Frühere Dissisdenten kritisieren Präsident Klaus für seine Warnung vor NGOs
Bürgerinitiativen stellen eine gefährliche postdemokratische Erscheinung dar, gegen die der Europarat ankämpfen müsse - diese Meinung vertrat der tschechische Präsident Vaclav Klaus vergangene Woche auf der Europaratssitzung in Warschau. Auf die Gefährlichkeit solcher Äußerungen haben frühere Dissidenten den Präsidenten am Freitag in einem Brief hingewiesen. Silja Schultheis berichet.
"Wir dachten, nach 1989 würde niemand mehr daran zweifeln, dass Bürgerinitiativen wie etwa die Charta 77 heute legitim und von der Verfassung garantiert sind und von einer demokratischen Gesellschaft nicht wegzudenken."
So heißt es in dem Brief zwölf früherer Dissidenten an Präsident Vaclav Klaus. Es scheint paradox: Ausgerechnet das Staatsoberhaupt eines Landes, das während des Kommunismus die Allmacht des Staates und die Unterdrückung von Bürgerengagement schmerzlich am eigenen Leib erfahren hat, warnt vor dem Einfluss von Nichtregierungsorganisationen. Wie lassen sich die Äußerungen von Vaclav Klaus erklären? Das fragten wir einen der Autoren des Briefes, den Journalisten Petr Uhl, seinerzeit einer der ersten Unterzeichner der Charta 77 und in den Jahren 1998-2001 Menschenrechtsbeauftragter der tschechischen Regierung:
"Die Frage stelle ich mir auch. Weil das ist so absurd. So ein technokratisches System, wo die Bürger einmal in vier Jahren zu den Wahlen kommen und während der vierjährigen Legislaturperiode das Maul halten und weiterdienen, wie man bei uns in Österreich sagte, das ist keine Demokratie. Die Bürgergesellschaft ist natürlich notwendig."
Nicht nur mit dem Inhalt seiner Aussage jedoch liegt der tschechische Präsident nach Meinung der Dissidenten falsch. Zusätzlich habe Klaus offenbar auch seine Kompetenzen überschätzt. Denn, so Uhl:
"Konstitutionell genommen, haben wir fast das gleiche System wie in der Bundesrepublik Deutschland. D.h. der Präsident hat nur eine repräsentative Funktion und Kompetenzen, die sehr begrenzt sind."
Vor diesem Hintergrund, so Uhl, sei die Warnung von Klaus vor dem gefährlichen Einfluss von Nichtregierungsorganisationen schlichtweg verantwortungslos:
"Das ist Populismus. Die Bevölkerung weiß nicht, dass wir ein Kanzlersystem haben und denkt, dass der Präsident der Republik fast ein König ist. Das ist sehr wichtig, was er sagt, weil die Leute daran glauben."
"Sie sagen Populismus. Aber warum sollten diese Äußerungen von Herrn Klaus eigentlich populär sein, sie richten sich ja gegen die Bürger?"
"Meistens sind die Leute müde, nicht aktiv. Und wenn jemand sagt: Wir werden ihre Probleme lösen, dann ist das natürlich bequem. Und vielleicht nicht alle Menschen, aber die meisten, werden denken: Das ist vielleicht besser, als selbst aktiv zu sein, möglicherweise ohne Erfolg"
Präsident Klaus bezeichnete die Kritk früheren Dissidenten am Montag als kläglich. Die Unterzeichner hätten von der heutigen Zeit nichts begriffen. Nicht er, sondern sie seien diejenigen, die anderen die Meinung verbieten und dadurch ihre Unfähigkeit demonstrieren würden, in einer freien Gesellschaft zu leben, so Klaus.