem von einem im kanadischen Quebec praktizierten Konzept inspirieren ließ, in den Partnerländern angekommen ist:

"Es gibt keine direkten Beweise, dass sich die internationale Immigration negativ auf die Herkunftsländer der Arbeitsbewerber auswirkt. Worauf ich bei den Verhandlungen gestoßen bin, war das Bewusstsein, dass legale Migration einfach als existierende Tatsache gilt. Und wenn diese jemand lenken will, damit es zu keinem Verstoß gegen gültiges Recht kommt, dann wird dies nur willkommen geheißen. Wie dann das jeweilige Land mit dem Abgang eigener Arbeitskräfte fertig wird, das ist schon Sache der eigenen Innenpolitik."