Weblog gegen unseriöse Berichterstattung in tschechischen Medien

Photo: Archives de Radio Prague

Menno van Riesen und Robert Schuster begrüßen Sie nun wieder zu einer neuen Folge von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag.

Liebe Hörerinnen und Hörer, wir bringen Ihnen in unseren Sendungen relativ oft Auszüge aus Kommentaren der tschechischen Zeitungen und Zeitschriften. So wie in anderen Ländern auch, bilden natürlich auch in Tschechien die Meinungsartikel das Herzstück der heimischen Zeitungen, und diese Rubriken werden demnach - einmal mehr, einmal weniger einfallsreich - von den Redaktionsleitungen gepflegt. Somit scheint zumindest bei den großen überregionalen Zeitungen ein gewisses Niveau im Kommentarbereich gewährleistet zu sein.

Beim Blick auf die anderen Rubriken scheint aber dieser Qualitätsaspekt nicht immer und überall im Vordergrund zu stehen. Das Informationszeitalter mit seinen hohen Ansprüchen an die schnellstmögliche Verbreitung von Nachrichten und Neuigkeiten aller Art führt zu einem erhöhten Konkurrenzdruck unter den Medien, wie auch unter den Redakteuren. Das kann letztlich dazu führen, dass nicht alle Journalisten bei ihrer Arbeit die nötigen ethischen Grundsätze wahren, wenn sie zum Beispiel in ihren Beiträgen die Quellen nicht angeben, oder sogar ganz bewusst die Arbeit von Kollegen aus anderen Redaktionen als die eigene ausgeben.

Dieses Phänomen hat sich in den letzten Jahren auch in der tschechischen Medienlandschaft ausgebreitet. Obwohl heute fast alle Redaktionen eigene Statuten, bzw. ethische Codizes haben, scheinen diese keinen ausreichenden Schutz vor diesem Misstand zu geben.

Anfang Oktober des vergangenen Jahres haben deshalb zwei Redakteure der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny im Internet eine öffentliche Initiative ins Leben gerufen, mit dem Ziel, durch das Aufzeigen von Fällen, in denen Journalisten bei ihrer Arbeit nicht seriös vorgegangen sind und zum Beispiel keine richtigen Quellen angegeben haben, das Problembewusstsein für dieses Phänomen zu schärfen und dabei zu helfen, diese negative Entwicklung zu beheben.

Über dieses Projekt unterhielten wir uns im Folgenden mit einem seiner Initiatoren, dem Journalisten Radek Kedron von der Hospodarske noviny. Über die Motive, die ihn und seine Redaktionskollegin Sabina Slonkova dazu geführt haben, meint er im Gespräch mit Radio Prag:

"Dass in den tschechischen Medien geklaut wird, sei es in der Form der bewusst verschwiegenen Quellenangaben, oder bei Exklusivgeschichten, ist leider eine traurige Wahrheit. Darüber haben wir uns zusammen mit einigen Kollegen lange sehr aufgeregt, und das war natürlich auch der Impuls, dass wir dieses Weblog ins Leben gerufen haben. Wir haben uns lange überlegt, wie wir dagegen ankämpfen können, haben versucht, uns über die Kollegen beim Journalistenverband zu beschweren, genauso wie mit den Betroffenen direkt ins Gespräch zu kommen, aber alles war vergebens. So haben wir diese direkte Form eines öffentlichen Prangers gewählt und ich habe das Gefühl, dass es funktioniert

Foto: Archiv Radio Prag
Ganz bewusst wurde dabei, wie Radek Kedron im Weiteren ausführt, die Form des Weblog als Kommunikationsplattform gewählt. Das ermöglicht vor allem der breiten und interessierten Öffentlichkeit einen leichten Zugang, genauso aber auch den Betreibern dieser Seite eine relativ einfache Bedienung und Aktualisierung.

Wie waren aber die Reaktionen der Kollegen von den übrigen Medien auf diese Initiative?

