Schweine geben ALS-Patienten Hoffnung

Foto: Archiv des Instituts für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften

Minischweine könnten zur großen Hoffnung für Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen werden. Einige von ihnen werden in einem Forschungsinstitut der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Liběchov gezüchtet und erforscht. Die Erkenntnisse will man anschließend in der Gentherapie nutzen.

Foto: Archiv des Instituts für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften

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Das Institut für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften hat seinen Sitz in der mittelböhmischen Kleinstadt Liběchov / Liboch. In den dortigen Labors werden Experimente an Tieren zu mehreren Krankheiten durchgeführt. Die erforschten Methoden sollen irgendwann bei Menschen angewandt werden. Der Fokus liegt auf degenerativen Augenerkrankungen, der Huntington-Krankheit und der amyothrophen Laterosklerose (ALS).

Bereits im September vergangenen Jahres stellte das Zentrum eine neue Methode zur Behandlung der bisher unheilbaren Huntington-Krankheit vor: sie wurde in den Labors in Liběchov getestet, und zwar in Zusammenarbeit mit der California University in San Diego. Die Ergebnisse der Experimente waren hervorragend und derzeit läuft in den USA bereits eine Testreihe an menschlichen Patienten. Anfang dieses Jahres erklärten die Wissenschaftler aus Liběchov, sie seien imstande, auch die Krankheit ALS zu unterdrücken. ALS attackiert das zentrale Nervensystem, wobei die Nervenzellen absterben und der Patient schrittweise am ganzen Körper gelähmt wird.

Minischweine - ideale Labortiere

Foto: Archiv des Instituts für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften
Die entsprechenden Testreihen werden seit Jahren an Minischweinen durchgeführt. Unter anderem der Forscher und Tierarzt Štefan Juhás ist an den Versuchen beteiligt. Gegenüber Radio Prag erläutert er, warum sich die Tiere so gut dafür eignen:

„Wir arbeiten an einer ALS-Gentherapie. Dafür sind die Minischweine ideal, weil sie anatomisch und morphologisch einem erwachsenen Menschen sehr ähnlich sind. Unsere Minischweine wiegen im erwachsenen Alter 80 bis 90 Kilo. Das Rückenmark bei einem 50-Kilo-Schwein ist ungefähr so lang wie bei einem Menschen, und auch weitere Proportionen entsprechen gut, wie etwa das Volumen der Zerebrospinalflüssigkeit. Das ist ein Vorteil zum Beispiel im Vergleich zu Nagetieren.“

Bei den Versuchen wird den Schweinen eine therapeutische Lösung in das Nervensystem gespritzt. Danach wird beobachtet, wie weit das Präparat in die Struktur der Nerven gelangen kann.

Štefan Juhás  (rechts). Foto: Archiv des Instituts für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften
„Stellen Sie sich das Rückenmark vor. Es ist von harten Hüllen umgeben, in denen sich die Zerebrospinalflüssigkeit befindet. Außerdem gibt es unter der äußeren Hirnhaut noch eine weiche Haut. Bisher wurden die Heilmittel in die Zerebrospinalflüssigkeit verabreicht beziehungsweise direkt in das Parenchymgewebe des Rückenmarks injiziert. Die neue Methode beruht darin, dieses in den Raum dazwischen zu bringen.“

Präklinische Experimente

Der Tierarzt Štefan Juhás kommt aus der Slowakei und seine Frau ist ebenfalls Angestellte des Instituts. Laut Juhás sind die Minischweine schon fast Haustiere für die Mitarbeiter. Der einzige Unterschied beruhe darin, dass diese Ferkel ihr Ende nicht in der Küche fänden, sagt er mit einer Prise schwarzen Humors. Für präklinische Experimente seien sie aber von einem ungeheuren Wert, betont er:

„Wir selbst erforschen Erkrankungen der Augen, des Rückenmarks und des zentralen Nervensystems. Außerdem kommen Chirurgen und Endoskopie-Experten aus verschiedenen Krankenhäusern in Prag zu uns, um hier neue chirurgische Methoden und Behandlungsvorgehen zu erproben. Wir arbeiten mit Ärzten zusammen, die sich auf Morbus Crohn und sämtliche Komplikationen bei dieser Darm-Erkrankung spezialisieren. Mit anderen Experten beschäftigen wir uns hier mit der Behandlung von Speiseröhre-Erkrankungen. Das Schwein ist wie der Mensch ein Allesfresser und es hat einen ähnlichen Verdauungsapparat. Man kann deswegen viele Methoden an ihnen trainieren.“

Foto: Archiv des Instituts für Tierphysiologie und Genetik der Akademie der Wissenschaften
Der Tierarzt beschreibt eine solche Forschung in der Praxis. Die Operationen von Menschen und von Tieren würden sich nicht wesentlich unterscheiden, meint er:

„Das Schwein wird betäubt, wobei die Anästhesie nicht allzu stark sein darf. Dann wird es beatmet: Es bekommt eine Kanüle ins Ohr und wird an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Dann öffnen wir die Wirbelsäule, führen eine Nadel unter die dünne Gehirnhülle ein und durch diese injizieren wir eine geringe Menge des Mittels, höchstens einhundert Mikroliter. Dann wird die Wunde vernäht, das Schwein wird geweckt und am nächsten Tag bekommt es schon wieder Futter. Die Versuche bringen keine Einschränkungen für sein Leben. Das Schwein war vor der Operation gesund und bleibt auch danach. Wir testen nur, wie weit das Mittel in das Nervensystem gelangt. Später bekommt das Minischwein erneut Narkose und wird eingeschläfert. Dann erforschen wir sein Gehirn und sein Rückenmark.“

Gentherapie

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Das Team von Liběchov ist recht international. Neben Tschechen und Slowaken sind Mitarbeiter aus der Ukraine, aus Bulgarien, Vietnam, Ägypten, Jordanien, Indien, Japan und weiteren Ländern vertreten. Das Institut arbeitet auch mit der Universität in San Diego eng zusammen:

„Man könnte die neue Methode natürlich auch in den USA ausprobieren. Aber das erforderliche administrative Verfahren ist dort viel langwieriger, in Tschechien läuft der Genehmigungsprozess schneller. Zudem muss man dort Labors, in dem die präklinische Forschung an Schweinen durchgeführt werden kann, lange Zeit im Voraus reservieren. Unsere Einrichtungen stehen jederzeit zur Verfügung. Und auch die Finanzen spielen eine Rolle, bei uns kostet alles etwas weniger. Für uns ist hingegen ein großer Vorteil, dass wir dadurch zu erstklassigen Publikationen kommen und mit einem perfekten Forschungsteam in Kontakt stehen. Es läuft ein Informationsaustausch, der für beide Seiten günstig ist. Es ist eine perfekte Symbiose.“

Wichtig sind laut Juhás aber vor allem die Ergebnisse der Forschung. Diese geben vielen ALS-Patienten Hoffnung. Die neue Behandlungsmethode wartet derzeit auf eine Genehmigung durch das US-amerikanische Amt für Medikamenten- und Lebensmittelkontrolle.

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