Innenpolitische Grabenkämpfe um Ratifizierung der EU-Verfassung

Logo der Kampagne zur EU-Verfassung (Foto: CTK)
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Der negative Ausgang des französischen Referendums über die EU-Verfassung hat in Tschechien heftige innenpolitische Grabenkämpfe ans Licht gebracht. Nachdem der Streit zwischen Präsident und Regierung über den richtigen Standpunkt zum Verfassungsvertrag gerade notdürftig beigelegt war, kam es zu einem Zerwürfnis innerhalb der Regierungskoalition. Silja Schultheis berichtet.

Logo der Kampagne zur EU-Verfassung  (Foto: CTK)
Macht es überhaupt Sinn, die tschechischen Bürger in einer Kampagne von der Wichtigkeit der europäischen Verfassung zu überzeugen? Oder hat das vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Europa ohnehin keine Aussicht auf Erfolg? Über diese Frage spalten sich momentan die politischen Geister. 80 Millionen Kronen, rund 2,7 Millionen Euro, wollte die tschechische Regierung allein dieses Jahr in eine Informationskampagne zur EU-Verfassung investieren. Und daran hält die sozialdemokratische CSSD auch trotz der Einwände ihres christdemokratischen Koalitionspartners fest. Denn nach Meinung des sozialdemokratischen Parteichefs und früheren Ministerpräsidenten Stanislav Gross haben die tschechischen Bürger nach wie vor Anspruch auf Informationen zur EU-Verfassung, unabhängig von den europapolitischen Entwicklungen in anderen Ländern. Denn, so Gross:

"Über die nationalen Interessen Tschechiens wird schließlich nicht in Paris oder anderswo entschieden, wir sind ein souveräner Staat und müssen eine souveräne Politik machen."

Logo der Kampagne zur EU-Verfassung  (Foto: CTK)
Zudem, so Gross, habe sich die tschechische Regierung zur Propagierung des Verfassungsentwufs sowohl bei dessen Unterzeichnung in Rom als auch in ihrer Regierungserklärung dazu verpflichtet. Die Christdemokraten hingegen schlagen vor, das bisherige Vorgehen der Regierung zu hinterfragen und die Informationskampagne vorerst zu stoppen. Um die tschechische Position im Ratifizierungsprozess zu überdenken, sollten sich alle demokratischen Parteien, d.h. auch die oppositionellen Bürgerdemokraten, zu Verhandlungen zusammensetzen. Dies lehnten die Sozialdemokraten am Mittwoch jedoch ab. Für die oppositionellen Bürgerdemokraten gibt es ohnehin nicht mehr viel zu diskutieren: Sie sind davon überzeugt, dass sich die Eu-Verfassung erledigt hat. Wozu sollten also die tschechischen Bürger über das Dokument überhaupt informiert werden? Parteichef Mirek Topolanek bringt den ablehnenden Standpunkt seiner Partei auf eine nüchterne Formel:

"Die etlichen Millionen Kronen für die Kampagne zur EU-Verfassung können für nützlichere Dinge verwendet werden."

Keine Einigkeit also bislang über den weiteren Ratifizierungsprozess in Tschechien, noch nicht einmal innerhalb der Regierungskoalition. Um aber auf dem nahenden EU-Gipfel in Brüssel am 16. Juni eine geschlossene Position einnehmen zu können, wollten sich die Koalitionspartner auf der Regierungssitzung am Mittwoch auf einen gemeinsamen Standpunkt verständigen. Die Ergebnisse der Sitzung waren vor Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass die Regierung Ministerpräsident Jiri Paroubek das Mandat erteilt hat, auf dem nahenden EU-Gipfel in Brüssel eine Verlängerung der Ratifizierungsfrist für diejenigen EU-Staaten durchzusetzen, die die Verfassung noch nicht verabschiedet haben.