Gegen Essensverschwendung: App statt Abfalleimer

Foto: PublicDomainPictures, Pixabay / CC0

Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem in Tschechien, besonders im Gastgewerbe. Immer mehr Restaurants wollen jedoch etwas dagegen tun. Einige von ihnen greifen dabei zu rabiaten Mitteln, während andere auf IT und cleveres Marketing setzen. Schon jetzt machen aber die Supermärkte vor, wie es richtig geht. Wenn auch mit etwas Zwang vom Gesetzgeber.

Foto: PublicDomainPictures,  Pixabay / CC0
Robert Šejma arbeitet in einem Restaurant im nordböhmischen Litvinov / Leutensdorf. Auch er muss schweren Herzens immer wieder ganze Portionen im Abfalleimer verschwinden lassen:

„Bei uns kommen die Reste einfach in den Müll. Pro Tag sind das schon mal an die 15 Kilo, die wir so entsorgen. Meist landet die Gemüse-Garnitur im Abfall. Wenn wir keine dazugeben, dann beschweren sich die Kunden. Wenn sie aber dann da ist, rühren sie viele nicht einmal an.“

Schätzungen zufolge wirft jedes Restaurant in Tschechien nach Küchenschluss zehn bis 15 Kilo Essen in die Tonne. Manche Gastbetriebe wollen das nicht hinnehmen und suchen andere Abnehmer für die Reste. Die Kellnerin eines Restaurants in Most / Brüx erklärt, wohin ihre übriggebliebenen Speisen wandern:

Illustrationsfoto: Thomas Yuan,  Flickr,  CC BY 2.0
„Es kommt immer darauf an, was gekocht wird, aber meist bleiben ein bis zwei kleinere Kisten Essen übrig. Die holt dann immer eine Frau für ihren Garten und ihre Hühner.“

In Louny / Laun unweit von Prag will man hingegen seine Gäste ein bisschen erziehen. Man hat Wirtschaft in ein Buffet umgewandelt, die Besucher sollen so selbst einschätzen, wie viel sie vertragen. Das heißt, sie bestimmen die Menge von Salat, Suppe, Hauptspeise oder Dessert ganz alleine. Abgerechnet wird nach Gewicht. Wenn sie dennoch etwas auf dem Teller lassen, was anschließend in den Müll wandern soll, wird ein kleines Bußgeld fällig. 50 Kronen, also knapp zwei Euro, würde man in diesem Fall kassieren, erklärt Jana Kristýna Trojánková. Sie leitet das Restaurant in Louny:

App Nesnezeno.cz
„Das ist nötig, damit nichts verschwendet wird. Die Strafe ist für diejenigen gedacht, die sich einen vollen Teller vom Buffet nehmen und sich dann beschweren, dass es ihnen nicht schmeckt. Sie können sich ja beispielsweise erst einmal ein kleines Stück Knödel nehmen und probieren. Wenn das einem zusagt, dann kann man sich ja einen Nachschlag holen. Es ist aber vollkommen überflüssig, dass irgendwas im Abfall landet.“

Was halten aber die Gäste von einem so strengen Regime beim Mittagessen? Zumindest Frau Marcela ist recht angetan von dem Konzept:

„Wenn mir es passieren würde, dass irgendetwas auf dem Teller übrigbleibt, dann wäre ich sauer auf mich selbst. Ich versuche mir immer nur so viel zu nehmen, wie ich tatsächlich auch essen kann. Manchmal ist das aber nicht so einfach.“

In der Konditorei - V cukrárně | Foto: congerdesign,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED
Die Seniorin kommt aus der Region und isst öfter in dem Restaurant. Sie selbst musste aber noch nie Strafe zahlen. Das habe aber nicht unbedingt daran gelegen, dass sie alles aufgegessen hätte, lacht Frau Marcela:

„Bisher ist mir das noch nicht passiert. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich immer mit meinem Mann ins Restaurant gehe. Der isst gerne auch noch meine Portion auf.“

Restaurantchefin Jana Kristýna Trojánková ist überzeugt von ihrem Geschäftsmodell. Seit sie das Bußgeld für Essensreste eingeführt hat, lande fast nichts mehr im Abfall, so die energische Gastwirtin aus Louny.

Innovative Lösungen fürs Smartphone

Jakub Henni  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Restaurants kennen aber auch andere Wege, um restliche Portionen noch loszubekommen. Eine Möglichkeit sind Apps fürs Smartphone, die übriggebliebene Gerichte an Kunden vermitteln. Wie so etwas funktioniert, erklärt Jakub Henni. Er steht hinter einer dieser Apps, sie heißt Nesnezeno.cz:

„So kann man sich durch das Angebot scrollen. Ich kann zum Beispiel hier einen panierten Hackbraten mit Kartoffeln bestellen. Dann muss man nur noch bestätigen und bezahlen.“