"Das kommt ganz darauf an. Bei einigen Kollegen war die Reaktion positiv. Mittlerweile ist es ja so, dass uns viele Leute selber diese Fälle melden, so dass wir uns nicht mehr selber auf die Suche begeben müssen. Das zeigt eigentlich, dass wir nicht die einzigen sind, die sich über so etwas ärgern, sondern auch viele Zeitungsleser der gleichen Meinung sind. Ich kann sehr gut das Gefühl von Kollegen nachvollziehen, die etwas Großes herausgefunden haben und dann auf einmal sehen müssen, wie ein anderes Medium sich dessen ohne Quellenangabe bedient. Das wird dann oft mit Worthülsen wie ´Es ist herausgekommen´ etc. kaschiert. Wir haben aber natürlich auch negative Reaktionen erfahren, was aber wahrscheinlich eher darauf zurückzuführen ist, dass einige Kollegen nicht begriffen haben, was das eigentlcieh Ziel unseres Projektes war und ist. Interessant war aber zum Beispiel die Reaktion des Informationschefs des Tschechischen Fernsehens. Gerade beim Öffentlich-rechtlichen Fernsehen war es in der jüngsten Vergangeheit oft der Fall, dass Informationen ohne Quellenangabe veröffentlicht wurden. Der Informationintendant hat sehr negativ reagiert, was mich persönlich überrascht hat."

Nach einem halben Jahr, in dem das Weblog mittlerweile betrieben wird, lässt sich bereits eine erste Bilanz ziehen, die überraschend positiv ausfällt, wie der Journalist Radek Kedron von der Wirtschaftzeitung Hospodarske noviny abschließend hinzufügt:

"In letzter Zeit gibt es auf dem Weblog ein Minimum an Neueinträgen. In der Anfangszeit war das genau umgekehrt - da bekamen wir sehr viele Anregungen von den Lesern, und es waren so viele, dass wir sie aussortieren mussten, weil wir einfach nicht alles behandeln konnten. Aber auch ich habe das Gefühl, dass sich vieles rasant verbessert hat. Beim Fernsehen werden zum Beispiel bei Tabellen überall die Quellen angegeben, auch die Kollegen von der Pravo sind in dieser Hinsicht konsequenter geworden. Natürlich - ein Problem stellen nach wie vor die regionalen Medien dar, wo das immer noch nicht zum guten Ton gehört."

Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Nun aber kommen wir in den letzten Minuten der heutigen Sendung noch zu einem Thema, das in den vergangenen Tagen von Medien ausführlich behandelt wurde, nämlich der jüngste Besuch des tschechsichen Präsidenten Vaclav Klaus in den Vereinigten Staaten. Klaus fuhr ursprünglich nur mit dem Ziel nach Amerika, um dort sein neues Buch zu präsentieren, Vorträge zu halten, bzw. einigen Medien Interviews zu gewähren. Beim Abflug in die USA deutete nichts daraufhin, dass Klaus - wie von ihm schon seit langem erhofft - auch noch von US-Präsident George W. Bush in Weißen Haus empfangen werden könnte. Klaus wurde dabei wegen seiner negativen Haltung zum Irak-Krieg von der US-Regierung in der Vergangenheit indirekt oft kritisiert.

Nicht zuletzt aus diesem Grund kann der Präsident die Visite bei Bush als seinen persönlichen Erfolg präsentieren. Zu diesem Thema fanden wir einen Kommentar von Martin Fendrych, der in der Wochenzeitschrift Tyden erschienen ist. Zitat:

"Klaus hat klar die amerikanischen Interessen im Irak unterstützt, aber die tschechischen ließ er liegen. Als er von den Journalisten gefragt wurde, ob die Aufhebung der Visa-Pflicht für die Tschechen ein Thema bei der Unterredung war, meinte Klaus, dies wäre zwar wichtig, er und Bush hätte aber über Fragen gesprochen, die grundlegender waren. Aber wie grundlegender? Für die tschechischen Touristen, Unternehmer oder Künstler stellt der Visazwang ein großes Problem dar, und viele fühlen sich von der amerikanischen Botschaft in Prag diskriminiert. Schade, der Präsident hätte das Bush gegenüber erwähnen können. Klaus wurde von Bush empfangen, aber nicht mehr. Das war sein persönlicher Triumpf, nicht einer für uns alle. Von seinem Vorgänger im Präsidentenamt - Vaclav Havel - unterscheidet sich Klaus in einem Punkt: Die Amerikaner verehrten Havel, sahen in ihm den ehemaligen Bürgerrechtler, einen Mann, der für die Freiheit kämpfte. Klaus hingegen ist heute für Bush ein ganz normaler Präsident - einer von vielen."

Soweit Martin Fendrych, der den Schlusspunkt unseres heutigen Medienspiegels setzte.

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