Machtwille wieder stärker als die politische Vernunft
Zur Regierungskrise jetzt ein Kommentar von dem in Prag arbeitenden freien Journalisten Thorsten Herdickerhoff.
Doch die Regierungsgeschäfte liegen brach. Die Politiker widmen sich lieber einem anderen Spiel, bei dem der Preis höher geschätzt wird. Es geht um Macht. Der eine will sie behalten, die anderen wollen sie erringen.
Die Bürgerdemokraten ODS zum Beispiel, die den Misstrauensantrag vorige Woche gestellt haben. Sie führen in den aktuellen Wahlumfragen und würden bei Neuwahlen die stärkste Fraktion im Parlament. Und natürlich die Kommunisten, deren Unterstützung für Gross entscheidend war und weiterhin sein wird. Sie sind seit der Wende 1989 abgeschnitten von der Macht und wurden von allen anderen Parteien geächtet. Nach Neuwahlen wären sie zwar die zweitstärkste Fraktion, aber ohne jeden Einfluss. Denn die Regierung würden andere bilden. Auf die Minderheitsregierung von Gross hätten sie hingegen großen Einfluss. Im jetzt laufenden Spiel schaut jeder, wie er selbst am meisten Macht bekommt.
Doch Machtgier bringt jeden zu Fall. Denjenigen, der oben sitzt und sich fest klammert genauso wie diejenigen, die unten an seinem Stuhl sägen. Denn sie leiden allesamt an Kurzsichtigkeit: Sie sehen immer nur sich selbst am besten. Ein demokratisches Trostpflaster gibt es allerdings noch: Premier Gross will sich mit einer neugestalteten Regierung der Vertrauensfrage stellen. Besser wäre es, er ließe bereits jetzt von der Macht.