Die Gerichte sind außerdem im Preis reduziert, man bekommt also gutes Essen für viel weniger Geld. Der einzige Nachteil ist, dass man die Gerichte selbst abholen muss in dem jeweiligen Restaurant. Nesnezeno.cz gibt es seit gut einem Jahr und die App findet immer mehr Anklang bei Wirten und bei Kunden. Mittlerweile sind in Tschechien 250 Restaurants im Netzwerk der Brünner Essens-Aktivisten registriert. Zunächst beschränkte sich das Angebot auf die Gegend um Brno / Brünn und Olomouc / Olmütz, inzwischen ist die Reste-App auch schon in der Hauptstadt angekommen. Die Prager Wirtin Zuzana Dostálová erklärt, warum ihr Restaurant da mitmacht:

App Jidlov.cz
„Wir haben so in relativ kurzer Zeit auch Stammkunden gewonnen. Eine Frau holt sich zum Beispiel mindestens einmal in der Woche zwei Hauptgerichte mit Suppe.“

Eine andere App ist wiederum Jidlov. Auch sie stammt aus Mähren, und zwar aus Zlín. Entwickelt hat sie Matěj Káňa mit einem kleinen Team von Mitarbeitern. Er erzählt, wie er zu seinem Vorhaben gekommen ist:

„Die Idee kam uns in einem Café mit Bäckerei. Ein Freund und ich haben darüber gerätselt, wo die Ware hinkommt, die an dem Tag nicht mehr verkauft wird. Die Besitzerin hat zufällig mitgehört und uns gesagt, dass sie an dem Tag wahrscheinlich Essen im Wert von 1500 Kronen wegwerfen würde. Es käme aber auch vor, dass bis zu 5000 Kronen im Abfall landen.“

Charlie Dupont  (Foto: YouTube)
Das sind immerhin Summen zwischen 60 und 200 Euro. Wie aber auch schon Nesnezeno.cz ist Jidlov im Osten der Republik immer noch viel beliebter als beispielsweise in Prag.

Ursprünglich kommt die Idee einer App, mit der man sich übriggebliebenes Essen teilen kann, aus Belgien. Die erste Anwendung auf dem Markt war Too much, hinter der der belgische Schauspieler Charlie Dupont steht. Im dortigen Fernsehen erläuterte er neulich das Konzept hinter Too much:

„Es geht darum, die Menschen miteinander zu verbinden. Und zwar diejenigen, die Essen zu vergeben haben mit denen, die es sich gerne abholen würden. So können wir ganz einfach der Verschwendung ein Ende setzen.“

Charlie Dupont will aber, dass nicht nur Menschen seine Idee nutzen, die online sind. Er hat ein viel sozialeres Netz im Hinterkopf:

„Ich will wirklich alle erreichen. Wenn man zum Beispiel einen hungrigen Obdachlosen sieht und zufällig die ‚Too much‘-App installiert hat, kann man zu ihm sagen: ‚Schau mal, das Restaurant da hinten hat ein Steak übrig, das kannst du dir holen, wenn du Hunger hast‘. So helfen wir auch denen, die kein Internet haben.“

Keine Verpflichtung für Gastbetriebe

Anders als Restaurants sind Supermärkte in Tschechien dazu verpflichtet, unverkäufliches unverdorbenes Essen an sogenannte Lebensmittelbanken zu spenden. Das entsprechende Gesetz ist seit anderthalb Jahren in Kraft. Seitdem sind insgesamt knapp 400.000 Tonnen Essen zusammengekommen. Wie das funktioniert, erklärt diese Mitarbeiterin des Zentrallagers eines Prager Supermarktes während sie Gemüse sortiert:

Veronika Láchová  (Foto: ČT24)
„Diese Paprika ist schon ein bisschen verschrumpelt, die können wir den Kunden im Laden nicht mehr anbieten. Diese wiederum ist schon schlecht, die muss ich wirklich wegschmeißen. Die Verkäuferinnen in unseren Filialen sortieren beispielsweise Paprika aus, die Flecken hat oder aufgeplatzt ist. Verschimmelt darf sie aber nicht sein. Ich entscheide am Ende dann, was gespendet wird oder was man endgültig abschreiben muss. Am Tag sind das rund 100 Kilo.“

Aufs ganze Jahr gerechnet kommen pro Einzelhandelskette so gut an die 100.000 Tonnen zusammen. Für die Leiterin des tschechischen Lebensmittelbanken-Verbandes, Veronika Láchová, ist dies auf jeden Fall ein Erfolg. Skeptisch ist sie aber, wenn es darum geht, ob es eine ähnliche Verpflichtung auch für die Gastronomie geben sollte:

„Das würde den Gastbetrieben viel zusätzliche Arbeit abverlangen. Sie müssten die Lebensmittel entweder vakuumverpacken oder schockfrosten. Nur so können wir die Ware sicher weitervertreiben, zumindest für 24 Stunden nach der Anlieferung bei uns. Das ist auf jeden Fall ein Problem.“

Deshalb scheinen kleinere Direktinitiativen wie Nesnezeno.cz oder Jidlov hier viel effektiver zu sein.